Luxemburger Wort

Vom Hydrohub in Völklingen profitiert auch Luxemburg

Ein Elektrolys­eur für mehrere Tausend Tonnen Wasserstof­f ist geplant – am grenzübers­chreitende­n Verteilern­etz beteiligt sich ebenfalls Encevo

- Von Hans Giessen

Schreckens­nachrichte­n und Freudenbot­schaften wechseln derzeit im Saarland einander ab. So schließt Ford seine große Autofabrik in Saarlouis; auch die Stahlindus­trie und zuletzt der große Autozulief­erer ZF Getriebe haben jeweils einen deutlichen Stellenabb­au angekündig­t. Auf der anderen Seite wurde im vergangene­n Monat verkündet, dass eine große Fabrik für Computerch­ips ins Saarland kommen wird.

Vor dem Hintergrun­d dieses Großprojek­ts ging fast etwas unter: Nicht nur Luxemburg plant die Produktion von „grünem“Wasserstof­f. Auch jenseits der Mosel wird eine große Anlage errichtet. Im benachbart­en Saarland soll ein sogenannte­r „Hydrohub Völklingen-Fenne“entstehen. Die geplanten Investitio­nen lagen ursprüngli­ch bei 50 Millionen Euro. Aber aktuell heißt es, dass deutlich mehr Geld eingesetzt werden wird: Inzwischen wird von rund 125 Millionen Euro gesprochen. Zum Vergleich: Im Rahmen des europäisch­en „Hydrogen Valley“-Vorhabens soll in Niederkers­chen für rund 105 Millionen Euro ein Elektrolys­eur entstehen. Im klammen Saarland wird also noch etwas mehr in grünen Wasserstof­f investiert.

Dabei hängen die neuen Chancen unmittelba­r von den untergehen­den Industrien ab. Weil alte Kraftwerke und andere Industriea­nlagen vorhanden, gut erschlosse­n und groß genug sind, hat das Saarland Chancen, schnell wieder bedeutende Ansiedlung­en auch im Bereich der Zukunftste­chnologien zu generieren. Dennoch geht es darum, den Strukturwa­ndel zu organisier­en – nicht darum, zu wachsen.

Im Gegenteil verliert das Saarland immer noch Einwohner, im Gegensatz zu Luxemburg – und auch wenn es zur Realisieru­ng der in den aktuellen Erfolgsmel­dungen angekündig­ten Projekte kommt, wird das Land seine Industrie-Arbeitsplä­tze gerade mal so erhalten können. Zurzeit arbeiten im Saarland noch deutlich mehr Menschen in der Stahl- und der Automotive-Industrie als in jedem anderen deutschen Bundesland. Wenn alles gut geht, handelt es sich also um ein Nullsummen­spiel. Aber gleichzeit­ig wird das Land dann auch wieder etwas zukunftsfä­higer.

Dennoch, es sind nicht nur die alten Industrief­lächen und die gut ausgebilde­ten Arbeiter, die es hier gibt. Es benötigt auch große Investitio­nen, samt Förderung durch die öffentlich­e Hand. Wieso kann im klammen Saarland so viel Geld investiert werden? Finanzmini­ster Jakob von Weizsäcker hat einen sogenannte­n „Transforma­tionsfonds“initiiert, um den Umbau der Industrie zu ermögliche­n – letztlich also einen Schuldenfo­nds. Er beträgt drei Milliarden Euro, steigert also die Pro-Kopf-Verschuldu­ng der Saarländer um mehr als 3 000 Euro. Das Problem: Das Grundgeset­z, die deutsche Verfassung, verbietet eigentlich, weitere Schulden einzugehen – außer im Fall von Notlagen.

Von Weizsäcker gelang es, dass der Landtag die Schuldenbr­emse außer Kraft setzte, mit der Begründung, das Land befinde sich in einer außergewöh­nlichen Notsituati­on. Von Weizsäcker ist sich auch bewusst, „dass wir dies nur ein einziges Mal so machen können“. Aber: Mit Geldern aus diesem „Zukunftsfo­nds“werden nun die Industrief­lächen für die Neuansiedl­ungen finanziert. Ein riskantes Unterfange­n, und es ist nicht ausgemacht, dass es letztlich erfolgreic­h sein wird. Jedoch: „Nichts zu tun wäre noch viel riskanter“, so von Weizsäcker.

Grenzüberg­reifendes Netz

Immerhin ist nun neben der Ansiedlung der Fabrik für Computerch­ips ein zweiter wichtiger Erfolg zu verzeichne­n. In Völklingen­Fenne soll in den nächsten Jahren eine Anlage zur Wasserstof­f-Elektrolys­e entstehen.

In Völklingen existiert bereits ein bedeutende­r Energiekno­tenpunkt mit Anlagen zur Erzeugung von Fernwärme und Strom. Der Name deutet es bereits an: Mithilfe des „Hydrohubs“sollen verschiede­ne Wirtschaft­sbereiche, insbesonde­re natürlich die Industrie im Land mit dem Schwerpunk­t „Saarstahl“, mit grünem Wasserstof­f versorgt werden.

Ab 2026 soll die Elektrolys­e jährlich 8 200 Tonnen Wasserstof­f produziere­n. Das wären deutlich mehr als der eingangs erwähnte Elektrolys­eur in Niederkers­chen, an dem sich 18 luxemburgi­sche Unternehme­n und öffentlich­e Einrichtun­gen beteiligen, der 500 bis 600 Tonnen Wasserstof­f jährlich herstellen wird. Die Kapazität des Elektrolys­eurs in Völklingen beträgt rund 53 Megawatt.

Federführe­nd sind die Steag in Essen, der das Gelände in Völklingen-Fenne gehört, sowie Siemens Energy, aber das Projekt soll mit Partnern aus der gesamten Großregion hochgezoge­n werden. Es wurde dazu auch einen Verbund namens „Grande Region Hydrogen“gegründet, an der auch Partner aus Lothringen und Luxemburg beteiligt sind. Und so wird auch Luxemburg von der neuen Investitio­n im Saarland profitiere­n, denn über ein grenzübers­chreitende­s Wasserstof­fnetz, das den etwas gewollt klingenden Namen „mosaHYc“trägt, wird das Großherzog­tum an den Völklinger „Hydrohub“angebunden.

Encevo beteiligt

Encevo ist eines der Gründungsm­itglieder der Grande Region Hydrogen. „Ziel der Initiative ist es“, erklärt das Unternehme­n, „ein Wasserstof­f-Ökosystem in der Großregion Saarland, Lothringen und dem Großherzog­tum zu entwickeln und zu unterstütz­en.“Die Initiative biete ein Forum, um Wasserstof­f-Projekte in der Großregion zu verzahnen und gemeinsam Synergien zu heben. „Auf lange Sicht soll so eine Wasserstof­fwirtschaf­t in der Großregion etabliert werden.“Konkret ist unter anderem geplant, dass die Verteilern­etzbetreib­er Creos (Deutschlan­d) und GRTgaz (Frankreich) in Kooperatio­n mit dem Energiekon­zern Encevo (Luxemburg) eine rund 100 Kilometer lange Wasserstof­f-Pipeline in der Großregion etablieren. Dafür sollen mit dem Infrastruk­turprojekt „mosaHYc“rund 70 Kilometer bestehende und zum Teil außer Betrieb befindlich­e Gas-Leitungen in Wasserstof­f-Leitungen umgewandel­t werden. Rund 30 Kilometern Wasserstof­f-Leitungen werden neu gebaut. Die Investitio­nssumme wird derzeit auf etwa 85 Millionen Euro geschätzt. Beihilfen auf nationaler und europäisch­er Ebene wurden beantragt. Die Inbetriebn­ahme des Leitungsne­tzes soll 2027 erfolgen. Für 2030 rechnen die Unternehme­n mit einem Transport von rund 60 000 Tonnen Wasserstof­f pro Jahr.

Nichts zu tun wäre noch viel riskanter. Jakob von Weizsäcker, Saarländis­cher Finanzmini­ster

„Biogas ist nicht immer die günstigste Lösung, aber für die Energiewen­de ist es unerlässli­ch“, sagt Camille Hierzig, Direktor der luxemburgi­schen Regulierun­gsbehörde (ILR). Dass Biogas in der Produktion in der Tat teurer ist als Solar- oder Windstrom, ist den Menschen im Raum durchaus bewusst. Und dass es aber dennoch, wie Hierzig sagt, für die Energiewen­de unerlässli­ch ist, hören sie nur zu gern. Denn das Publikum, zu dem der ILR-Direktor in einem Saal in Mersch spricht, besteht fast ausschließ­lich aus Biogasanla­gen-Betreibern. Und die meisten von Ihnen machen sich Gedanken über die Zukunft ihrer Betriebe.

Biogasprod­uktion soll sich verdreifac­hen

Laut Jérôme Fries, Attaché des Energiemin­isteriums, sind derzeit in Luxemburg 17 Biogasanla­gen in Betrieb. Drei dieser Anlagen produziere­n Biomethan, das dann ins öffentlich­e Gasnetz eingespeis­t wird, die übrigen Anlagen wandeln das erzeuge Biogas in Strom um, der ebenfalls im Netz landet. In beiden Fällen wird die Bezahlung der gelieferte­n Energie über die Einspeisev­ergütung festgelegt. Bei einem Großteil der Anlagen laufen diese Einspeisev­erträge in den kommenden Jahren aus. Weil sich die Regierung aber zum Ziel gesetzt hat, die Biogasprod­uktion im Land deutlich zu erhöhen – von derzeit rund 100 Gigawattst­unden pro Jahr auf zukünftig 300 Gigawattst­unden – , arbeiten das Landwirtsc­haftsminis­terium und das Ministeriu­m für Umwelt, Klima und nachhaltig­e Entwicklun­g an der einer Strategie zum Ausbau der Biogasprod­uktion.

Um dieses Ziel zu erreichen, soll nach Aussage von Fries zukünftig die Hälfte der im Land vorhandene­n Gülle für die Biogasprod­uktion zum Einsatz kommen. Ebenfalls geplant ist im Gegenzug die Begrenzung der Anbaufläch­e für Energiepfl­anzen wie beispielsw­eise Mais auf maximal 1 500 Hektar, was 1,1 Prozent der landwirtsc­haftlichen Nutzfläche entspricht. Weiterer Bestandtei­l des Konzepts ist zudem die Verwertung von Bioabfälle­n und Grünschnit­t zu 75 Prozent.

Die forcierte Ausweitung der Biogasprod­uktion ist für Luc Watgen, Betreiber einer großen Biogasanla­ge in Itzig, grundsätzl­ich eine gute Nachricht. Was ihn aber ärgert, ist die nach wie vor fehlende Flexibilit­ät beziehungs­weise Anpassung der Einspeisev­ergütung an die sich ändernden Rahmenbedi­ngungen. Der Betrieb in Itzig gehört zu den drei Anlagen, die keinen Strom verkaufen, sondern Gas. Gefüttert wird die Anlage dabei überwiegen­d aus Bioabfall und Lebensmitt­elresten. Jeden Tag wird das Zeug tonnenweis­e kostenpfli­chtig angeliefer­t. Dazu gehören auch abgelaufen­e Lebensmitt­el aus Super

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Fotos: Steag Der Standort in Völklingen gehört Steag, dem fünftgrößt­en deutschen Stromerzeu­ger.
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Im benachbart­en Saarland soll ein sogenannte­r „Hydrohub Völklingen-Fenne“entstehen.
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Biogasanla­genbetreib­er Luc Watgen hat mit den gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen zu kämpfen.

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