Als Vermittlerin an der Schule
Viktoriia Dushka arbeitet als „Médiatrice culturelle“für Neuankömmlinge aus der Ukraine
Viktoriia Dushka erinnert sich noch genau an ihren ersten Arbeitstag. Den Tipp, sich als Médiateur culturel beim Bildungsministerium für die ukrainischen Neuankömmlinge anzubieten, bekam die Ukrainerin von einer Freundin. „Ich habe eine Mail mit meinem Lebenslauf geschickt – und prompt bekam ich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch.“Alles sei „sehr schnell“gegangen.
Dushka war eine von Tausenden, die Anfang März 2022 mit ihren Kindern vor dem russischen Angriffskrieg flohen, sie kam nach Luxemburg: Wenige Wochen später hatte sie, und mit ihr 52 weitere ukrainische Frauen (und ein Mann) einen Job: Als Médiatrice culturelle des Service de la scolarisation des enfants étrangers (Secam) sollte sie zwischen Schule, ankommenden ukrainischen Eltern und Kindern vermitteln, ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Vier von ihnen dienen im Ministerium als Kontaktstelle für ukrainische Eltern und für Lehrkräfte. Die anderen arbeiten direkt vor Ort in den Schulen.
Komplexes Luxemburger Schulsystem
„Das Luxemburger Schulsystem unterscheidet sich sehr von dem ukrainischen. Am Anfang waren Verwirrung und das Durcheinander groß“, erzählt Dushka. Kinder mussten zunächst medizinisch untersucht werden; wegen des Ansturms dauerte das. In der Ukraine gehen Kinder bis zum 17. Lebensjahr in die Schule. „Ich musste mich erst einmal mit dem System vertraut machen“, so Duschka.
Das klappte besser als gedacht. Heute ist die Ukrainerin im zweiten Jahr als Médiatrice auf der Sekundarstufe im englischsprachigen Zweig der öffentlichen International School Michel Lucius engagiert. Die Verlängerung ihres befristeten Vertrags freut sie und stimmt sie traurig zugleich: „Wie viele andere meiner Landsleute dachte ich, der Krieg sei eine Sache von Monaten“, so Dushka, die vor dem Krieg im Betrieb ihrer Eltern angestellt war. „Ich wollte immer schon mit Kindern arbeiten. Die Herausforderung als Médiatrice gefällt mir sehr gut.“
Sie und ihre Kolleginnen helfen Eltern, beantworten Fragen, geben Tipps. Als im Frühjahr 2022 die ersten Kinder eingeschult wurden, assistierte sie, zusammen mit den Englischlehrerinnen, das Leistungsniveau der Neuankömmlinge via Tests und Zeugnisse einzuschätzen: Die meisten besuchten zunächst eine Förderklasse, um die Unterrichtssprache Englisch zu vertiefen oder neu zu lernen. Denjenigen, die direkt den Regelunterricht besuchten, übersetzte sie das, was sie nicht verstanden. Das Gros der Schüler sei inzwischen gut integriert: „Ich helfe manchmal, indem ich etwa Hausaufgaben erkläre.“
1 264 ukrainische Kinder und Jugendliche besuchen derzeit Luxemburger Schulen, 397 davon die Grundschule und 867 eine der öffentlichen internationalen Schulen, wie das Lycée Michel Lucius.
Zu Duschkas Aufgaben gehört auch, Schüler, die dies wünschen, zum psychologischen Dienst zu begleiten. „Als die Kinder in Luxemburg ankamen, standen viele unter Schock und waren sehr gestresst“, beschreibt sie die schwierige Anfangszeit. Insgesamt aber hätten sich die meisten „heute eingelebt und den Schock einigermaßen verkraftet“.
Viele versuchten anfänglich über Online-Unterricht den Kontakt zur Heimat aufrechtzuerhalten, was das ukrainische Erziehungsministerium aktiv unterstützt. Mit dem anhaltenden Krieg finde aber ein Umdenken statt: „Viele Kinder sind zum Teil durch die Mehrfachanforderungen überlastet und müde“, sagt Pierre Reding, Leiter der Abteilung Integration im Bildungsministerium. Die ukrainischen Schulkurse finden wegen der Zeitverschiebung oft morgens in der Früh statt: „Dann kommen die Kinder entsprechend müde zum Luxemburger Unterricht.“
Englisch als Integrationssprache
Das Ministerium hatte von Anfang darauf gesetzt, dass ukrainische Schüler Luxemburgisch respektive eine der Landessprachen oder Englisch lernen. „Wichtig ist, dass die Kinder den Anschluss finden. Deshalb gehen die meisten in die internationalen Schulen, wo sie nur eine Sprache neu lernen müssen“, sagt Reding. „Die meisten Eltern wollten wieder zurück in die Heimat, sobald der Krieg vorbei ist“, bekräftigt Viktoriia Dushka.
Für die älteren Schüler, die kurz vor dem Abschluss standen, als sie nach Luxemburg flohen, hat das Ministerium, in Zusammenarbeit mit Kollegen in der Ukraine, ein ukrainisches Examen organisiert. Die Prüfungen fanden im Lycée Michel Lucius statt; bei Erfolg gab es ein ukrainisches Zeugnis, das zum Hochschulstudium berechtigt. Der Luxemburger Abschluss der internationalen Schulen wird ebenfalls von europäischen Hochschulen anerkannt. „Wichtig ist, dass diese Kinder und Jugendlichen durch den Krieg nicht zu viel Zeit verlieren“, sagt Pierre Reding. Auch diesen Sommer soll wieder ein solches Examen angeboten werden.