„Uns drohen Jahre des Stillstands“
Der heutige Tag der seltenen Krankheiten soll Aufmerksamkeit schaffen. Die kommenden Monate könnten laut ALAN-Direktor Daniel Theisen richtungsweisend sein
Schätzungsweise 30 000 Menschen in Luxemburg leiden an einer seltenen Krankheit. Ob Asperger, Tourette oder Ménière – so unterschiedlich die Symptome und Verläufe der jeweiligen Erkrankungen sein mögen, die Betroffenen teilt oft ein gemeinsames Schicksal: Der Weg bis zur Diagnose ist lang, eine Heilung in den meisten Fällen nicht möglich.
Den 28. Februar, den Tag der seltenen Krankheiten, nutzt die Organisation ALAN – Maladies Rares, die sich für Betroffene starkmacht, um mehr Sichtbarkeit zu schaffen und auf die Wichtigkeit der kommenden Monate hinzuweisen.
Luxemburg steht an entscheidender Schnittstelle
Die kommenden Monate könnten für die künftigen Entwicklungen, zumindest hierzulande, nämlich wegweisend sein. Der 2018 in Kraft getretene erste nationale Plan für seltene Erkrankungen (PNMR) läuft in diesem Jahr aus, die weitere Zukunft des Aktionsplans ist bisher ungewiss.
Dabei war die Einführung des PNMR vor fünf Jahren ein Meilenstein. „Luxemburg war eines der letzten Länder, das sich einen solchen Plan gegeben hat“, erklärt Daniel Theisen, Direktor der ALAN, und fährt fort: „Das erscheint absurd, da wir das reichste Land der Welt sind. Es herrscht eine große Diskrepanz zwischen den Mitteln, die wir eigentlich haben sollten und dem, was tatsächlich passiert“.
Dennoch zeigt er sich mit den Ergebnissen des ersten PNMR zufrieden. „In den vergangenen Jahren hatten wir eine gute Dynamik“, berichtet Theisen und ergänzt: „Es gibt immer Luft nach oben, wir haben aber durchaus gute Ergebnisse erzielt“. Als Beispiel nennt er die von ALAN betriebene Infoline, eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene, um Informationen zu erhalten. Diese stoße aufgrund einer jährlich zunehmenden Nachfrage sogar mittlerweile an ihre Grenzen.
Mit dem Ende des ersten Aktionsplans bricht nun ein entscheidender Moment an. ALAN fordert nämlich, dass Anfang 2024 ein Nachfolgedokument verabschiedet werden soll, um die Errungenschaften des ersten Plans fortführen und ausbauen zu können. „Wir stehen an einer Kreuzung; wenn wir falsch abbiegen, drohen Jahre des Stillstands“, so Theisen.
Aktionsplan soll in das Koalitionsprogramm
„Wir sind bereit, es braucht aber den nötigen politischen Willen“, erklärt der ALAN-Direktor bezüglich eines zweiten PNMRs. „Dieser muss im kommenden Koalitionsvertrag integriert werden“, fordert Theisen und warnt zugleich: „Wir dürfen nicht vergessen werden“.
Zu diesem Zweck hat ALAN in Zusammenarbeit mit sechs weiteren Organisationen ein Positionspapier ausgearbeitet, das insgesamt sieben Forderungen an einen künftigen zweiten PNMR stellt. Zu diesen gehört unter anderem die Einführung eines nationalen Datenregisters. Offizielle Zahlen darüber, wie viele Betroffene von seltenen Krankheiten es hierzulande gibt, existieren nämlich nicht. Deren Zahl kann aktuell nur geschätzt werden.
Darüber hinaus wird auch ein verbesserter Zugang zur Diagnose gefordert. Dort besteht nämlich nach wie vor Nachholbedarf. „Es dauert oft Jahre, bis Betroffene eine Diagnose erhalten“, so Theisen.
Auch wird im Positionspapier vorgeschlagen, den Status einer Langzeiterkrankung festzulegen sowie die Entwicklung der luxemburgischen Agentur für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte (ALMPS) zu beschleunigen. „Dieses Projekt liegt nämlich seit Jahren auf Eis“, bemängelt Theisen.
Er zeigt sich optimistisch, dass die Politik den nötigen Willen aufbringen wird, um einen zweiten PNMR zu entwickeln. Erste Stimmen aus der Politik seien positiv. So wurde das Positionspapier bereits in der vergangenen Woche an den zuständigen Ausschuss in der Chamber übergeben. ALAN möchte zudem über die sozialen Medien sowie durch Veranstaltungen, wie eine Fotoausstellung oder ein Konzert, weiter Sichtbarkeit schaffen und auf seltene Erkrankungen aufmerksam machen. In dieser Woche fanden in den Krankenhäusern in Esch und Ettelbrück zudem Sensibilisierungstage statt.
Es herrscht eine große Diskrepanz zwischen den Mitteln, die wir eigentlich haben sollten und dem, was tatsächlich passiert. Daniel Theisen, Direktor der ALAN