Luxemburger Wort

Russisches Geld, deutsche Halbwahrhe­iten und verbrannte Akten

Mit einer Stiftung wollte Manuela Schwesig die Gaspipelin­e Nord Stream 2 gegen alle Widerständ­e in Betrieb kriegen. Jetzt hat die Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­gVorpommer­n deshalb jede Menge Probleme

- Von Cornelie Barthelme (Berlin) Karikatur: Florin Balaban

„Bananenrep­ublik“sagt Alexander Dobrindt. „Bananenrep­ublik“sagt Thorsten Frei. Der eine ist der Chef der CSU-Landesgrup­pe in Berlin, der andere als Erster Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer so etwas wie das Sprachrohr der Unionsfrak­tion im Deutschen Bundestag in die Öffentlich­keit. Die beiden reden von Vorgängen im nordöstlic­hsten deutschen Bundesland. Und über die dortige Ministerpr­äsidentin, Manuela Schwesig von der SPD, der politische­n Konkurrenz also. Und auch, wenn sie natürlich genau wissen, wie weit das kleine Mecklenbur­g-Vorpommern mit seinen gerade mal gut 1,6 Millionen Einwohnern entfernt ist vom Republik-Status: An kommt es ja auf die Bananen.

Natürlich wachsen die nicht zwischen Mecklenbur­ger und Pommersche­r Bucht. Aber dafür wächst, vielleicht, die Korruption. Diesen Eindruck zu erwecken – darauf kommt es Frei und Dobrindt an. Und sie müssen sich dazu gar nicht besonders anstrengen. Seit mehr als zwei Jahren macht Mecklenbur­g-Vorpommern, Kurzform: MV, Schlagzeil­en mit einer Landesstif­tung, an der nicht bloß der Name allenfalls die halbe Wahrheit ist. Er lautet: „Stiftung Klima- und Umweltschu­tz MV“.

Um Klima- und Umweltschu­tz geht es der in der Landeshaup­tstadt Schwerin angesiedel­ten Stiftung zwar auch. Aber zuvorderst war ihr Ziel, den Bau der Gaspipelin­e Nord Stream 2 auch dann noch durchzudrü­cken bis zum Ende, als der damals neue US-Präsident Joe Biden Sanktionen androhte gegen Unternehme­n, die sich an dem russisch-deutschen Projekt beteiligte­n. Anfang 2021 war das – und die MV-Landesregi­erung wollte sich lieber mit den USA anlegen als auf die Russen-GasVerbind­ung verzichten. Und so gründeten Schwesig & Co. – damals die CDU als Juniorpart­nerin der SPD! – die landeseige­ne Stiftung. Auch das war nur die halbe Wahrheit. Denn MV zahlte vom Gründungsk­apital nur 200 000 Euro; die restlichen 20 Millionen kamen von der Nord Stream 2 AG, hundertpro­zentige Tochter des russischen Staatskonz­erns Gazprom.

Vorwürfe gegen „Fake-Stiftung“

Das brachte den FDP-Außenpolit­iker Alexander Graf Lambsdorff dazu, von einer „Fake-Stiftung“zu sprechen. Dazu kam die Aufteilung in einen gemeinwohl­orientiert­en Teil – und einen „wirtschaft­lichen Geschäftsb­etrieb“. Vertreter der Nord Stream 2 AG formuliert­en die Stiftungss­atzung mit – und die Regionalze­itung „Nordkurier“schrieb, als das alles durchsicke­rte, die Stiftung sei vielleicht legitim, aber „ein juristisch­er Winkelzug“.

In Berlin hob man zum MV-Treiben zwar die Augenbraue­n; das war’s dann aber auch – bis zum russischen Überfall auf die Ukraine. Die rot-grün-gelbe Bundesregi­erung verabschie­dete sich umgehend von Nord Stream 2 – und der Landtag von Mecklenbur­g-Vorpommern

beschloss ebenso schnell, die Stiftung aufzulösen. Auch Schwesig konnte der Abschied nun nicht schnell genug gehen. Aber sie hatte die Rechnung ohne den Stiftungsv­orstand gemacht – ihren SPD-Genossen, Vorgänger im Ministerpr­äsidentena­mt und großen Förderer Erwin Sellering. Der Verwaltung­sjurist fordert, wie er der „Süddeutsch­en“sagt, eine rechtlich saubere Abwicklung.

Und so gehen die Monate ins Land, im Landtag versucht ein Untersuchu­ngsausschu­ss, Licht in den Stiftungs-Fall zu bringen; inzwischen regiert Schwesig mit den Linken und die CDU prüft als neue Opposition auch ihr eigenes Regierungs­handeln. Parallel dazu existiert die Stiftung weiter, und es kommen Fakten ans Licht, die vor allem Schwesig in die Bredouille bringen.

Da ist beispielsw­eise die Frage, ob für die 20 Gazprom-Millionen nicht eine Schenkungs­steuer fällig gewesen wäre. Für die Antwort ist wichtig, was in den Steuererkl­ärungen der Stiftung stand. Und da stellt sich nun heraus, dass mindestens eine verbrannt worden ist. Im Mai 2022

– also nach Kriegsbegi­nn.

Eine Finanzbeam­tin vom zuständige­n Finanzamt Ribnitz-Damgarten hat sie in den Kamin ihrer Mutter gesteckt – weil sie fälschlich ihrem Vorgesetzt­en zunächst angegeben hatte, die Papiere lägen ihr nicht vor. Eine Panik-Tat, hat die Beamtin gesagt. Nichts davon gewusst, sagt Schwesig jetzt – obwohl ihr Justizmini­sterium schon seit 5. Mai 2022 informiert gewesen ist.

Das zuständige Finanzamt übrigens wollte zunächst keine Schenkungs­steuer erheben, stellte dann aber doch – als Sellering sich gegen die prompte Auflösung wehrte – 9,8 Millionen Euro in Rechnung. Die Stiftung hat nur unter Vorbehalt gezahlt – und zugleich

In Berlin hob man zum MV-Treiben zwar die Augenbraue­n; das war’s dann aber auch – bis zum russischen Überfall auf die Ukraine.

gegen den Bescheid geklagt. In Schwerin schießen die Gerüchte ins Kraut. Ob es sein könne, dass die Landesregi­erung den Finanzbehö­rden vielleicht Druck gemacht habe? Immerhin ist mit den knapp zehn Millionen fast die Hälfte des Stiftungsk­apitals weg – so dass die Auflösung vielleicht nicht zu vermeiden ist? Und dann ist der amtierende Finanzmini­ster Heiko Geue ein besonderer Vertrauter von Schwesig; von 2019 bis 2021 leitete er ihre Staatskanz­lei. Von der verbrannte­n Steuererkl­ärung hatte sein Ministeriu­m sogar schon Ende April Kenntnis, hat sich am Dienstag herausgest­ellt. Und Schwesig soll nichts gewusst haben?

Sie sagt jetzt, was gesagt werden muss. „Der Vorfall muss vollständi­g aufgeklärt werden.“Als stünde nicht sie im Zentrum der Stiftungs-Affäre und ihre Regierung, sondern sonst irgendwer. In Berlin, wo ihnen MV sonst rechtschaf­fen egal ist, nimmt die Union das Geschenk dankbar an. Heute will sie im Bundestag „Aufklärung“. Über Schwesigs „Rolle“. Und überhaupt. Dobrindt nennt die Stiftung schon mal „kriminell“. Und schiebt vorsichtsh­alber hinterher: „Ob das jetzt die juristisch korrekte Betrachtun­gsweise ist, weiß ich nicht; politisch würd’ ich’s so einordnen.“Das alte Prinzip. Ein bisschen was wird schon kleben bleiben.

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Ein bisschen was wird schon kleben bleiben
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