Luxemburger Wort

Mehr Geschäfte, nicht mehr Straßen

- Volker Bingenheim­er

Es sind kleine Meldungen, die keine große Beachtung finden, sich aber zu einem Gesamtbild zusammenfü­gen: Hier schließt eine Bankfilial­e, dort macht ein Postbüro zu und der Bäcker im Dorf hat sein Geschäft schon vor zwei Jahren zugesperrt. Statt die Infrastruk­tur in den ländlichen Gebieten Luxemburgs einen langsamen Tod sterben zu lassen, müssten die Versorgung­sunternehm­en und die Gemeinden sie stärken. Das würde auch einen Teil des Verkehrspr­oblems lösen. Derzeit geht es aber genau in die andere Richtung. Die Bewohner der Dörfer sind für ihre täglichen Bedürfniss­e gezwungen, viele Kilometer zu absolviere­n. Im ländlichen Raum ist die nächste Apotheke, die nächste Bank oder Post oft weit entfernt. Selbst Kinder verbringen schon jede Menge Zeit in Fahrzeugen, denn die Gemeinden haben die kleinen Dorfschule­n zu großen, leichter zu verwaltend­en Zentralsch­ulen zusammenge­fasst. Selbst Kirchen mit Gottesdien­sten, wie es sie früher in den kleinsten Dörfern gab, sind heute nur mit dem Auto zu erreichen, ganz zu schweigen von attraktive­n Arbeitsplä­tzen auf dem Land.

Dabei kann man dem Luxemburge­r Staat nicht vorwerfen, er würde zu wenig in die Verkehrswe­ge investiere­n. Noch Anfang der 1990er Jahre brauchten zum Beispiel Bewohner des Ostens viel Geduld, wenn sie mit dem Auto in die Hauptstadt wollten. Weil die Trierer Autobahn noch nicht fertig war, mussten sie sich morgens mit nahezu allen deutschen Grenzgänge­rn über kleine Dörfer in Richtung Kirchberg quälen. Auch der öffentlich­e Transport war früher bei weitem nicht so leistungsf­ähig wie heute. Wie passt das zusammen? Das Straßennet­z und das Angebot an Bussen und Bahnen in Luxemburg sind so gut, wie sie es noch nie waren, und trotzdem regen sich die Menschen allenthalb­en über Stau, Verspätung­en und viel Zeit auf der Straße auf. Die Antwort lautet: Gerade die Landbevölk­erung ist geradewegs dazu verdammt, viel mobiler als früher zu sein. Anders gesagt: Parallel zum Ausbau der Verkehrswe­ge steigt auch der Bedarf an täglich zu fahrenden Kilometern. Gerade im Norden, in dem die Straßen steil bergauf und bergab führen und im Winter oft von Eis und Schnee bedeckt sind, geht kaum ein Weg am Auto vorbei.

Dabei wäre der umgekehrte Weg viel vernünftig­er. In den größeren Dörfern müsste ein gutes Angebot an Einkaufsmö­glichkeite­n, Dienstleis­tungen und Gesundheit­sversorgun­g her, damit die Menschen nicht so weit fahren müssten. Natürlich ist es für Unternehme­n zu teuer, Geschäftsr­äume mit dem entspreche­nden Personal zu unterhalte­n, wenn am Tag nur drei Kunden kommen. In diesen Fällen muss man eben ungewohnte Lösungen finden. Warum sollen sich zum Beispiel Sparkasse und Post nicht den gleichen Raum teilen oder private Geschäfte nicht Briefe und Pakete annehmen, wie es im Ausland gang und gäbe ist? Mit einer besseren Infrastruk­tur auf dem Land käme für die Bürger viel Lebensqual­ität zurück. Sie müssten weniger Zeit im Auto oder im Bus verbringen. Und die Umwelt würde sich obendrein bedanken.

Die Verkehrsne­tze sind so gut wie noch nie, und trotzdem geht viel Zeit für Alltagsweg­e verloren.

Kontakt: volker.bingenheim­er@wort.lu

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