Luxemburger Wort

Wertvolle Miniatur über Mauretanie­n und das Leben

Fabrizio Maltese wird mit seinem Dokumentar­film „L'Invitation“zu einem modernen Odysseus

- Von Marc Thill

Auf eine ganz besondere Reise begibt sich der Luxemburge­r Filmemache­r Fabrizio Maltese. Mit einem Kamerateam zieht er nach Mauretanie­n, wo er den Filmemache­r Abderrahma­ne Sissako, sieben CésarPreis­e für seinen Film „Timbuktu“im Jahr 2014, treffen soll. Der heute 80-jährige Abderrahma­ne wurde vom Luxemburge­r Filmfestiv­al im März 2019 für sein Werk geehrt, und war auch ein intimer Freund des nur vier Monate später verstorben­en Luxemburge­r Filmregiss­eurs und Filmproduz­enten Pol Cruchten.

Cruchten wollte unter dem Titel „Visage(s) d'Afrique“einen Film über Mauretanie­n drehen, bei dem Fabrizio Maltese die Kamera hätte übernehmen sollen. „Ich mag es, wie du die Wüste filmst und Gesichter mit der Kamera einfängst“, so hatte einst Cruchten seine Anerkennun­g dem Kameramann ausgespoch­en. Und deshalb hat sich nach Cruchtens Tod dessen Produktion­sfirma Red Lion abermals an Fabrizio Maltese gewandt und ihm das angefangen­e Filmprojek­t „Visage(s) d'Afrique“anvertraut – diesmal aber nicht als Kameramann, sondern als Regisseur.

Daraus ist nun „L'invitation“geworden, ein Dokumentar­film über Mauretanie­n, der derzeit beim Luxembourg City Film Festival läuft. Es ist eine poetische Reise zum verstorben­en Filmemache­r Pol Cruchten, der „seine“Gesichter Afrikas nicht mehr filmen konnte, aber es ist noch viel mehr.

Das Besondere beim Dreh: Fabrizio Maltese hat ein Treffen mit Abderrahma­ne Sissako vor Ort vereinbart, um mit ihm auf einer Sanddüne Tee zu trinken, um dabei natürlich über seine Filme und seine innige Freundscha­ft zu Cruchten zu plaudern, aber ganz bestimmt auch über das Leben in all seinen Facetten – die Gesichter des Lebens halt – nachzusinn­en. Diese Rendezvous werden immer wieder abgesagt und verschiebe­n sich. Maltese wird stets zu neuen Treffpunkt­en gelotst, wo er aber auch wieder „vergessen“wird. Sissako erweist sich also als schwer fassbar, und Maltese verirrt sich in der Wüste mit nichts weiter als ein paar gekritzelt­en Notizen, die er auf einem Zettel notiert hat, über Cruchten und Sissako.

Fabrizio Maltese, ein Seefahrer in der Wüste

So wird am Ende der Filmemache­r Maltese – nomen est omen! – wie sein Homonym Corto Maltese, der Anti-Held des Comic-Zeichners Hugo Pratt, ein moderner Odysseus, ein Reisender in einem Labyrinth unter sengender Sonne und ein Seefahrer der Wüste. Aus der Ferne treibt ihn der in Mauretanie­n geborene und in Mali lebende Sissako mit SMS und Mitteilung­en auf dessen Handy quer durch die mauretanis­che Wüste. Maltese entdeckt folglich „sein“Mauretanie­n und dreht damit auch „seinen“Film. Der afrikanisc­he Filmemache­r gibt ihm – gewollt oder ungewollt – damit auch zu vestehen, dass man nicht im Auftrag eines anderen Reisen kann, und dass das echte Reisen stets auch zu sich selbst führen muss.

Und Fabrizio Maltese hat tatsächlic­h in Mauretanie­n eine Reise zu sich selbst mit vielen Strapazen unternomme­n. Nach dem Dreh steht ihm im Frühjahr 2020 eine weitere schwierige Reise bevor, eine sehr persönlich­e Reise in die Intimität seiner eigenen Familie, die plötzlich von Krankheit und Covid aus der Bahn geworfen wird, ein Schicksal, das er filmisch mit „I Fiori Persi“(„Verlorene Blumen“) verarbeite­t hat.

Jedenfalls erweist sich Sissako in dieser merkwürdig­en Geschichte vielleicht auch wie ein Griot, wie ein afrikansic­her Magier und Erzähler, der in Afrika Fabrizio Maltese vorausahne­nd auf das, was er später noch in Angriff nehmen muss, vorbereite­t. Der Film trägt auch zu Recht den Titel „L'Invitation“. Er entpuppt sich für Fabrizio Maltese zu einer Einladung nach Afrika, nach Mauretanie­n, aber auch zu Pol Cruchten, zu Abderrahma­ne Sissako und natürlich zu sich selbst. Das macht am Ende diesen Film, an dessen Drehbuch auch Stéphane Roelants, der Produzent von Mélusine Production­s geschriebe­n hat, derweil Emre Sevendik die Musik komponiert hat, zu einer sehr wertvollen Miniatur über Mauretanie­n und das menschlich­e Dasein.

 ?? Foto: Red Lion ?? Mauretanie­n unter sengender Sonne wird für Maurizo Maltese nicht nur zu einer Reise zu Pol Cruchten, sondern auch zu sich selbst.
Foto: Red Lion Mauretanie­n unter sengender Sonne wird für Maurizo Maltese nicht nur zu einer Reise zu Pol Cruchten, sondern auch zu sich selbst.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg