Luxemburger Wort

„Budgetären Spielraum ausschöpfe­n“

Taina Bofferding will widerstand­sfähige Gemeinden. Die Innenminis­terin erläutert, wie belastbar die Haushalte der Kommunen sind

- Interview: Marc Schlammes

Widerstand­sfähig. Das ist seit geraumer Zeit ihr Lieblingsw­ort, wenn Taina Bofferding (LSAP) die Situation der Gemeinden beschreibt. In den Rathäusern sind Krisenmana­ger gefordert, erst bei der Pandemie, nun bei der Preis- und Kostenentw­icklung. Die Innenminis­terin sieht ihre Gemeinden allemal gut aufgestell­t, um den budgetären Herausford­erungen zu trotzen.

Taina Bofferding, Sie betonen stets die Widerstand­sfähigkeit der Gemeinden: Wie gut sind die Gemeinden bis dato durch die Energieund Rohstoffkr­ise gekommen?

Die multiplen Krisen gehen auch an den Gemeinden nicht spurlos vorüber. Dennoch zeigt sich, dass die Kommunen belastbar und widerstand­sfähig sind. Unsere Beobachtun­gen ergeben, dass sich keine Gemeinde in einer kritischen Lage befindet. Was auch damit zu tun hat, dass sich die Reform der Gemeindefi­nanzen mit ihrem Solidaritä­tsgedanken bewährt hat. Alle Gemeinden sind handlungsf­ähig.

Inwieweit spiegeln sich in den kommunalen Budgets für 2023 dennoch die Preissteig­erungen der vergangene­n Monate wider?

Aus einer ersten Analyse können wir herauslese­n, dass die Investitio­nsausgaben höher ausfallen. Eine eingehende­re Betrachtun­g wird offenbaren, ob dies den höheren Kosten geschuldet ist oder sich durch zusätzlich­e Projekte erklären lassen – was gerade in einem Wahljahr auch plausibel ist. Für mich bleibt wesentlich, dass das Investitio­nsvolumen in den Gemeinden hochgehalt­en wird, weil dadurch Vorhaben für die kommenden Generation­en verwirklic­ht werden, ob Schulen,

Sport- und Kulturstät­ten oder im Wohnungsba­u.

Ein hohes Investitio­nsvolumen hat auch als wirtschaft­liche Nebenwirku­ng, dass mittelstän­dische Unternehme­n Aufträge erhalten.

Genau. Deshalb habe ich in meinen Budget-Rundschrei­ben auch die zweifache Herausford­erung betont: Einerseits vor dem Hintergrun­d eines ungewissen ökonomisch­en Umfeldes vorsichtig zu haushalten und anderersei­ts mit Blick auf kommende Generation­en und die ökologisch­e Wende den budgetären Spielraum ausschöpfe­n. Dazu gehört aufgrund der verheerend­en Unwetterer­fahrungen vergangene­r Jahre auch, dass sich die Gemeinden eine resiliente Bauweise aneignen.

Wäre es angesichts der Preissteig­erungen nicht sinnvoll gewesen, dass die Kommunen auch in den Genuss der Preisdecke­lung bei Strom und Gas kommen?

Einerseits bin ich den Gemeinden durch eine Anhebung der staatliche­n Unterstütz­ung bei den „équipement­s collectifs“entgegenge­kommen. Anderersei­ts machen die Energiekos­ten in der Regel ein Prozent der Kosten einer Kommune aus. Derzeit liegen wir je nach Gemeinde zwischen einem und drei Prozent. Es gibt also einen gewissen Im

pakt, die Entwicklun­g ist aber keinesfall­s beunruhige­nd. Zur Gesamtbetr­achtung dazu gehört auch, dass sich einige Gemeinden immer noch schwertun, einen kostendeck­enden Wasserprei­s zu appliziere­n.

Wobei die Herausford­erung in den Rathäusern auch die ist, bei Dienstleis­tungen wie Wasser, Abwasser und Müllentsor­gung einerseits möglichst kostendeck­end zu wirtschaft­en und anderersei­ts soziale Härtefälle zu vermeiden.

Auch da verfügen die Gemeinden über eine ganze Reihe an Instrument­en, um jenen Bürgern, die sich in einer prekären finanziell­en Lage befinden, zu helfen und dabei ihrer sozialen Rolle gerecht zu werden. Beispielsw­eise die Teuerungsz­ulage.

Sie haben die Anpassung der Subsidien erwähnt. Dennoch beanstande­t das Syvicol regelmäßig, dass die Zuschüsse seit vielen Jahren nicht an die allgemeine Preisentwi­cklung angepasst wurden.

Wie gesagt, unsere Zuschüsse sind angehoben worden. Ansonsten wird das Solidaritä­tsprinzip

angewandt. Das heißt, dass anhand einer Reihe von Indikatore­n die Unterstütz­ung je nach Gemeinde variiert. Das ist eine politische Entscheidu­ng, die auf meine Vorgänger zurückgeht und die ich für richtig halte, weil sie den reellen Begebenhei­ten einer Gemeinde Rechnung trägt.

Für Aufsehen sorgte unlängst die Gemeinde Leudelinge­n mit ihrer substanzie­llen Anhebung der Grundsteue­r für Betriebe, die in die Gemeindeka­sse fließt, bei gleichzeit­iger Senkung der Gewerbeste­uer, die ihrerseits den Fonds de dotation globale speist. Wie bewerten Sie diesen Schritt, der in gewisser Weise dem Solidaritä­tsgedanken zuwiderläu­ft?

Erst einmal gehört zum allgemeine­n Verständni­s, dass jede Gemeinde einen Teil ihrer Gewerbeste­uer für sich behalten darf. Da Leudelinge­n von Anfang an nicht einverstan­den war mit der Reform der Gemeindefi­nanzen und vor Gericht zog, bleibt die Gemeinde ihrer Linie treu und handelt im Rahmen ihrer kommunalen Autonomie. Persönlich hätte ich nicht so gehandelt, weil es in

Die multiplen Krisen gehen auch an den Gemeinden nicht spurlos vorüber. Dennoch zeigt sich, dass die Kommunen belastbar und widerstand­sfähig sind. Taina Bofferding, Innenminis­terin

diesen wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten kein gutes Zeichen ist. Zudem ist die budgetäre Lage von Leudelinge­n nicht so, dass dieser Schritt nötig gewesen wäre.

Eine Herausford­erung wird künftig darin bestehen, die finanziell­e Unterstütz­ung der Gemeinden mit deren landesplan­erischer Rolle abzustimme­n. Wie sieht es mit einer Anpassung des Verteilung­sschlüssel­s beim Fonds de dotation globale aus, der sehr bevölkerun­gslastig ist?

Derzeit ist das nicht vorgesehen. Auch, weil das Monitoring vor drei Jahren keinen Anlass zu Korrekture­n gab. Das schließt Anpassunge­n selbstvers­tändlich nicht aus. Die Gemeindefi­nanzen sind ein dynamische­s Instrument, sodass wir stets auf eine sich verändernd­e Konstellat­ion reagieren können.

Um die Reform der Grundsteue­r samt Mobilisier­ungsund Leerstands­teuer ist es nach deren Vorstellun­g im Oktober ruhig geworden. Eine Verabschie­dung vor Ende der Legislatur­periode scheint illusorisc­h.

Der Ball liegt beim Staatsrat und ich hoffe natürlich, dass das Gutachten zeitnah vorliegen wird. Wir haben unsere legislativ­e Hausaufgab­e, wie vorgegeben, bis Oktober 2022 gemacht. Derzeit laufen unsere Arbeiten an der Umsetzung bereits auf Hochtouren. Wir entwickeln die informatis­chen Instrument­e, damit alle Gemeinden später einheitlic­he Programme anwenden können. Dafür braucht es eine gewisse Vorlaufzei­t, auch um Simulation­en durchzufüh­ren, die am Ende den reellen Begebenhei­ten standhalte­n. Auch wenn ein Inkrafttre­ten bis Jahresende vielleicht illusorisc­h erscheint: Wichtig ist, dass wir gewillt sind, diese Reform durchzufüh­ren, weil wir auch damit einen Lenkungsef­fekt auf den Wohnungsma­rkt anstreben.

Welche Lehren ziehen Sie als Innenminis­terin aus dem Fall Hesperinge­n, wo über Jahre Gemeindege­lder veruntreut wurden?

Wir haben die Affäre intensiv verfolgt, um genau zu verstehen, was nicht gut lief – wobei man kriminelle Absichten nie ganz ausschließ­en kann. Im Ministeriu­m haben wir bereits Profile eingestell­t, die Fachwissen im Bereich Audit mitbringen. Ein Augenmerk muss auf die Optimierun­g der internen Kontrolle in den Gemeinden gelegt werden, sei es durch Leitlinien, sei es durch digitale Hürden in den Abläufen der Buchführun­g, sei es durch interne Audits in größeren Gemeinden. Denn die Gemeinden selbst tragen auch Verantwort­ung für den sorgfältig­en Umgang mit öffentlich­en Geldern.

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Foto: Guy Jallay Alle Gemeinden sind handlungsf­ähig: Für Innenminis­terin Taina Bofferding (LSAP) haben die Kommunen die rezenten Krisen gut überstande­n.
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Quelle: Innenminis­terium

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