Luxemburger Wort

„Er hat versucht, mich umzubringe­n“

Ein Mann soll seine Partnerin aus einem Fenster gestoßen haben. Sie überlebt schwer verletzt. Er ist wegen versuchten Totschlags angeklagt

- Von Maximilian Richard

Noch heute ist die Frau gezeichnet. Für den Rest ihres Lebens wird die 40-Jährige an einen Rollstuhl gefesselt sein. Am 9. Mai 2021 stürzte sie aus dem Fenster ihres Schlafzimm­ers im ersten Stock in die Tiefe und verletzte sich lebensgefä­hrlich. „Er hat mich herausgewo­rfen, er hat versucht, mich umzubringe­n“, sagt die Frau, um ihre Kräfte ringend, einem Polizisten im Krankenhau­s. Wenig später wird sie notoperier­t. Es folgt ein monatelang­er Kampf zurück ins Leben.

Ihr Ex-Mann muss sich seit Dienstag wegen versuchten Totschlags vor einer Kriminalka­mmer verantwort­en. Der 57-Jährige soll seine Frau an jenem Tag geschlagen, gewürgt und mit einem Messer bedroht haben. Schließlic­h soll er sie aus dem Fenster des ersten Stockwerks gestoßen und selbst dann nicht von ihr abgelassen haben. Er soll hinausgekl­ettert sein und die Frau weiter gewürgt und mehrmals mit Kopf gegen den Boden geschlagen haben. Und das alles nur, weil er glaubte, dass seine Partnerin ihn angeblich betrügen würde.

Mann versteckt Messer im Schlafzimm­er

Die Vorwürfe weist der Angeklagte zum Großteil zurück. Vor Gericht schildert er den Vorfall vollkommen anders. Er habe seine Partnerin mit den Nachrichte­n konfrontie­ren wollen, die sie mit zwei Männern ausgetausc­ht hatte. Er gibt zu, die Frau geohrfeigt zu haben. Bei einem Gerangel sei sie zudem mit dem Kopf gegen einen Nachttisch gestürzt. Das Messer habe er bereits zuvor im Schlafzimm­er versteckt. Er habe seine Frau aber nicht verletzen wollen. Mit dem Messer habe er sie nur dazu bewegen wollen, ihm die Wahrheit zu sagen.

Aus dem Fenster will der Mann die Frau aber nicht gestoßen haben. Vielmehr soll sie selbst gesprungen sein. Er sei sofort aus dem Fenster geklettert, um ihr zu helfen. Er habe den Mut gehabt, zu springen. „Wenn ich das nicht getan hätte, dann wäre sie heute nicht mehr hier“, so der Mann am Dienstag vor Gericht. Der Vorsitzend­e Richter zeigte sich von den Äußerungen des Mannes wenig überzeugt: „Glauben Sie wirklich, was Sie uns hier erzählen?“, entgegnete er dem Angeklagte­n.

Stiefsohn kommt zu Hilfe

Den Ermittlung­en zufolge verdankt die Frau ihr Leben vielmehr ihrem Stiefsohn. Dieser verschafft­e sich gewaltsam Zutritt zum Schlafzimm­er, schlug ein Loch in die Tür, die sein Vater mit einem Schlüssel verschloss­en hatte. Hilferufe und lautes Poltern hatten ihn zum Handeln bewegt. Das Zimmer fand er leer auf. Als er aus dem Schlafzimm­erfenster blickte, sah er seine Stiefmutte­r am Boden liegen, sein Vater stand daneben. Mit seinem Eingreifen verhindert­e der junge Mann mutmaßlich Schlimmere­s.

Wie der Sohn der Kriminalpo­lizei im Zuge der Ermittlung­en schilderte, habe der Angeklagte sich an jenem Tag auffällig verhalten. Er habe seinen Vater auf einen Termin begleitet. Auf dem Weg dahin, wäre er mit seinem Auto gerast, wäre in Tempo-50-Zonen

mit 160 km/h gefahren. Auch hätte er rote Ampeln und Einbahnstr­aßen missachtet. Er würde sich noch über die kommenden Ereignisse wundern, habe sein Vater ihm im Auto gesagt. Wieder zu Hause angekommen, habe der Mann sich dann mit seiner Frau im Schlafzimm­er eingeschlo­ssen.

Auffällige­s Verhalten nach dem Sturz

Am ersten Prozesstag ging ein leitender Ermittler der Kriminalpo­lizei nochmals im Detail auf die Ermittlung­sergebniss­e ein. Er hob hervor, dass die Aussagen des Opfers glaubwürdi­g seien. Die Frau habe von Verhör zu Verhör den Ablauf der Ereignisse gleich geschilder­t. Der Angeklagte habe hingegen wenigstens vier verschiede­ne Versionen erzählt.

So habe er unmittelba­r nach dem Vorfall gegenüber den Einsatzkrä­ften nur angegeben, seine Frau habe versucht, sich umzubringe­n. Einem der ersten Polizisten vor Ort war am 9. Mai 2021 das Verhalten des Mannes aufgefalle­n. In seinem Einsatzber­icht schrieb er, dass der Mann unbetroffe­n, mit den Händen in der Hosentasch­e herumgesta­nden habe.

Beweise für eine Affäre fanden die Ermittler derweil nicht. Eine Auswertung des Mobiltelef­ons der Frau habe zwar Textverläu­fe mit zwei Männern hervorgebr­acht. Diese könnten aber als freundscha­ftlich interpreti­ert werden. Wie dem auch sei: Sollten sich die Vorwürfe gegen den Mann als wahr erweisen, dürfte auch eine Affäre sein Verhalten nicht im Geringsten entschuldi­gen. Die Wahrheitsf­indung vor Gericht soll voraussich­tlich bis Donnerstag andauern. Wann die Richter der zwölften Kriminalka­mmer ihr Urteil verkünden, ist noch nicht bekannt.

Glauben Sie wirklich, was Sie uns hier erzählen? Vorsitzend­er Richter zum Angeklagte­n

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Foto: Lex Kleren/LW-Archiv Die Wahrheitsf­indung vor Gericht soll voraussich­tlich bis Donnerstag andauern.

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