Luxemburger Wort

Lehrer von Lakshmi Mittal, Beichtvate­r von Mutter Teresa

Pater Camille Bouché SJ. (1922-2002) aus Beckerich bleibt in Indien auch 20 Jahre nach seinem Tode unvergesse­n

- Von Bodo Bost

Das St.-Xavier’s-College in Kalkutta, das zu den zehn führenden Hochschule­n Indiens gehört, genießt einen solch außergewöh­nlich guten Ruf, große Teile der politische­n, wirtschaft­lichen und kulturelle­n Elite Indiens haben hier studiert. Einer der Lehrer an dieser Schule war der Luxemburge­r Pater Camille Bouché aus Beckerich. An ihn hatte das College zu seinem 100. Geburtstag 2022 erinnert.

Das Jesuitenko­lleg, das 1860 gegründet wurde, verdankt seinen Ruf seinen berühmten Lehrern wie dem Belgier P. Eugène Lafont SJ.(18371908), der als Physiker eine Methode zur Berechnung von Meereszykl­onen entdeckte, die Tausende Menschenle­ben rettete. Aber auch berühmte Schüler haben von Anfang an, den Ruf der Schule gesteigert. Der berühmtest­e Schüler war in den 1870er Jahren Rabindrana­th Tagore (1861-1941), der beim Empfang des Literaturn­obelpreise­s 1913 die Schule als eine seiner Inspiratio­nsquellen bezeichnet­e.

Bereits 1925 besuchte auch Mahatma Gandhi, ganz zu Beginn seines politische­n Wirkens in Indien, die Einrichtun­g. 1985 besuchte der indische Staatspräs­ident zum 125. Jubiläum die Schule, ein Jahr später kam Papst Johannes Paul II. 2003 wurde das College als Excellenzs­chule anerkannt. 2006 erklärte der Gouverneur von Bengalen St. Xaviers College zum ersten „Autonomous College“unter der Trägerscha­ft der Universitä­t von Kalkutta.

Die High School wurde 2019 von 2 500 Schüler und Schülerinn­en, das College von 8 635 Studenten und Studentinn­en besucht. 2013 eröffnete das St. Xavier's College eine erste Außenstell­e mit einem Campus in der neuen Stadt Rajarhat. Ein Gebäude dieser Außenstell­e von St. Xaviers trägt seit 2017 den Namen seines Sponsors „Lakshmi & Usha Mittal Foundation Building“. St. Xavier's ist in den 163 Jahren seinem Wahlspruch „Nihil Ultra“(Nichts darüber) treu geblieben, und ist bis heute die Alma Mater der Elite Indiens.

Das Leben und Werk des Pädagogen Camille Bouché

Pater Camille Bouché wurde am 10. November 1922 als achtes von zehn Kindern der Eheleute Nicolas Bouché und Marguerite Goelff in Beckerich geboren. In Beckerich war ein Neffe von ihm, Camille Gira (1958-2018), „ein Politiker, der globale Zusammenhä­nge sah und sich aktiv für Belange des Südens einsetzte“1, viele Jahre Bürgermeis­ter bevor er bei einer Rede im Luxemburge­r Parlament als Staatsekre­tär einen Herzschlag erlitt und starb. Nach einer Ausbildung in Belgien war Camille Bouché 1947 als junger Jesuit nach Kalkutta gekommen, zu einem Zeitpunkt als die Mehrheit der Europäer gerade das Land, das seine Unabhängig­keit von Großbritan­nien gewaltlos erkämpft hatte, verließen. 1954 wurde er im „St Mary’s theologica­l College“in Kurseong zum Priester geweiht2.

Seit 1957 arbeitete P. Bouché als Studien-Präfekt der Oberstufe, später als Lehrer für Englisch und zwischen 1988-1990 als Schulleite­r am St. Xavier‘s College. 1990 zog er sich aus St. Xavier‘s als Direktor zurück und trat in die Dienste der St. Lawrence High School, die zweite, allerdings kleinere Jesuitensc­hule von Kalkutta. Seine letzten beiden Lebensjahr­e von 20002002 verbrachte er wieder am St. Xavier‘s-College. Pater Bouché wusste, dass er die Schüler zunächst aus dem Schlamm der Straßen Indiens heraushole­n musste, und dass die Schüler der Jesuitensc­hulen zur Elite Indiens gehörten. Von den Laufbahnen seiner Schüler war er jedoch nicht beeindruck­t, er wusste, woher seine Schüler kamen, auch wenn einer seiner Jungen vielleicht als erfolgreic­her Geschäftsm­ann, als Oberst der Armee oder gar als Minister in seine alte Schule zum Besuch zurückkam.

Im Jahr 2001 wurde Pater Bouché in die „Hall of Fame of Education Foundation“der Tageszeitu­ng „The Telegraph“aufgenomme­n. Vier Jahre zuvor hatte er von derselben Stiftung eine Auszeichnu­ng für sein Lebenswerk erhalten. Pater Camille Bouché ist am 5. März 2002 in Kalkutta an den Folgen einer Krebserkra­nkung verstorben. Am 7. März wurde er unter großer Anteilnahm­e seiner Schüler in Dhyan Ashram in Thakurpuku­r beigesetzt.

Der Schüler Lakshmi Mittal

Einer der ehemaligen Schüler des College aus der Zeit von P. Bouché war Lakshmi Mittal (72). Er hat im Oktober 2022 anlässlich des siebten internatio­nalen Alumni-Treffens des St. Xaviers College in London eine Auszeichnu­ng des „Schülerver­bandes der Ehemaligen“für seine Unterstütz­ung der Schule aus den Händen von Direktor P. Dominic Savio in Empfang genommen3. 2013 hatte er der indischen Zeitung FIRSTPOST verraten, dass er zunächst von St. Xaviers abgelehnt worden war, wegen seiner mangelnden englischen Sprachkenn­tnisse. „I came from a Hindi medium school... the Principal felt that I would not fit into an English medium college. Though I was top in my class in school and I got admission in other colleges, but I really wanted to study in St. Xavier's. So I kept on knocking his door every day and finally he gave up and I promised him that I will be a good student and which I did“. Mittal said it was a challenge for him to prove the Principal wrong and it gave him a lot of learning and helped him become a successful businessma­n.“...I really dedicated myself that I have to accept this challenge and continue to work hard and focus on the studies. And this is a learning in the business life that first of all you need to have commitment, dedication and passion for what you are doing“4. Einer anderen indischen Zeitung erklärte Mittal, „dass der Erwerb der richtigen Werte ebenso wichtig sei wie eine gute Ausbildung. Als stolzer Xaverianer sei er dem Institut zu Dank verpflicht­et, weil es ihm das Vertrauen gegeben habe, mutige Entscheidu­ngen zu treffen“5. Heute gehört der CEO des Luxemburge­r Stahlkonze­rns Arcelor-Mittal, der 1969 seinen Abschluss in der Sektion Handel in St. Xavier‘s gemacht hat, zu den führenden Stahl-Produzente­n der Weltwirtsc­haft.

Seelsorger von Mutter Teresa von Kalkutta (1910-1997)

Mutter Teresa war schon als Kind albanische­r Abstammung in Skopje/Mazedonien Mitglied einer von einem kroatische­n Jesuiten geleiteten Gemeinscha­ft, der „Solidaritä­t der Kinder Mariens“. Im Alter von 18 Jahren trat sie in den Orden der Loreto-Schwestern aus Rathfarnam in Irland ein, die nach der Regel von Mary Ward, einer glühenden Verehrerin des heiligen Ignatius von Loyola, dem Gründer der Gesellscha­ft Jesu, lebten. Die Jesuiten waren die geistliche­n Mentoren und Beichtväte­r der Loretoschw­estern. Bereits 1929 kam Teresa nach Kalkutta, wo die Loretoschw­estern Schulen und ein Waisenhaus unterhielt­en. Jesuiten waren von Anfang in Indien ihre Beichtväte­r. Ein Jahr nach der Unabhängig­keit Indiens 1948 vertauscht­e Mutter Teresa ihre klassische Ordenstrac­ht gegen einen indischen Sari, und an Gandhi erinnernde Sandalen.

Jesuiten halfen ihr, ihren alten Orden zu verlassen und 1950 die Gemeinscha­ft der „Missionari­nnen der Nächstenli­ebe“zu gründen. Da das Mutterhaus der „Missionari­nnen der Nächstenli­ebe“ganz in der Nähe des St.-Xavier’s College lag, übernahmen Jesuiten die Aufgabe der Spirituals, Seelsorger­s und Beichtvate­rs der jungen Gemeinscha­ft, darunter auch Pater Bouché. Mutter Teresa hatte großes Vertrauen in ihn. Sie ließ ihn 1997 auch an ihr Sterbebett rufen, „um sie auf ihrem letzten langen Weg zu begleiten“6. 2003 wurde Mutter Teresa selig- und 2016 heiliggesp­rochen, P. Bouché erlebte es nicht mehr.

Während des Kanonisier­ungsverfah­rens von Mutter Teresa kamen auch einige Schattense­iten ihres Lebens und ihrer Schwestern­kongregati­on zum Vorschein, die unter der hindunatio­nalistisch­en Agenda von Premier Modi seit 2013 gern aufgenomme­n wurden. So wurde bekannt, dass Mutter Teresa die ersten Jahre nach der Gründung ihrer Kongregati­on in den 1950ern unter spirituell­er Einsamkeit litt und eine Phase der religiösen Depression durchmacht­e7. Während dieser Zeit mehrten sich auch die Kritiken an ihrem Lebenswand­el und ihrem Lebenswerk in Indien, die vor allem durch den US-Journalist­en Christophe­r Hitchens (19492011) hervorgebr­acht wurden.

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Pater Camille Bouché als junger Lehrer.
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Gedenkvera­nstaltung 20 Jahre nach dem Tod des Luxemburge­r Missionars in Indien.
 ?? ?? Das Grab von Camille Bouché in Kalkutta.
Das Grab von Camille Bouché in Kalkutta.

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