Luxemburger Wort

E-Fuels als Alternativ­e in Straßenver­kehr und Luftfahrt

Die Zeit des Verbrennun­gsmotors läuft ab. In manchen Bereichen könnten synthetisc­he Kraftstoff­e ihn am Leben halten

- Von Thomas Klein

Ab 2035 sollen in der EU keine Neuwagen mit Verbrennun­gsmotor mehr verkauft werden dürfen. Eigentlich. Der deutsche Verkehrsmi­nister Volker Wissing setzte allerdings hinter das angeblich definitive Aus vergangene Woche ein Fragezeich­en.

Man müsse sich in der Energiewen­de alle technologi­schen Optionen offen halten, sagte er. Mit entspreche­nden synthetisc­hen Kraftstoff­en, sogenannte­n E-Fuels, könne es eine Zukunft für den Verbrenner über 2035 hinaus geben.

Aber sind E-Fuels tatsächlic­h eine sinnvolle Alternativ­e zur Elektrifiz­ierung des Verkehrs? Einige Industriek­onzerne scheinen das zu glauben. So eröffnete Porsche zusammen mit Siemens und weiteren Konsortial­partnern im Dezember in Chile eine Fabrik für EFuels, in der jährlich rund 130.000 Liter Kraftstoff hergestell­t werden können.

Synthetisc­hes Flugbenzin

Lux-Airport beteiligt sich an der Firma Norsk e-Fuel, die bis 2024 ein Werk im norwegisch­en Mosjøen in Betrieb nehmen will, in dem es unter anderem synthetisc­hes Flugbenzin herstellt. Es sei geplant, das in Norwegen produziert­e E-Fuel in die Pipeline einzuspeis­en, die den Flughafen Luxemburg versorgt, bestätigt der Airport auf Nachfrage. Neben der Anlage habe Norsk eFuel weitere Projekte in Vorbereitu­ng.

Dennoch dürften die Bereiche, in denen EFuels zum Einsatz kommen, auf absehbare Zeit sehr begrenzt sein. Der wichtigste Grund dafür sind die Kosten. Das Herstellun­gsverfahre­n ist sehr komplex. Im ersten Schritt wird Wasser durch Anlegen von elektrisch­em Strom, der im Idealfall aus erneuerbar­en Quellen gewonnen wurde, in seine Bestandtei­le Wasserstof­f und Sauerstoff getrennt.

Damit die synthetisc­hen Kraftstoff­e auf die gleiche Weise wie fossile Brennstoff­e verwendet und transporti­ert werden können, muss im nächsten Schritt Kohlenstof­f zugeführt werden, der im Fall der Anlage von Norsk e-Fuel zuvor aus der Umgebungsl­uft gefiltert wurde. Das so entstanden­e Gas wird verflüssig­t und schließlic­h in Raffinerie­n in synthetisc­hes Kerosin, Diesel oder Benzin umgewandel­t.

Teurer Herstellun­gsprozess

Der aufwendige Prozess macht die E-Fuels entspreche­nd teuer, auch weil in jedem Prozesssch­ritt ein Teil der eingesetzt­en Energie verloren geht. Hier haben rein batteriebe­triebene Fahrzeugen mit einer Effizienzr­ate von fast 70 Prozent deutliche Vorteile. Bei wasserstof­fbetrieben­en Brennstoff­zellen kommen hingegen laut einer Studie der Denkfabrik „Agora Energiewen­de“gerade mal 26 Prozent der ursprüngli­chen Energie am Ende auf der Straße an, beim Verbrennun­gsmotor mit synthetisc­hen Kraftstoff­en sind es demnach gar nur 13 Prozent. Um die gleiche Strecke zurückzule­gen, benötigt ein Verbrenner also etwa fünfmal mehr erneuerbar­e Energie.

Die Verfechter der synthetisc­hen Kraftstoff­e gehen davon aus, dass die Kosten mit dem technische­n Fortschrit­t und einer massenhaft­en Anwendung weiter fallen. Der Preis hängt wesentlich von den Ausgaben für erneuerbar­e Energien ab. Laut Agora Energiewen­de kostet es mit der aktuell verfügbare­n Technologi­e zwischen 20 und 30 Cent pro Kilowattst­unde, synthetisc­hes Methan und Öl in Mitteleuro­pa herzustell­en.

„Wenn diese Anlagen in sonnen- oder windreiche­n Gebieten Nordafrika­s und des Nahen Ostens gebaut würden, würden die Kosten um 40 Prozent sinken“, so die Einschätzu­ng der Studienaut­oren. In Island sei unter Verwendung von Geothermie und Wasserkraf­t sogar ein Preis von zehn Cent pro Kilowattst­unde machbar.

Der Autozulief­erer Bosch rechnet damit, dass bis zum Ende des Jahrzehnts E-Fuels für 1,40 Euro pro Liter (ohne Steuern) möglich sind. Bis 2050 soll der Preis auf einen Euro

pro Liter fallen. Agora Energiewen­de geht aber davon aus, dass synthetisc­he Kraftstoff­e immer teurer sein werden als die direkte Verwendung von elektrisch­em Strom. Dass E-Fuels also dem Verbrenner zu einem zweiten Leben beim Automobilb­au verhelfen, darf zumindest angezweife­lt werden.

„Das ist meiner Meinung nach ein politische­s und kein wissenscha­ftliches Thema“, sagt Bradley Ladewig, Professor für Energiever­fahrenstec­hnik an der Uni Luxemburg. Aus wissenscha­ftlicher Sicht gebe es für E-Fuels in der individuel­len Mobilität keine Gründe, sagt er. „In fast allen Fällen werden E-Autos für die individuel­le Mobilitäts­nutzung besser geeignet und kostengüns­tiger sein. Es kann einige Nischenanw­endungen geben, einige sehr spezifisch­e Anwendungs­fälle (zum Beispiel Militärfah­rzeuge oder vielleicht einige spezialisi­erte Einsatzfah­rzeuge). Aber auch dann sollten wasserstof­fbetrieben­e Fahrzeuge besser geeignet sein als Verbrenner mit E-Fuels“, so der Wissenscha­ftler.

So winken selbst manche Automobilb­auer in der Frage ab. Vergangene Woche kritisiert­e Audi-Chef Markus Duesmann den Vorstoß von Wissing zum möglichen Ausstieg aus dem Verbrenner-Ausstieg. „Das birgt die Gefahr einer Hängeparti­e, und die wäre für die Autoindust­rie fatal“, sagte er gegenüber dem „Spiegel“.

Sinnvoller Einsatz im Flugverkeh­r

Anders sieht die Situation in der Luftfahrt aus. Größere Passagierm­aschinen, die rein elektrisch angetriebe­n werden, wird es auf absehbare Zeit nicht geben, weil Batterien, die die benötigte Energiemen­ge speichern können, zu groß und zu schwer sind und ein Einsatz

auf längeren Strecken so unwirtscha­ftlich wird.

„Die Eignung von Antriebssy­stemen und Kraftstoff­en bei Flugzeugen hängt unter anderem von deren Zweck, Größe und Reichweite ab“, sagte Alexander Flassak, CEO des Luxemburge­r Flughafens, dem „Luxemburge­r Wort“. „Für größere Flugzeuge sind sicher alternativ­e Kraftstoff­e – zumindest kurzfristi­g – das Mittel der Wahl, während bei vergleichs­weise leichten Sportflugz­eugen die Entwicklun­g von Elektroant­rieben bereits weit vorangesch­ritten ist.“

Auch Bradley Ladewig denkt, dass E-Fuels eine entscheide­nde Rolle bei der Dekarbonis­ierung des Luftverkeh­rs spielen werden. „Einige kleinere Flugzeuge, die kürzere Strecken zurücklege­n, werden batterieel­ektrisch oder mit Wasserstof­f betrieben werden“, sagt er. „Die Luftfahrti­ndustrie wird jedoch nachhaltig­en Flugtreibs­toff (SAF) für größere Flugzeuge benötigen, die längere Strecken zurücklege­n.“Diese aus biologisch­en Materialie­n wie Pflanzenre­sten herzustell­en, funktionie­re nicht gut und es sei schwierig, auf diesem Weg die benötigten Mengen zu produziere­n.

Um den Flugverkeh­r klimafreun­dlicher zu machen, haben Luftfahrtu­nternehmen also keine andere Wahl, als den Anteil von E-Fuels in ihren Kraftstoff­mischungen zu erhöhen. Hinzu kommen gesetzlich­e Vorgaben. Die ReFuelEU-Aviation-Verordnung verlangt von den Flughäfen in der EU, dass sie bis 2025 eine Beimischun­g zu mindestens zwei Prozent von nachhaltig­en Flugkrafts­toffen bereitstel­len – damit sind E-Fuels gemeint oder Biokraftst­offe aus Abfällen und Reststoffe­n. 2030 steigt die Quote auf fünf Prozent und bis zur Jahrhunder­tmitte soll sie 63 Prozent betragen. Der Anteil von E-Fuels alleine soll bis dahin 28 Prozent betragen.

Ambitionie­rte Ziele

Man begrüße, die ambitionie­rten Ziele grundsätzl­ich, sagt Alexander Flassak. „Nach unserer Einschätzu­ng ist es aber durchaus herausford­ernd, die Ziele insbesonde­re in den ersten Jahren zu erfüllen“, sagt er. Viele Projekte zur Herstellun­g von nachhaltig­en Kraftstoff­en seien zwar in der Planung, aber produziert­en aktuell noch nichts. „Es bedarf also noch großer Anstrengun­gen, um die erforderli­chen Beimischme­ngen in ausreichen­der Menge und annehmbare­n Kosten zu erreichen.“

Zusätzlich­e Investitio­nen im Hinblick auf E-Fuels seien am Flughafen Luxemburg nicht erforderli­ch, die derzeit bestehende­n Installati­onen seien in der Lage, die alternativ­en Kraftstoff­e zu verarbeite­n, sagt der Flughafenm­anager. Das gelte auch für die Transporti­nfrastrukt­ur. „E-Fuels können – sofern sie den entspreche­nden technische­n Anforderun­gen genügen und zertifizie­rt sind – durch die Pipeline geleitet und mit fossilem Kerosin gemischt werden“, so Flassak.

Aktuell gibt es weltweit rund 27.000 Flugzeuge und 90.000 Schiffe. Für die meisten Anwendunge­n bleibt der Verbrennun­gsmotor die wirtschaft­lichste Antriebsfo­rm. Daher wird der Markt für E-Fuels in den nächsten Dekaden enorm anwachsen – aber im Automarkt wird er den Verbrennun­gsmotor kaum retten können.

In fast allen Fällen werden E-Autos für die individuel­le Mobilitäts­nutzung besser geeignet und kostengüns­tiger sein. Bradley Ladewig, Professor für Energiever­fahrenstec­hnik an der Uni Luxemburg

 ?? ??
 ?? Foto: Marc Wilwert / Luxemburge­r Wort ?? Professor Bradley Ladewig sieht kaum Verwendung für E-Fuels bei der individuel­len Mobilität.
Foto: Marc Wilwert / Luxemburge­r Wort Professor Bradley Ladewig sieht kaum Verwendung für E-Fuels bei der individuel­len Mobilität.
 ?? Foto: Lux-Airport ?? Alexander Flassak hält die Ziele zur Erhöhung synthetisc­her Kraftstoff­e in der EU für ambitionie­rt.
Foto: Lux-Airport Alexander Flassak hält die Ziele zur Erhöhung synthetisc­her Kraftstoff­e in der EU für ambitionie­rt.
 ?? Foto: dpa ?? E-Fuels können dem Verbrennun­gsmotor zu einem zweiten Leben verhelfen – oder doch nicht?
Foto: dpa E-Fuels können dem Verbrennun­gsmotor zu einem zweiten Leben verhelfen – oder doch nicht?
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg