Wenn der Krieg nach Luxemburg kommt
Frank Hoffmann inszeniert „Café Terminus“über die Wohlstandsoase Luxemburg. Der Regisseur erklärt, was das Stück verspricht
Ein Dutzend Männer und Frauen haben sich in ein Café zurückgezogen. Sie sind untergetaucht, leben abgeschottet und wollen nicht mehr Teil dieser Welt sein, die ihnen zu düster, zu dunkel erscheint. Nur manchmal flammt etwas Hoffnung auf. Dann beabsichtigen die Gestrandeten wieder aufzubrechen, raus aus ihrem Café – am Ende ist das aber nur ein frommer Wunsch, anderntags bleiben sie dann doch.
Krieg in der Ukraine. In der neuen Bühnenproduktion des Théâtre National du Luxembourg, „Café Terminus“, die an diesem Donnerstag ihre Premiere hat, ist der Krieg auch unter uns. „Kann nicht sein, undenkbar!“, werden da manche ausrufen. „Luxemburg im Ausnahmezustand?“Aber genau dieses Unvorstellbare und Unermessliche will Frank Hoffmann, der Direktor des TNL, vor sein Publikum bringen. Es ist ein Stück in luxemburgischer Sprache, geschrieben von Frank Hoffman nach Motiven des Stücks „Der Eismann kommt“von Eugene O'Neill, das 1939 uraufgeführt wurde. Hoffmanns „Café Terminus“ist derweil im Jahr 2039 angesiedelt, hundert Jahre später, in der Zukunft – eine Dystopie 200 Jahre nach der Unabhängigkeit Luxemburgs.
Verzweiflung als Antriebsfeder
Am Donnerstag vergangener Woche wurde das Dekor im Theater an der Route de Longwy hergerichtet. Ein typisch altluxemburgisches Café. Jasna Bosnjak hat das Bühnenbild entworfen, genauso wie die Kostüme. „Verlotterter Futurismus“, meint Hoffmann im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“und lacht. Seine Produktion kommt voran. Am vergangenen Freitag hat Daniel Sestak noch am Lichtdesign gearbeitet. Der erste
Probedurchlauf war am Samstag. Diese Woche fanden einige Einzelproben statt und natürlich auch die Generalprobe. „Wir werden es zeitlich schaffen“, so der Regisseur ganz zuversichtlich, der es gewohnt ist, erst wenige Stunden vor der Premiere mit allem fertig zu sein.
Warum eine Dystopie? Ist die Welt wirklich so beklemmend, dass selbst ein Frank Hoffmann sich nur noch schwarzen Utopien hingeben kann? Dabei hat ihn doch der Schriftsteller Guy Rewenig einmal als „verzweifelter Optimist“bezeichnet... „Nein, ich bin und bleibe ein Optimist“, entgegnet der Theatermann, „denn wäre das nicht der Fall, dann könnte ich diesen Beruf nicht ausüben, ich könnte meine Schauspieler nicht motivieren.“Dennoch lässt er einfließen, dass er bei allem Optimismus immer auch da suche, wo es weh tue. Verzweiflung sei für ihn eine Antriebsfeder. Und dass sie das ist, lässt sich an der Entstehungsgeschichte von „Café Terminus“herauslesen.
Hoffmann hatte sich ursprünglich vorgenommen, in dieser Spielzeit „Les Bonnes“von Jean Genet zu inszenieren. Als dann aber im Februar 2022 der Krieg ausbrach, war es für ihn unmöglich, dieses Projekt weiterzuführen. Er empfand es als Anachronismus, in Zeiten brutaler Umwälzungen ein Stück von Genet mit der dafür erforderlichen Ästhetik zu inszenieren.
Ein wichtiger Moment war dann aber eine Geburtstagsfeier eines befreundeten Musikers, zu der er eingeladen war, wobei ihm das unbeschwerte, spontane Musizieren der Geburtstagsgäste bis tief in die Nacht hinein besonders berührt hat. Da kam ihm ein Stück mit wunderbaren Musikeinlagen in Erinnerung, ein Drama, das einst sein Lehrmeister in Heidelberg, der israelische Theater- und Opernregisseur David Mouchtar-Samorai, inszeniert hatte, und zwar „Der Eismann kommt“von Eugene O’Neill.
Die Wohlstandsoase Luxemburgs als Café Terminus
Zusammen mit dem TNL-Dramaturgen Florian Hirsch hat sich Hoffmann in dieses Stück eingearbeitet, sich nach und nach vom ursprünglichen Text losgelöst, ist aber dennoch dem Esprit von O’Neill im Kern treu geblieben. Am Ende wurde daraus „Café Terminus“, eine Tragikomödie über Luxemburg, eine Dystopie, in der eine Kneipe ein Spiegelbild der Luxemburger Gesellschaft ist. Letztere lebt in einer Wohlstandsoase, in der alle glauben, ihnen könne nichts passieren, und schon gar nicht ein Krieg drohen.
Der Krieg in der Ukraine hat Hoffmann mitgenommen. „Er ist schlimmer als Corona“, meint er, „denn im Krieg wird die Welt von Menschen über den Haufen geworfen, und das ist das Schlimme.“In der Literatur hätte es bestimmt genügend Tyrannen gegeben, die der Regisseur auf die Bühne hätte bringen können, aber er wollte diesmal Luxemburg ganz bewusst mit dem Schreckgespenst des Krieges konfrontieren – daher „seine“Dystopie. „Für manche ist es unvorstellbar, dass es einmal Krieg in Luxemburg gibt. Im Stück wird aus der Spezialoperation eine Spezialkrise – diesen Euphemismus habe ich mir erlaubt. Aber das ist nicht das Hauptthema der Bühnenproduktion, an und für sich nur der Rahmen. Die Realität draußen ist düster und dunkel, und in das Café haben sich Menschen zurückgezogen, die sich von der Gesellschaft losgelöst haben. Es sind Gescheiterte, die alle irgendwo stecken geblieben sind, und der wichtigste und sich immer wiederholende Satz aus deren Mund lautet: ,morgen bin ich fit, morgen komme ich raus‘. Den Gestrandeten fehlt am Ende aber doch der Mut.“
Das Café ist sowohl Gegenentwurf als auch Spiegelbild Luxemburgs, und die Menschen darin sind Repräsentanten der Gesellschaft, der sie sich eigentlich entziehen wollen. „Die
Die Luxemburger wollen heute alle in den sicheren Hafen unter die Obhut des Staates, dabei spaltet sich die Gesellschaft, das Land stagniert. Theaterregisseur Frank Hoffmann
Luxemburger wollen heute alle in den sicheren Hafen unter die Obhut des Staates, dabei spaltet sich die Gesellschaft, das Land stagniert“, meint Hoffmann.
Mehrere Sprachen, sicherer Hafen – halt „typesch lëtzebuergesch“
36 Szenen, zwölf Schauspieler, darunter zwei Musiker (René Nuss und Serge Tonnar) und ein Stück überwiegend in der Luxemburger Sprache, aber auch mit etwas Portugiesisch (Hana Sofia Lopes), Deutsch (Maria Gräfe) und Französisch (François Camus) – halt „typesch lëtzebuergesch“. Der Wirt des Cafés wird gespielt von Marco Lorenzini. Er spricht mit einem Akzent der „Staater Leit“. François Camus schlüpft in die Rolle des Heilsbringers, eines Messias – er ist der Frontalier… Auch das gehört zu Luxemburg, und bei Hoffmann auch ins Jahr 2039.
Zur Truppe zählen auch noch Felix Adams, Marc Baum, Esther Gaspart-Michels, Nora Koenig, Adrien Papritz und Philippe Thelen. So viele Schauspieler auf der Bühne hatte Frank Hoffmann zuletzt 2018 in seinem Stück „Die Spieler“, einer Bühnenfassung von Dostojewskis Roman „Der Spieler“, das er ebenfalls für die Ruhrfestspiele inszeniert hatte. Damals feierte der Theatermann den Schauspieler, der an einem Abend alles gibt, was er nur geben kann, um der Figur des Schönen oder des Bösen, des Reichen oder des Armen gerecht zu werden. Mit „Café Terminus“findet nun wieder eine große Bühnenproduktion im TNL statt, die sich das Theater nicht allzu oft leisten kann. Diese soll, so Hoffmann, die Zuschauer vor allem berühren, aber natürlich auch eine Botschaft rüberbringen, die sich nicht in einem einfachen Satz sagen lässt. Und vielleicht soll sie auch den Finger an wunde Stellen legen, ohne dabei die tragische Dimension des Stücks von O’Neill außer Acht zu lassen. „Café Terminus“ist aber vor allem eine wahre Komödie mit prallen Figuren, und auch das ist eben „typesch lëtzebuergesch“.
Eine Pause gibt es in der Aufführung. „In einem Stück, das sich in einem Café abspielt, muss auch die Möglichkeit gegeben sein, ein Glas zwischendurch zu trinken“, so Frank Hoffmann augenzwinkernd.
„Café Terminus“von Frank Hoffmann (Text und Regie), mit Felix Adams, Marc Baum, François Camus, Esther Gaspart-Michels, Maria Gräfe, Nora Koenig, Hana Sofia Lopes, Marco Lorenzini, René Nuss, Adrien Papritz, Philippe Thelen und Serge Tonnar. Premiere an diesem Donnerstag. Weitere Termine am Samstag, 11. März und Sonntag, 12. März, sowie am Dienstag, 14., Donnerstag, 23., Freitag , 24., und Samstag, 25. März (jeweils um 20 Uhr, außer am Sonntag, dem 12. März um 17 Uhr). Gespielt wird auch in Ettelbrück im CAPe am 12. und 13. Mai jeweils um 20 Uhr. www.tnl.lu