Diese Kurzfilme überzeugen auf ganzer Linie
Die luxemburgische Filmszene hat was drauf. Das beweisen viele der beim LuxFilmFest gezeigten Produktionen – Highlights und Tendenzen
„Die meisten Corona-Infektionen gibt es bei den Portugiesen.“So lautet einer der unzähligen rassistischen Kommentare auf einer Social-Media-Plattform während der Hochphase der Corona-Pandemie. Eine Aussage, die in Luka Grevis’ „The Inside of the Outsider: Carlo“eingeblendet wird.
Der Kurzfilm, der an dem zweiten Abend „Shorts made in/with Luxembourg“im Rahmen des Luxembourg City Film Festivals gezeigt wurde, handelt von Ausländerfeindlichkeit und zunehmender Radikalisierung in Luxemburg.
Derart politisch aufgeladen waren sowohl am ersten als auch am zweiten Kurzfilmabend gleich mehrere der insgesamt 20 gezeigten Produktionen. Diese stammen allesamt aus dem Großherzogtum oder sind luxemburgische Koproduktionen. Während am vergangenen Montag vor allem die zweite Hälfte des Abends mit starken Kurzfilmen überzeugte, stachen am Dienstag nur vereinzelte Streifen heraus. Dabei waren in dieser Show-Case-Reihe vor allem thematisch einige Tendenzen erkennbar.
„Arman & Elisa“als überraschendes Highlight
Dass sich Luxemburgs Filmszene nicht zu verstecken braucht, dürfte den meisten mittlerweile wohl klar sein. Regelmäßig sind luxemburgische Koproduktionen auf großen Filmfestivals zu sehen, wie etwa „Ingeborg Bachmann“(Amour Fou) mit Vicky Krieps. Immer wieder werden Filme, die unter anderem aus dem Großherzogtum stammen, mit Preisen ausgezeichnet und erfreuen sich internationaler Anerkennung. Nicht zuletzt wurde „Rebel“(Calach Films) mit einem Magritte geehrt.
Doch auch jüngere Filmschaffende und kleinere Produktionen aus Luxemburg können sich zeigen lassen. Die beiden Kurzfilmabende des diesjährigen LuxFilmFest machten das nochmals deutlich. Neben Cyrus Neshvads für den Oscar nominierten Film „La Valise Rouge“, entpuppte sich „Arman & Elisa“als ein echtes Highlight; sowohl inhaltlich als auch schauspielerisch.
Der rund 16-minütige Streifen des iranisch-luxemburgischen Regisseurs Kiyan Agadjani erzählt die bewegende Geschichte einer Freundschaft zweier Kinder, die nicht einmal dieselbe Sprache sprechen. Arman und seine Eltern sind erst kürzlich aus dem Iran nach Luxemburg gezogen. Den Anschluss in der Schule zu finden, ist schwer; bis er auf Elisa trifft. Die beiden sind auf Anhieb unzertrennlich, bringen dem anderen jeweils die eigene Muttersprache bei und entdecken gegenseitig zwei unterschiedlichen Kulturen. Wären da nicht die Eltern der beiden …
Sozialkritische und ergreifende Schwerpunkte
Auch Kim Schneiders „Fair“, dessen Soundtrack sich aus Turnup Tuns „Wackel“zusammensetzt, nimmt sich ein heikles und bedeutsames Thema zum Schwerpunkt: die Vergewaltigung der 15-jährigen Amara (Alyne Fernandes D.) auf einer Party ihrer Klassenkameraden. In anachronistischer Erzählweise veranschaulicht die Regisseurin, wie Amara dem „Slutshaming“ausgesetzt ist und ihr niemand glauben will.
Inhaltlich und schauspielerisch überzeugt größtenteils auch Frédérique Bucks „You Kai“: ein Film, der auf ästhetisch sehr gewagte Weise die Zuschauenden in ein Flüchtlingscamp in Frankreich entführt. Hier kämpft ein junges Mädchen ums Überleben – koste es, was es wolle. Einige der eingebauten, animierten Elemente wirken dennoch etwas befremdlich.
Weniger politisch, dafür aber nicht weniger bewegend kommt Gintare Parulytes „Date Night“daher. Auf skurrile, unterhaltsame Art und Weise veranschaulicht sie, wie die Kommunikation den Grundstein für jede Beziehung legt; sie zeigt allerdings auch, was passiert, wenn die Kommunikation einem Paar abhandenkommt. Rührend und verbitternd zugleich.
Und auch Romain Gierenz’ „De Läschte Pabeier“punktet trotz anfänglicher Langatmigkeit mit einer erschütternden Thematik und einem ergreifenden Ende.
Diverse Ästhetiken, einheitliche Tendenzen
Wirft man einen Blick auf inhaltliche Tendenzen, kann man feststellen, dass politische Themen, vor allem aber gesellschaftskritische Aspekte enormen Raum in den meisten Produktionen einnehmen.
Eins ist klar: Die Filmschaffenden möchten Statements setzen. Zeichen gegen Diskriminierung, Zeichen für Inklusion. Gleichzeitig gelingt es den meisten Kurzfilmen, auf aktuelle Probleme aufmerksam zu machen: (sexuelle) Gewalt gegen Frauen, Unterdrückung der Frauen, die miserablen Zustände in Flüchtlingslagern und Rassismus. Ästhetisch gehen die Kurzfilme beinahe alle in unterschiedliche Richtungen: „Phoenix“von Roxanne Peguet kommt in Schwarz-Weiß daher und „Ech hunn dech“von Joshua Thil strahlt in einer sehr gelungenen, kühlen Optik.
Sehr experimentell sind die Kameraperspektiven in Ken Rischards 16-minütigen
Dokumentarfilm. „Glimmen“erweist sich als sehr gelungene Produktion. Sie wirkt zunächst langatmig, doch nach nur wenigen Minuten zieht sie das Publikum mit ihren hypnotisierenden Bildern und Klängen in den Bann. Eine immersive und auf den Sound fokussierte Reise durch die Stahlindustrie in der Minette-Region.
Selbst wenn einige der Kurzfilme weniger überzeugen konnten und kaum etwas zu sagen hatten, ist den meisten Regisseurinnen und Regisseuren ein bemerkenswerter Beitrag zum LuxFilmFest gelungen.
„Glimmen“erweist sich als sehr gelungene Produktion. Sie wirkt zunächst langatmig, doch nach nur wenigen Minuten zieht sie das Publikum mit ihren hypnotisierenden Bildern und Klängen in den Bann.