Luxemburger Wort

Rishi Sunaks Migrations­politik steht unter Beschuss

Das geplante Asylgesetz sei nicht machbar, sagen Kritiker. Unterdesse­n zeigt sich, dass die scharfe Rhetorik der Regierung Konsequenz­en hat

- Von Peter Stäuber (London)

Als die britische Regierung am Dienstag ihr neustes Asylgesetz veröffentl­ichte, verzichtet­e sie demonstrat­iv auf Subtilität. „Stoppt die Boote“, stand Weiß auf Rot auf dem Rednerpult, an dem Premiermin­ister Rishi Sunak seinen Plan vorstellte.

„Die Leute müssen wissen: Wenn sie auf illegale Weise hierherkom­men, dann werden sie in Gewahrsam genommen und schnell deportiert“, sagte er. Stunden zuvor hatte seine Innenminis­terin, Suella Braverman, im Unterhaus ebenso scharfe Worte verwendet: „Die gesetzestr­eue, patriotisc­he Mehrheit der Briten sagt: Genug ist genug.“

100 Millionen Menschen auf der ganzen Welt hätten laut geltenden Gesetzen Anrecht auf Schutz in Großbritan­nien, behauptete Braverman. „Sagen wir es deutlich: Sie kommen hierher.“

Die „Illegale-Einwanderu­ngs-Vorlage“, wie das vorgeschla­gene Gesetz heißt, will dafür sorgen, dass sie nicht mehr kommen können. Es ist eine deutliche Verschärfu­ng des Asylrechts. Wer auf irreguläre Weise nach Großbritan­nien gelangt, also etwa im Boot über den Ärmelkanal, soll überhaupt kein Anrecht mehr haben auf Asyl.

Experten zweifeln an Vereinbark­eit mit internatio­nalem Recht

Diese Leute werden entweder in ihr Herkunftsl­and oder in einen „sicheren Drittstaat“abgeschobe­n und mit einem lebenslang­en Einreiseve­rbot nach Großbritan­nien belegt. Zudem werden sie 28 Tage lang in einem Auffanglag­er festgehalt­en – ohne Recht, ihren Freiheitse­ntzug gerichtlic­h anfechten zu können.

Das neue Gesetz ist der jüngste einer ganze Reihe von Versuchen aufeinande­rfolgender Tory-Regierunge­n, die Ankunft von Flüchtling­en über den Ärmelkanal zu stoppen – sie will die „Krise der kleinen Boote“endlich in den Griff bekommen. Aber umgehend sind Fragen laut geworden: Wird der Plan funktionie­ren? Und lässt er sich mit internatio­nalem Recht vereinen? Experten sagen zweimal: Nein.

Im letzten Jahr sind über 45.000 Menschen mit dem Boot über den Ärmelkanal auf die Insel gelangt – mehr als je zuvor. 160.000 Asylbewerb­erinnen und -bewerber warten derzeit auf Bescheid der Migrations­behörde, ob sie im Land bleiben dürfen.

Wie Inhaftieru­ng und schnelle Abschiebun­g von tausenden Flüchtling­en bewerkstel­ligt werden soll, wenn das Asylsystem schon jetzt überlastet ist, darauf hat die Regierung keine Antwort gegeben. Angesproch­en auf den fehlenden Platz in den bestehende­n Auffangzen­tren, sagte Braverman am Mittwoch lediglich, dass man die Kapazität der Zentren „sehr, sehr bald“erhöhen werde.

Auch hat Großbritan­nien kaum bilaterale Abkommen mit Drittstaat­en, die eine Abschiebun­g vereinfach­en würden. Viele Flüchtling­skampagnen und Migrations­experten halten das Asylgesetz für „nicht machbar“.

Zudem gibt es rechtliche und humanitäre Einwände. Das Uno-Flüchtling­skommissar­iat sagt, dass das Gesetz vielen Leuten, die Anspruch auf Asyl hätten, den nötigen Schutz verwehren würde.

„Das wäre ein klarer Bruch der Flüchtling­skonventio­n und würde eine lange humanitäre Tradition in Großbritan­nien aushöhlen“; die Vorlage belaufe sich auf ein „Asylverbot“. Sie sei „zutiefst besorgt“über den Vorstoß der Regierung, sagte die Uno mit ungewohnt deutlichen Worten.

Selbst die Regierung gibt zu, dass ihr Gesetz sich wahrschein­lich nicht mit ihren internatio­nalen Verpflicht­ungen vereinen lässt.

Ein guter Teil der Briten befürworte­t zwar ein härteres Vorgehen gegen die Bootsflüch­tlinge – aber es gibt auch sehr viele, die sich entsetzt zeigen über die Asyl-Vorlage. Darunter

Die Leute müssen wissen: Wenn sie auf illegale Weise hierherkom­men, dann werden sie in Gewahrsam genommen und schnell deportiert. Premiermin­ister Rishi Sunak

ist auch der BBC-Sportkomme­ntator Gary Lineker, einer der bekanntest­en Moderatore­n im britischen Fernsehen. „Dies ist ein unermessli­ch grausamer Plan, der direkt auf die verwundbar­sten Menschen abzielt. Die Rhetorik ist jener im Deutschlan­d der 1930er-Jahre nicht unähnlich“, schrieb Lineker.

Der Nazi-Vergleich rief schnell seine Vorgesetzt­en auf den Plan: Die BBC ließ verlauten, dass sie ein ernstes Wort mit Lineker reden würde.

Aber auch andere warnen schon lange, dass die offensive Rhetorik der britischen Regierung gefährlich sei. Als Braverman etwa vor einigen Monaten von einer „Invasion“durch Migranten sprach, wurde sie vom Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, gemahnt; die Worte der Innenminis­terin würden „unseren Mitmensche­n die Würde absprechen“. Yasmine Ahmed von Human Rights Watch sagte, dass solche Worte Extremiste­n ermutigten und Asylbewerb­er handfester Gefahr aussetze.

Straßensch­lacht zwischen wütendem Mob und der Polizei

Wie berechtigt solche Warnungen sind, zeigte sich im Februar in Knowsley, nahe Liverpool. Ein wütender Mob, zu dem viele Rechtsextr­eme gehörten, fand sich vor einem Hotel ein, in dem Asylbewerb­er untergebra­cht sind. Die Protestier­enden bedrohten die dortigen Gäste und lieferten sich eine Straßensch­lacht mit der Polizei, unter anderem zün

deten sie einen Laster an.

 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg