Luxemburger Wort

Bewährungs­strafen für Ex-Bordellmit­arbeiter

Über Jahre hinweg bot ein Club in Trier illegale Hausbesuch­e in Luxemburg an. Ein Gerichtspr­ozess endete nun mit sechs Schuldsprü­chen

- Von Maximilian Richard Symbolbild: dpa

Zuhälterei, Menschenha­ndel und Geldwäsche: So lauten die Vorwürfe gegen sechs Personen, die sich im Januar vor dem Bezirksger­icht Luxemburg verantwort­en mussten. Sie sollen eine entscheide­nde Rolle in der Organisati­on eines in Luxemburg illegalen Escort-Dienstes gespielt haben. Über Jahre hinweg bot ein Bordell in Trier, der Pearls Club, solche Hausbesuch­e in Luxemburg an.

Die Richter der zwölften Strafkamme­r fällten nun ihr Urteil. Sie verurteilt­en zwei Frauen in Führungspo­sitionen, darunter die heutige Besitzerin des Bordells zu einer 18-monatigen Bewährungs­strafe. Gegen eine frühere leitende Empfangsda­me sprachen die Richter derweil zwölf Monate Haft zur Bewährung. Die drei Frauen müssen zudem eine Geldbuße von 1.000 Euro zahlen. Zusätzlich dürfen sie während fünf Jahren nicht in einem Schankgewe­rbe in Luxemburg tätig sein. Die drei angeklagte­n Fahrer verurteilt­en die Richter derweil zu sechsmonat­igen Haftstrafe­n, ebenfalls zur Bewährung. Gegen das Urteil können alle Parteien in den nächsten 40 Tagen Einspruch einlegen.

Der mutmaßlich eigentlich­e Hauptveran­twortliche, der frühere Besitzer des Etablissem­ents, Rigo Wendt, zählte indes nicht zu den Angeklagte­n. Dies ist jedoch nicht auf einen mangelnden Willen der Strafermit­tlungsbehö­rden zurückzufü­hren. Immerhin setzten sie den 52-Jährigen im September 2022 auf die Liste von Europas meistgesuc­hten Verbrecher­n, kurz nachdem die deutsche Justiz sich geweigert hatte, ihn auszuliefe­rn. Seit Ende Januar befindet sich Rigo Wendt nicht mehr auf der Fahndungsl­iste. Gegen ihn besteht jedoch weiterhin ein europäisch­er Haftbefehl.

Angeklagte reden von Unwissen

Die sechs Angeklagte­n gaben im Zuge der Gerichtsve­rhandlung im Januar an, sich nicht der Illegalitä­t des Escort-Dienstes bewusst gewesen zu sein. So erklärte etwa die heutige Bordellbet­reiberin Nina C., dass es dafür keine Anhaltspun­kte gegeben habe. Als sie 2015 angefangen habe, zunächst als Geschäftsf­ührerin in einem anderen Bordell von Wendt in Trierweile­r, zu arbeiten, sei der Escort-Dienst bereits etabliert gewesen. Die Hausbesuch­e seien offiziell angeboten worden. Darüber, dass das Angebot in Luxemburg illegal sein könnte, sei nie gesprochen worden, so die 44-Jährige.

Die Ermittlung­sergebniss­e sprechen derweil gegen eine Ahnungslos­igkeit über die Gesetzesla­ge in Luxemburg. Wie ein leitender Ermittler im Januar vor Gericht unter anderem betonte, sei die damalige Geschäftsl­eiterin, die ebenfalls angeklagte Delia R., bereits 2013 von Polizisten über die Gesetzesla­ge in Luxemburg aufgeklärt worden. Ausdrückli­ch sei auch auf das Werbeverbo­t für Prostituti­on hingewiese­n worden. Am Verhalten der Bordellbet­reiber änderte dies nichts.

In den darauffolg­enden Monaten und Jahren wurden immer wieder Fahrzeuge, darunter auch ein Lastwagen mit Werbeaufsc­hriften, in Luxemburg angetroffe­n, so der leitende Ermittler. Der Club Pearls habe sogar den Fußballver­ein RM Benfica Hamm gesponsert. Für insgesamt rund 600.000 Euro sei Werbung im Anzeigenbl­att Luxbazar und bei RTL Radio geschaltet worden.

Bis zu 15 Prozent des Umsatzes

Im Zuge einer polizeilic­hen Telefonübe­rwachung konnten derweil zwischen Juni und November 2018 in 41 Fällen nachgewies­en werden, wie Sexarbeite­rinnen aus dem Club Pearls zu Freiern nach Luxemburg gebracht wurden. Wie eine Kriminalpo­lizistin im Januar anmerkte, dürfte die Dunkelziff­er weitaus höher sein.

Wie viele Fahrten letzten Endes ins Großherzog­tum führten, konnte demnach im Zuge der Ermittlung­en nicht festgestel­lt werden. Der Escort-Dienst soll jedoch für das Bordell einen bedeutende­n Geschäftsz­weig ausgemacht haben. Zehn bis 15 Prozent der Einnahmen sollen auf die Hausbesuch­e zurückgega­ngen sein.

Ludwig Ring-Eifel, Papst Franziskus hat den Luxemburge­r Erzbischof Jean-Claude Hollerich in den Kardinalsr­at berufen. Hat Sie das überrascht?

Nein, es hat mich nicht wirklich überrascht, weil Hollerich jetzt schon bei mehreren kniffligen Fragen immer derjenige war, den der Papst gerufen hat. Bei der Europa-Etappe der Weltsynode in Prag war er einer der Schlüsself­iguren. Er war bei den anderen kontinenta­len Etappen fast überall dabei, sowohl in Asien als auch in Afrika. Er ist im Moment eigentlich überall ziemlich weit im Vordergrun­d – eben durch seine Rolle als Berichters­tatter bei der Weltsynode. Es war klar, dass in dem Moment, wo er sich langsam vom Präsidium der Kommission der Europäisch­en Bischofsko­nferenzen COMECE verabschie­det – seine Amtszeit läuft bald aus – er einen neuen, wichtigen Job kriegen würde – über die Luxemburge­r Rolle hinaus.

Dort wurde er ja dadurch entlastet, dass es erstmals in der Luxemburge­r Geschichte einen Weihbischo­f gegeben hat.

Genau.

Wie ist diese Ernennung erklärbar? Können der Papst und Kardinal Hollerich einfach gut miteinande­r? Oder hat das darüber hinausgehe­nde Gründe?

Ich glaube, die beiden können wirklich sehr gut miteinande­r, weil sie ganz ähnlich ticken. Das hat natürlich zu tun mit dem Hintergrun­d, dass sie beide Jesuiten sind. Und da ist dieses Entscheidu­ngsprinzip des „discernime­nto“, die Unterschei­dung der Geister, das der Papst versucht, der gesamten Kirche nach und nach einzubläue­n. Das braucht er Hollerich nicht erst beizubring­en, der weiß als Jesuit genau, wie das geht. Das ist ein anderes Entscheidu­ngsverfahr­en, als man es einerseits aus der Demokratie kennt und anderersei­ts, als man es aus einer Hierarchie kennt.

Es ist ein Entscheidu­ngsweg ganz eigener Art, der mit Beratung, mit Beten, mit Meditieren, damit, die Dinge auch mal stehen zu lassen und einmal zu überschlaf­en, zu tun hat. Das ist eine Form der Weisheit, die die Jesuiten entwickelt haben; da ticken Bergoglio und Hollerich ganz ähnlich. Zudem haben sie beide dieses Faible für Asien. Der Papst hat immer davon geträumt, einmal als Missionar nach Japan zu gehen oder nach China. Hollerich ist für ihn ein bisschen der, der das gemacht hat, was er sich selber gewünscht hat.

Wie wichtig ist dieser Kardinalsr­at?

Das ist jetzt eine völlig neue Situation. Der Kardinalsr­at war ja zum ersten Mal 2013 einberufen worden, um die Kurienrefo­rm auf den Weg zu bringen. Seitdem hat er mehr als 30 Mal getagt und am Ende die Kurienrefo­rm hervorgebr­acht. Die Kurie ist jetzt ziemlich stark umgebaut worden, es gibt keine Kardinalsk­ongregatio­nen mehr, es gibt nur noch Dikasterie­n. Es gibt keine päpstliche­n Räte mehr. Da ist etliches auf den Weg gebracht worden, aber dieser Job ist jetzt erledigt. Was die neue Aufgabe des Kardinalsr­ats sein soll, ist noch nicht formuliert.

Es kann aber in der derzeitige­n Situation nur eines sein, nämlich die Verfassung­sreform der katholisch­en Kirche weltweit auf den Weg zu bringen. Das ist es, was im Moment mit der sogenannte­n Weltsynode im Gange ist, nämlich der Umbau der Kirche von einer hierarchis­ch verfassten Pyramidenk­onstruktio­n zu einer synodal verfassten Kirche, wo auf allen Ebenen die Gläubigen, also auch die Laien, Mitsprache­rechte haben. Diesen Umbau auch kirchenrec­htlich abzusicher­n, organisato­risch zu ermögliche­n und dogmatisch zu durchdenke­n, das könnte wohl die erste Aufgabe dieses Kardinalsr­ats sein.

Bei der Kurienrefo­rm hat man ja auch hohe Verwaltung­sämter für Frauen geöffnet. Ist bei diesem synodalen Umbau absehbar, dass für die Frauen ein Stück mehr vom Kuchen abfällt?

Es geht um Möglichkei­ten der Mitwirkung, und das ist etwas, was Hollerich unbedingt will. Ich habe ja schon etwa 20 Bischofssy­noden im Vatikan mitverfolg­t, da waren Frauen bestenfall­s am Rande als Beraterinn­en zugelassen, aber nie mit Stimmund Rederecht. Nun steht im Raum, dass Laien, darunter auch Frauen, bei der Weltsynode Mitberatun­gs- und Stimmrecht haben sollen. Wenn man die Bischofssy­node als zweithöchs­tes Entscheidu­ngsorgan nach dem Konzil begreift, dann ist das eine kleine Revolution.

Es geht um Möglichkei­ten der Mitwirkung, und das ist etwas, was Hollerich unbedingt will. Ludwig Ring-Eifel, Chefreport­er KNA Rom

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Die Hausbesuch­e sollen laut den Ermittlung­en einen nicht unwesentli­chen Teil des Umsatzes des Club Pearls ausgemacht haben.
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Kardinal Jean-Claude Hollerich (links) zählt inzwischen zu den engsten Beratern von Papst Franziskus.
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Foto: KNA Ludwig Ring-Eifel ist Chefreport­er der Katholisch­en Nachrichte­n-Agentur (KNA) in Rom.

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