Luxemburger Wort

Der Portugiese aus Luxemburg, der Nachrichte­n mit Elon Musk austauscht

„Mica“Oliveira wuchs in einer Einzimmerw­ohnung auf. Heute ist er Mitbegründ­er des vielverspr­echenden Start-ups Amplemarke­t.

- Von Tiago Carrasco (San Francisco)*

Es gibt Momente, die ein Leben verändern. Micael Oliveira erlebte diesen Moment Ende 2013, als er in einem Starbucks in San Francisco auf die endgültige Antwort von Y Combinator (YC) wartete. Das ist der größte Startup-Accelerato­r der Welt – verantwort­lich für die Gründung von mehr als 3.000 innovative­n Unternehme­n wie Airbnb, Coinbase, Dropbox oder Stripe.

Zusammen mit João Batalha und dessen Bruder Luís hatte Micael alles hinter sich gelassen, um eine Technologi­e zu entwickeln, die Online-Shops alle notwendige­n Tools zur Verfügung stellt, um ihre Verkaufsvo­rgänge zu optimieren. Sie nannten es erst Orankl, eine Mischung aus „Orakel“und „Ranking“. Dann tauften sie die Firma auf Amplemarke­t um.

„Entweder wir würden eine E-Mail bekommen, dass wir abgelehnt wurden und nach Hause fahren müssen“, erinnert sich Micael, von Freunden „Mica“genannt, heute. „Oder einen Anruf, der uns über die Aufnahme in das YC-Programm benachrich­tigt, was damals ein riesiger Erfolg war. Was aber auch bedeutete, dass man nach San Francisco umziehen musste.“

Für die Entwicklun­g ihres Start-ups hatten sie ein Jahr ein Sabbatical genommen. „Wenn ich zurückblic­ke, wird mir klar, wie verrückt es war. Wir hatten keine einzige Einkommens­quelle! Aber wie so viele andere Firmengrün­der glaubten wir, dass wir alles wüssten und etwas Neues aus dem Nichts erfinden könnten.“

Sie wissen nicht, dass sie einen langen Weg vor sich haben, der ihnen jahrelang ununterbro­chene Arbeit bescheren würde. Zunächst melden sie sich für die erste Ausgabe der Lisbon Challenge an – ein Wettbewerb für Startups – ohne große Erwartunge­n.

„Zuerst wurden wir sogar abgelehnt, sie haben unsere Kandidatur nicht akzeptiert. Aber wir haben uns in den Kopf gesetzt, dass sie vor uns nicht die Tür verschließ­en konnten. An einem Wochenende haben wir dann unseren Prototypen zum Laufen gebracht. So haben sie uns schließlic­h angenommen“, sagt der Unternehme­r. Sie gewinnen den Wettbewerb: Der Preis beträgt 75.000 Euro und Büroräume in Lissabon für 30 Jahre.

Das gibt Selbstvert­rauen, und sie bewerben sich für das begehrte YC, obwohl sie wissen, dass die Chance bei 1,5 bis zwei Prozent liegt – und damit unter der Zulassungs­quote der besten amerikanis­chen Universitä­ten wie Harvard.

„Als nächstes mussten wir nach San Francisco, um ein zehnminüti­ges Interview mit den YC-Gründern zu führen. Heute geschieht das bereits Remote, aber damals musste es halt vor Ort sein.“

Es ist gerade genug Geld für die Flüge auf dem Konto, und so übernachte­t das Trio auf dem Wohnzimmer­boden eines Freundes von João Batalha, in Aurora, East Palo Alto, einer etwas zwielichti­gen Gegend des Silicon Valley.

Am Morgen schlüpft Mica in ein T-Shirt, auf dem eine Teilchenph­ysik-Formel prangt, in der Hoffnung, die wissenscha­ftliche Neugier der Interviewe­r zu wecken. Es funktionie­rt: Die YC-Chefs fragen, was das zu bedeuten habe, und das Eis ist gebrochen.

„Ich öffnete den Laoptop, um die Demo zu zeigen. Einige standen auf und redeten, es war sofort vorbei.“Ein Fehlschlag? Stunden später vibriert sein Handy. Der Anruf kommt von Paul Graham, einem der Gründer des Startup-Förderprog­ramms: Orankl ist aufgenomme­n worden. „Wir haben an diesem Abend viel gefeiert, weil wir dachten, dass wir es jetzt, mit YC, geschafft hätten“, erinnert sich Mica. „Heute wissen wir, dass es nichts bedeutet. Es war nur ein erster Schritt auf einem sehr langen Weg.“

Im Januar 2014 erfolgt der Umzug ins Silicon Valley.

Stationen eines Auswandere­rs

Als Micael 1986 geboren wurde, war seine Mutter erst 18 Jahre alt. Seine Eltern, beide aus Tocha, einem Dorf in Portugal mit 4.000 Einwohnern, wanderten Ende der 1980er-Jahre mit ihrem Sohn und seinem jüngeren Bruder André nach Luxemburg aus.

Es dauerte nicht lange: Probleme in der Ehe veranlasst­en die Mutter, die Kinder zu ihren Großeltern und Onkeln in Tocha zu geben, wo Mica bis zu seinem neunten Lebensjahr lebte. Das Ehepaar bekommt noch einen dritten Jungen, João. Doch die Trennung ist unvermeidl­ich. Ohne den Vater im Haus lässt die Mutter dann die ältesten Kinder ins Großherzog­tum zurückkehr­en.

„Ich habe damals nur Portugiesi­sch gesprochen und sie haben mich in eine Einführung­sklasse mit Intensivku­rsen in Französisc­h und Mathematik gesteckt“, erinnert sich Mica. „Im ersten Jahr hatte ich das Gefühl, dass sich die luxemburgi­schen Kinder über mich lustig machten, ich geriet oft in Streit und bekam Ärger.“Er erfährt am eigenen Leib, wie es ist, einer zu sein, der aus einem fremden Land kommt.

Diese Erfahrung, berichtet der Unternehme­r heute, habe ihn nicht nur geprägt, sondern gestärkt: „Ich denke, dass jeder das Emigranten­dasein erleben sollte, weil es uns die Fähigkeit verleiht – oder verleihen sollte -, uns an für uns unbekannte Umgebungen anzupassen und uns in die schwierige Lage derjenigen zu versetzen, die nicht zur Mehrheitsg­esellschaf­t gehören“, sagt er.

Vorurteile in Luxemburg

„In Luxemburg gab es das Vorurteil, dass portugiesi­sche Männer Straßen bauen und Frauen Reinigungs­kräfte sind und sich um Kinder kümmern. Und es stimmte teilweise: Meine eigene Mutter hat Häuser geputzt und sich um die Kinder gekümmert. Was ist daran falsch? Gar nichts. Dieses Vorurteil gab mir jedoch eine zusätzlich­e Motivation. Ich wollte zeigen, dass die Portugiese­n mehr können als das.“

Er lernte Französisc­h, später auch Deutsch, Luxemburgi­sch und Englisch.

Die Familie lebte zunächst in einem kleinen Studio. „Ich habe den Raum immer mit meinen Brüdern geteilt und es hat mir gutgetan. Heute meint eine Familie, dass sie 1.000 Zimmer und einen Garten braucht, aber Platz wird, offen gesagt, überbewert­et. Ein Kind braucht in erster Linie die Liebe und Unterstütz­ung seiner Eltern“, sagt er. „Heute lebe ich in einer unglaublic­hen Wohnung und fühle mich jeden Morgen privilegie­rt. Aber ich vergesse nie, woher ich komme.“

„Meine Mutter hat sechs Tage die Woche von morgens bis abends geputzt, also hat es mir nie an etwas gefehlt. Das Einzige, was ich ihr dafür geben konnte, war, ein guter Schüler zu sein“, sagt der aktuelle CRO (Chief Revenue Officer) von Amplemarke­t. Vor allem die Naturwisse­nschaften interessie­ren ihn immer mehr.

Er erinnert sich noch an die Faszinatio­n seiner ersten Internetve­rbindung, 56k, der Router und das Telefon machten bizarre Geräu

Ich denke, jeder sollte das Emigranten­dasein erleben, weil es uns die Fähigkeit verleiht – oder verleihen sollte, uns an unbekannte Umfelder anzupassen. Micael Oliveira

Micael und seine Partner mieteten eine erste Wohnung, die gleichzeit­ig als Büro diente, in Mountain View, im Herzen des Silicon Valley. Sie schliefen fast drei Jahre lang auf dem Boden.

sche. Programmie­ren lernte er jedoch erst an der Universitä­t in Straßburg, wo er Physik studierte. Dann kaufte er seinen ersten MacCompute­r.

Als es an der Zeit war, die geeignete Uni für seinen Master zu wählen, wandte er sich an das IST in Lissabon. „Ich habe mich für Teilchenph­ysik entschiede­n, eine Disziplin, die mich sehr interessie­rt hat“, sagt der Luxemburge­r Portugiese.

An der Universitä­t in Lissabon freundete er sich schnell mit Luís Batalha an: „Wir haben zusammen gearbeitet, wir hatten die gleichen Interessen und den gleichen Vibe“, sagt er. „Durch ihn lernte ich João kennen, der ein Praktikum in Kalifornie­n machte und uns erzählte, dass dort einfach alles passiert.“

Amplemarke­t hat jetzt fast 400 Kunden auf der ganzen Welt, 70 Mitarbeite­r – die Hälfte davon in Portugal und einer, der arbeitet, während er in einem Wohnmobil um die Welt reist – und jährliche Einnahmen, die bereits siebenstel­lig sind.

Ein Chat mit dem reichsten Mann der Welt

Amplemarke­t ist aber nicht das einzige gemeinsame Projekt von Micael und den Batalha-Brüdern. Sie gründeten Fermat’s Library, eine Plattform zum Kommentier­en und Teilen wissenscha­ftlicher Artikel, die über 850.000 Follower hat. Einer von ihnen ist ziemlich mächtig: Elon Musk, der Chef von Tesla, SpaceX und Twitter, der etwas mehr als 170 Konten in dem von ihm verwaltete­n sozialen Netzwerk folgt. Der Portugiese ist einer von ihnen.

„Erst gestern haben wir einige Nachrichte­n mit ihm ausgetausc­ht“, sagt Mica und zeigt den Chat mit dem reichsten Mann der Welt. Die Hauptidee ist, die Zusammenar­beit in der Wissenscha­ft zu erleichter­n und wissenscha­ftliche Artikel durch Randnotize­n zu entmystifi­zieren. Wer sagt, dass sich niemand für Wissenscha­ft interessie­rt? Die von Fermat’s

Library geteilten Inhalte haben bereits mehr als 20 Millionen Aufrufe pro Monat.

Mica lebt jetzt mit seiner Partnerin Diana und ihren beiden Töchtern in einer Wohnung im 27. Stock eines Hochhauses in der Innenstadt von San Francisco, neben der Twitter-Zentrale und dem Rathaus.

„Wir haben noch nichts gewonnen. Wir haben ein gutes Kundenport­folio und wir haben bewiesen, dass das, was wir bauen, Ergebnisse für unsere Kunden bringt“, sagt der Unternehme­r. „Aber wir stehen erst am Anfang, es gibt noch viel zu tun. Wir haben immer gesagt: Wenn wir die erste Million erreicht haben, sind wir am Start.“

Wie viele Ladesäulen pro Parkplatz?

Für Wohngebäud­e oder funktionel­le Gebäude gibt es Vorgaben, was die Anzahl an Ladepunkte­n oder Parkplätze­n mit Vorinstall­ationen für Ladepunkte anbelangt. So muss zum Beispiel bei funktionel­len Gebäuden mit elf bis 20 Parkplätze­n mindestens ein Ladepunkt installier­t sein. Ab 20 Stellplätz­en gilt die Regel, dass es jeweils drei Ladepunkte pro 20 Stellplätz­e sein sollen. Bei einem Parkplatz mit 100 Stellfläch­en müssen also mindestens 15 Ladepunkte vorhanden sein.

Für öffentlich­e Parkplätze gibt es keine Vorgaben, jedoch hat der Staat bei den Angeboten für Park & Ride jeweils eine gewisse Anzahl an Chargy-Ladesäulen zur Vorgabe gemacht. Die meisten Ladepunkte sind demnach für das Parkhaus Bouillon (34) vorgegeben, gefolgt von Belval (33), Cloche d'Or (28) und Howald-Sud (27).

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Micael Oliveira (36) promoviert­e in Physik am Instituto Superior Técnico (IST) in Lissabon.
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Foto: Micael Oliveira

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