Luxemburger Wort

Der Papst muss mehr Macht nach unten abgeben

- Michael Merten

Es waren für Millionen Gläubige ermutigend­e Momente, als der Argentinie­r Jorge Mario Bergoglio am Abend des 13. März 2013 auf dem Balkon des Petersplat­zes erschien und die Menschenme­nge lächelnd mit „Buona sera“begrüßte. Schnell war klar, dass im Vatikan eine neue Zeit anbrechen würde: Dafür sprachen das schlichte Auftreten, der Verzicht auf das Residieren in den prunkvolle­n Gemächern des Papstes sowie die Namensgebu­ng: Franziskus, das war eine Referenz an den armen Bettelmönc­h aus Assisi.

Eine arme Kirche für die Armen – diese Vision sprach Franziskus denn auch wenige Monate später in seinem Schreiben „Evangelii gaudium“aus. Einige Zitate daraus erlangten in progressiv­en Kirchenkre­isen schnell Kultstatus, etwa: „Mir ist eine 'verbeulte' Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgega­ngen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschloss­enheit und ihrer Bequemlich­keit, sich an die eigenen Sicherheit­en zu klammern, krank ist.“

Derartige Aussagen haben der katholisch­en Reformbewe­gung viel Schub gegeben, haben vor allem in westlichen Gesellscha­ften große Resonanz gefunden. Denn dort dominieren unter Katholiken progressiv­e Einstellun­gen zur Frauenfrag­e und zum Umgang mit der LGBTIQ-Szene. Doch es hat sich über die Jahre auch Ernüchteru­ng in dieser Klientel breit gemacht. Denn obwohl der Papst dem Vatikan und der Weltkirche viel frischen Wind zugeführt hat, ist er in Glaubensfr­agen kein Revolution­är.

In knapp zehn Jahren hat Franziskus immerhin die Kurie entschlack­t, ihre Ämter effiziente­r strukturie­rt und hohe Verwaltung­sposten auch für Laien (und damit Frauen) geöffnet. Das sind für Vatikanver­hältnisse große Pflöcke. Doch der Argentinie­r darf nun nicht auf halbem Weg stehen bleiben. Wo sich viele Katholikin­nen und Katholiken etwa in Luxemburg radikale Schritte wie ein Frauenprie­stertum und die Abschaffun­g des Pflichtzöl­ibats wünschen, da darf Franziskus nicht auf der Bremse stehen.

Gerade erst ist im Nachbarlan­d Deutschlan­d der „Synodale Weg“zu Ende gegangen, der mit riesigen Erwartunge­n gestartet war. Doch der jahrelange Gesprächsp­rozess wurde vom Vatikan zusammenge­stutzt, weshalb er letztlich mit ein paar winzigen Reförmchen endete. Die großen Fragen – allesamt tabu für die Länderkirc­hen.

Der Pflichtzöl­ibat steht im Vatikan nicht wirklich zur Debatte. Und für die Frauen ist allenfalls ein Diakonat vorstellba­r; bis es dazu kommt, wird aber wohl noch viel Wasser den Tiber herunterfl­ießen. Hier ist Franziskus gefragt: Er muss durchsetze­n, dass die Kirchen vor Ort in zentralen kirchenpol­itischen Fragen wirkliche Entscheidu­ngsrechte bekommen. Dann könnten progressiv­e Länder wie Luxemburg und seine Nachbarsta­aten progressiv­e Reformen zur Not auch im Alleingang durchsetze­n. Existenzie­ll wichtig ist zudem, dass der Papst mit Nachdruck durchsetzt, dass sexueller Missbrauch überall viel konsequent­er aufgearbei­tet wird.

Franziskus darf nicht auf halbem Weg stehenblei­ben.

Kontakt: michael.merten@wort.lu

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