Was Luxemburger über die Amtszeit von Papst Franziskus denken
Der einfache Lebensstil von Franziskus und sein Einsatz für die Armen kommen in Luxemburg gut an. Doch es gibt auch Kritik
Marie-Christine Ries, Pastoralreferentin: einfacher Lebensstil
Im Vorfeld der Papstwahl im März 2013 hatte die Zeitung „La Croix“einzelne Kardinäle, darunter auch Kardinal Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien vorgestellt. Sein einfacher Lebensstil und sein Einsatz für die Ärmsten haben mir imponiert und bei seiner Wahl habe ich mich gefreut. Seinen einfachen Lebensstil hat er konsequent in seinem neuen Amt weitergeführt. Seine Art Zeichen zu setzen, der Besuch der Insel Lampedusa, das Gebet an der Mauer zwischen Israel und dem Westjordanland, sowie seine Enzykliken „Laudato si“und „Fratelli tutti“haben Menschen erstaunt und erfreut. Der von ihm initiierte synodale Prozess weckt Hoffnungen. Beim Thema Frauen hat Papst Franziskus mich jedoch enttäuscht. Ja, er hat mehrere Frauen auf Verantwortungsposten im
Vatikan ernannt, und das freut mich, aber bei den Themen Diakonat und Priestertum der Frau ist Stillstand. Natürlich muss er die Einheit der Kirche im Blick haben, doch würde ich mir wünschen, dass er auch die unterschiedlichen Berufungen der Frauen erkennt und anerkennt.
Jean-Louis Zeien, Generalsekretär von „Justice et Paix“: klare Akzente gesetzt
Papst Franziskus ist ein Glücksfall für die katholische Kirche. Gleich zu Beginn hat er klare Akzente gesetzt, mit einer neuen Bescheidenheit und resolutem Engagement. Ganz im Geiste des Franz von Assisi. Dabei hat er die Türen und Fenster der Kirche weit geöffnet.
Seine beiden Rundschreiben „Laudato si“und „Fratelli tutti“zeigen auf, wofür aus dem Glauben heraus Kirche (auch) da sein muss: den Schrei der Armen und der Natur zu hören im Einsatz für das „gemeinsame
Haus“. Im Aufbau des größten „Ministeriums“für integrale nachhaltige menschliche Entwicklung zeigt sich hier, dass Wort und Aktion zusammenkommen. Damit macht er deutlich: Nehmt euch gemeinsam mit allen Menschen guten Willens den globalen Herausforderungen dieser Zeit an!
Sein Reformwille geht ebenfalls nach innen, auch wenn man sich wünscht, dass etwa beim Desaster im Erzbistum Köln eher ein Befreiungsschritt kommen müsste und auch die Chancen des synodalen Wegs in Deutschland gewürdigt werden. Nichtsdestotrotz steht Papst Franziskus auch für couragiertes Voranschreiten: Die aktuelle Weltsynode und die damit verbundenen kircheninternen Herausforderungen für ein gemeinsames „Miteinander gehen“im Überwinden jeglichen Klerikalismus, den er wiederholt anprangert.
Christian Faber, Mitgründer der Vereinigung „La Voix des Survivant(e)s asbl“: nichts Konkretes
In Sachen Missbrauch ist in den zehn Jahren außer Ankündigungen und geschliffenen Reden nicht wirklich viel passiert. Es wird immer nur das zugegeben, was absolut nicht mehr abzustreiten ist. Als Opfer ließ ich dem Papst 2019 einen Einschreibebrief mit Rücksendebestätigung des Eingangs zukommen – auf eine Antwort warte ich heute noch. 2019 fand auch ein großer Missbrauchsgipfel im Vatikan statt. Warum wurden dort die Opferverbände nicht angehört?
Nach dem Gipfel erließ der Papst ein Motu proprio, also ein Schreiben „Vos estis lex mundi“. Dieses beschreibt genaue Hilfestellungen für die Opfer sexueller Übergriffe. Aber was ist seitdem konkret geschehen – Nichts! Zudem kocht jedes Land sein eigenes Süppchen in Sachen Entschädigungen. Die Opfer werden entweder mundtot gemacht oder die Prozeduren werden absichtlich so langwierig gehalten, um zu entmutigen.
Auch Päpste können sich irren. „Ich habe das Gefühl, dass mein Pontifikat kurz sein wird. Vier oder fünf Jahre. Ich weiß nicht, vielleicht auch nur zwei oder drei“, hatte Franziskus 2015, zwei Jahre nach seiner Wahl zum Papst am 13. März 2013, einem mexikanischen TV-Sender gesagt. Jetzt ist der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, der erste nichteuropäische Papst der Kirchengeschichte, schon zehn Jahre Oberhaupt der katholischen Kirche.
86 Jahre alt ist Franziskus inzwischen: Das Gehen fällt ihm wegen Schmerzen in den Knien schwer; oft muss er sich im Rollstuhl bewegen. Aber ansonsten ist der Papst, wie er erst im Januar selber bekannt gab, „bei guter Gesundheit“. Aus Anlass des nunmehr zehn Jahre dauernden Amtes im Folgenden der Versuch einer Bilanz.
Neuer Blick auf die Welt
Franziskus hat das Papstamt, das römische Narrativ, komplett neu ausgerichtet. Das begann schon mit der Wahl seines Papstnamens: Zum ersten Mal hatte ein Papst den Mut und das Selbstbewusstsein, sich mit seinem Namen symbolisch in die Fußstapfen des Franz von Assisi zu begeben, des wichtigsten Heiligen der katholischen Kirche. Der Bettelmönch aus Umbrien, sagte Bergoglio später einmal, sei für ihn „ein Mann der Armut, der Mann des Friedens, der Mann, der die Schöpfung liebt und bewahrt. Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen!“
Das war und ist das Programm des Argentiniers, der in seiner Heimat viel Elend gesehen hatte und einen ganz anderen Blick auf die Welt nach Rom mitbrachte als seine europäischen Vorgänger. Franziskus forderte gleich nach seiner Wahl von seiner Kirche und besonders von der Kurie ein radikales Umdenken: „Die erste Reform muss die der Einstellung sein.“
Die Lepra des Papsttums
Die Mentalität, die Franziskus im Kirchenstaat antraf, hat ihm nicht gefallen. Direkt und undiplomatisch bezeichnete er den kurialen Hofstaat ein halbes Jahr nach seiner Wahl als „Lepra des Papsttums“. Der Kirchenverwaltung und den Höflingen attestierte er nicht weniger als „fünfzehn Krankheiten“, darunter Selbstbezogenheit, Ruhmessucht, Kritikunfähigkeit, spirituelle und geistige Abstumpfung.
Beliebt hat er sich in der Kurie damit nicht gemacht. Die Bescheidenheit und Demut, die er von der Kurie fordert, lebt er den verwöhnten Prälaten selber vor: Statt wie seine Vorgänger im pompösen apostolischen Palast, lebt er im vatikanischen Pilgerheim Santa Marta, wo er mit Vatikanangestellten in der
Mensa essen geht. Seine Vorgänger residierten, Papst Franziskus wohnt.
Kein Blick mehr durchs Schlüsselloch
Ein Ende gesetzt hat Franziskus auch der Fixierung der Kirche auf das Sexualleben der Gläubigen. Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hatten mit ihrem Beharren auf der rigiden katholischen Sexualmoral gelegentlich den Eindruck erweckt, dass es auf der Welt keine wichtigeren Probleme gebe als die Einhaltung des Keuschheitsgebots vor der Ehe und – selbst in Zeiten von Millionen Aids-Toten – den Gebrauch von Präservativen.
Der Ton hat sich unter Franziskus völlig verändert: In seinem 2016 veröffentlichten Schreiben „Amoris laetitia“(Die Freude der Liebe) wendet er sich gegen eine „kalte Schreibtisch-Moral“und fordert von den Seelsorgern Verständnis und Barmherzigkeit: Moralische Gesetze seien „keine Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft“.
Das war wohl der bemerkenswerteste Satz, den ein Papst je zum Thema Sexualmoral geschrieben hat. Ein weiterer denkwürdiger Satz lautete: „Wer bin ich denn, um über Homosexuelle zu urteilen?“
Die Kirche bleibt im Dorf
Der Ton mag sich geändert haben, aber die Lehre als solche hat Franziskus wie seine Vor
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Franziskus hat der Fixierung der Kirche auf das Sexualleben der Gläubigen ein Ende gesetzt.