Die vielen Gesichter der häuslichen Gewalt
Zwei Broschüren sollen auf die Folgen der häuslichen Gewalt für Kinder aufmerksam machen – und ihnen erklären, was sie dagegen tun können
Zittern, schnellere Atmung, Anspannung, Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit und Schweißausbrüche: Das sind nur ein Paar der Reaktionen, die der Körper zeigen kann, wenn einem Kind Gewalt angetan wurde. Das geht aus der neuen Broschüre „Gewalt Doheem – De Bléck op d'Kanner“hervor, die vom Ministerium für die Gleichstellung von Frauen und Männern herausgeben wurde.
Häusliche Gewalt in der Familie beschränkt sich dabei nicht nur auf körperliche Gewalt, wie Stoßen, Schlagen oder Festhalten. Pro Familia unterscheidet zwischen sechs unterschiedlichen Arten. Die psychische Gewalt steht dabei an erster Stelle. Die weitere Liste ist lang: ständiges Kritisieren und Beleidigen, Einschüchterungen, lautes Schreien, Aufbau von Druck, Bedrohungen und Beschuldigungen.
Die sechs Gesichter der Gewalt
Pro Familia zählt auch die Vernachlässigung zu den Gewaltarten. Kinder, die sich selber überlassen sind oder keine emotionale Zuwendung erfahren, leiden auch. Das Gleiche gilt für sexuelle Gewalt, die bereits dann beginnt, wenn ein Kind gegen seinen Willen berührt wird. Wirtschaftliche Abhängigkeit und Kontrolle sowie soziale Isolation sind zwei weitere Gesichter der Gewalt.
Dabei muss diese nicht immer den Kindern angetan werden. Bei Streit zwischen den Eltern sitzen die Kinder in der Regel in der ersten Reihe. „Die Körperreaktionen des Kindes haben Einfluss auf den Schlaf (Albträume), das Essverhalten und die Konzentration“, steht in der Broschüre. Es könne zu Rückschritten in der Entwicklung des Kindes kommen, wie beispielsweise Bettnässen.
389 Kinder und Jugendliche wurden im Jahr 2021 von Hilfsdiensten aufgrund von häuslicher Gewalt betreut. Die Dunkelziffer wird um einiges höher sein, denn nicht jeder Gewaltakt, der zu Hause stattfindet, wird den Behörden gemeldet. 2021 gab es 917 Polizeieinsätze, die im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt standen, dabei kam es zu 249 von der Staatsanwaltschaft genehmigten Wegweisungsmaßnahmen.
Die Gleichstellungsministerin Taina Bofferding (LSAP) wird in einer Pressemitteilung zitiert: „Die Zahlen zeigen deutlich, dass unser Kampf gegen häusliche Gewalt und jede andere Form von Gewalt fortgesetzt werden muss.“Es sei unerlässlich, dass Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, sofortige Hilfe angeboten wird.
Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche
Genau in diesem Kontext engagiert sich die Beratungsstelle für gewaltbetroffene Kinder und Jugendliche der Stiftung Pro Familia. Hier haben sie die Möglichkeit, ihre Erlebnisse und Gefühle in einem sicheren Rahmen auszudrücken. Eine zweite, neue Broschüre mit dem Titel: „Kiwazu – ein Chamäleon voller Ideen. Ein Buch über häusliche Gewalt“soll dabei helfen.
Die Geschichte des Chamäleons, das sich durch seine Fähigkeit zum Farbwechsel in Verbindung mit seinem Wohlbefinden auszeichnet, lade dazu ein, „über das emotionale Gewalterleben nachzudenken und individuelle Lösungsstrategien zu entwickeln“.
Durch kinderleichte Übungen, bei denen Bienen, Regenbogen und Wolken eine Rolle spielen, lernen die kleinen Leser, wie sie sich beruhigen können, wenn sie aufgewühlt sind. Und dass es nicht okay ist, was Mama oder Papa tut. Eine der wichtigsten Lehren, die Kinder aus Kiwazus Geschichte lernen, ist: „Es ist nicht meine Schuld.“
Interessierte Personen können die Hefte bei der Stiftung Pro Familia bestellen. Ein Download über die Website www.profamilia.lu ist ebenfalls möglich.