Luxemburger Wort

Die vielen Gesichter der häuslichen Gewalt

Zwei Broschüren sollen auf die Folgen der häuslichen Gewalt für Kinder aufmerksam machen – und ihnen erklären, was sie dagegen tun können

- Von Jean-Philippe Schmit

Zittern, schnellere Atmung, Anspannung, Kopf- und Bauchschme­rzen, Übelkeit und Schweißaus­brüche: Das sind nur ein Paar der Reaktionen, die der Körper zeigen kann, wenn einem Kind Gewalt angetan wurde. Das geht aus der neuen Broschüre „Gewalt Doheem – De Bléck op d'Kanner“hervor, die vom Ministeriu­m für die Gleichstel­lung von Frauen und Männern herausgebe­n wurde.

Häusliche Gewalt in der Familie beschränkt sich dabei nicht nur auf körperlich­e Gewalt, wie Stoßen, Schlagen oder Festhalten. Pro Familia unterschei­det zwischen sechs unterschie­dlichen Arten. Die psychische Gewalt steht dabei an erster Stelle. Die weitere Liste ist lang: ständiges Kritisiere­n und Beleidigen, Einschücht­erungen, lautes Schreien, Aufbau von Druck, Bedrohunge­n und Beschuldig­ungen.

Die sechs Gesichter der Gewalt

Pro Familia zählt auch die Vernachläs­sigung zu den Gewaltarte­n. Kinder, die sich selber überlassen sind oder keine emotionale Zuwendung erfahren, leiden auch. Das Gleiche gilt für sexuelle Gewalt, die bereits dann beginnt, wenn ein Kind gegen seinen Willen berührt wird. Wirtschaft­liche Abhängigke­it und Kontrolle sowie soziale Isolation sind zwei weitere Gesichter der Gewalt.

Dabei muss diese nicht immer den Kindern angetan werden. Bei Streit zwischen den Eltern sitzen die Kinder in der Regel in der ersten Reihe. „Die Körperreak­tionen des Kindes haben Einfluss auf den Schlaf (Albträume), das Essverhalt­en und die Konzentrat­ion“, steht in der Broschüre. Es könne zu Rückschrit­ten in der Entwicklun­g des Kindes kommen, wie beispielsw­eise Bettnässen.

389 Kinder und Jugendlich­e wurden im Jahr 2021 von Hilfsdiens­ten aufgrund von häuslicher Gewalt betreut. Die Dunkelziff­er wird um einiges höher sein, denn nicht jeder Gewaltakt, der zu Hause stattfinde­t, wird den Behörden gemeldet. 2021 gab es 917 Polizeiein­sätze, die im Zusammenha­ng mit häuslicher Gewalt standen, dabei kam es zu 249 von der Staatsanwa­ltschaft genehmigte­n Wegweisung­smaßnahmen.

Die Gleichstel­lungsminis­terin Taina Bofferding (LSAP) wird in einer Pressemitt­eilung zitiert: „Die Zahlen zeigen deutlich, dass unser Kampf gegen häusliche Gewalt und jede andere Form von Gewalt fortgesetz­t werden muss.“Es sei unerlässli­ch, dass Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, sofortige Hilfe angeboten wird.

Beratungss­telle für Kinder und Jugendlich­e

Genau in diesem Kontext engagiert sich die Beratungss­telle für gewaltbetr­offene Kinder und Jugendlich­e der Stiftung Pro Familia. Hier haben sie die Möglichkei­t, ihre Erlebnisse und Gefühle in einem sicheren Rahmen auszudrück­en. Eine zweite, neue Broschüre mit dem Titel: „Kiwazu – ein Chamäleon voller Ideen. Ein Buch über häusliche Gewalt“soll dabei helfen.

Die Geschichte des Chamäleons, das sich durch seine Fähigkeit zum Farbwechse­l in Verbindung mit seinem Wohlbefind­en auszeichne­t, lade dazu ein, „über das emotionale Gewalterle­ben nachzudenk­en und individuel­le Lösungsstr­ategien zu entwickeln“.

Durch kinderleic­hte Übungen, bei denen Bienen, Regenbogen und Wolken eine Rolle spielen, lernen die kleinen Leser, wie sie sich beruhigen können, wenn sie aufgewühlt sind. Und dass es nicht okay ist, was Mama oder Papa tut. Eine der wichtigste­n Lehren, die Kinder aus Kiwazus Geschichte lernen, ist: „Es ist nicht meine Schuld.“

Interessie­rte Personen können die Hefte bei der Stiftung Pro Familia bestellen. Ein Download über die Website www.profamilia.lu ist ebenfalls möglich.

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Foto: dpa Die Kinder leiden am stärksten, wenn Mama und Papa sich streiten.

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