Der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung
Mehrere Zehntausend Tonnen Essen landen jedes Jahr auf dem Müll – in Luxemburg gibt es inzwischen einige Initiativen, die etwas dagegen tun
90.000 Tonnen. Das ist die Menge an Lebensmitteln, die laut der Statistikbehörde Eurostat jährlich in Luxemburg im Müll landen. In der gesamten Europäischen Union summiert sich die Lebensmittelverschwendung auf 57 Millionen Tonnen oder 127 Kilogramm pro Einwohner und Jahr.
Das ist nicht nur teuer, die Kommission schätzt den Wert der weggeworfenen Nahrungsmittel in Europa auf etwa 130 Milliarden Euro jährlich, sondern auch schlecht für das Klima. So geht das Umweltprogramm der Vereinten Nationen davon aus, dass acht bis zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen in Verbindung mit Lebensmitteln freigesetzt werden, die nicht konsumiert werden. Gleichzeitig können sich etwa 36,2 Millionen Menschen in der EU nicht einmal jeden zweiten Tag eine hochwertige Mahlzeit leisten.
Was tun, wenn das Verfallsdatum naht?
Es gibt also genügend Gründe, etwas gegen die Verschwendung zu unternehmen. Jeweils etwa neun Prozent der weggeworfenen Nahrungsmittel in Luxemburg (ungefähr 8.500 Tonnen pro Jahr) entfallen auf den Einzelhandel und die Gastronomie. Die Supermarktketten im Land betonen derweil, dass sie einiges tun, um Verschwendung zu vermeiden. Frischprodukte wie Fleisch, Obst oder Gemüse würden tagesaktuell pro Filiale bestellt, um die Bestände optimal planen zu können, lässt beispielsweise ein Sprecher für Aldi in Luxemburg wissen.
Auch Cactus gibt an, dass man auch unter Einsatz von Software versuche, die Bestellungen für die Filialen so effizient zu gestalten, dass möglichst nur die Menge Lebensmittel in die Regale kommt, die auch verbraucht wird. „Das verhindert theoretisch, dass wir einen Überschuss an Beständen haben, aber natürlich kann nicht alles vorhergesehen werden“, so eine Unternehmenssprecherin.
Nähert sich das Verfallsdatum eines Produkts, versuchen die Supermärkte die Waren dennoch mithilfe von Sonderangeboten loszuschlagen. Der Discounter Aldi gewährt einen Nachlass von 30 Prozent. „Der Artikel wird bis zum Tag des Verfallsdatums selbst verkauft“, so der Sprecher. Bei Cactus werden die Produkte mit dem Sticker „Eat me Today“versehen und ebenfalls zu reduzierten Preise verkauft.
Lidl Luxemburg startete 2019 ein ähnliches Projekt, in dessen Rahmen Lebensmittel, die bald ablaufen, radikal reduziert angeboten werden. Auf Nachfrage sagte das Unternehmen, dass man es geschafft habe, die Verschwendung bis Ende 2020 im Vergleich zu 2015 um 24 Prozent zu verringern. Bis 2025 wolle man eine Reduktion von 50 Prozent schaffen, so ein Sprecher.
Start-ups kämpfen gegen Verschwendung
Auch das 2018 gegründete Luxemburger Startup F4A versucht, Lebensmittel, deren Haltbarkeitsdatum in nächster Zeit abläuft, an den Konsumenten zu bringen. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen eine App entwickelt, die Verbraucher über entsprechende Sonderan
gebote in ihrer Nähe informiert. Dazu arbeitet das Start-up mit Supermarktketten in Luxemburg wie Delhaize zusammen, die über eine Schnittstelle das Angebot beständig aktualisieren können.
Immer wieder gibt es Waren, die zwar problemlos genießbar sind, aber nicht den Standards des Handels entsprechen und daher auf dem Müll landen. Cactus versucht diese Art der Verschwendung zu reduzieren, indem zum Beispiel beschädigte Verpackungen in den internen Kantinen des Unternehmens verkauft werden. Die Kooperative „on.perfekt“verkauft Lebensmittel, die solche Schönheitsfehler aufweisen und im Handel aussortiert wurden. Im September des vergangenen Jahres eröffnete das Ladengeschäft der Initiative in Marnach, nachdem das Konzept sich in einem Pop-up-Shop bewährt hatte.
Für Lebensmittel, die nicht verkauft werden können, aber dennoch von guter Qualität seien, arbeite man eng mit lokalen Lebensmittelbanken wie dem „Cent Buttek“oder den für sozialen Lebensmittelgeschäfte des Roten Kreuzes und Caritas zusammen, betonen die kontaktierten Supermarktketten. So sammeln alleine die drei Zweigstellen des „Cent Buttek“nach eigenen Angaben jährlich 700 Tonnen Lebensmittel. Rund 850 einkommensschwache Familien machen derzeit von dem Angebot Gebrauch. Ähnlich funktionieren auch die Sozialrestaurants von „Stëmm vun der Strooss“in Hollerich und Esch/Alzette, wo Berechtigte eine Mahlzeit für 50 Cent und ein Getränk für 25 Cent erhalten können.
Wichtige Rolle der Lebensmittelbanken
Ein wichtiges Glied in dieser Verwertungskette ist seit ihrer Gründung 2001 die Banque Alimentaire, die Lebensmittelspenden von Supermärkten einsammelt und den sozialen Trägern zum Verteilen überlässt. Im letzten Jahr seien das fast 130 Tonnen gewesen, etwa 1.000 Personen würden damit in der Woche versorgt, erklärt Jean Rodesch, Präsident der Banque Alimentaire Luxembourg.
In den letzten Monaten habe sich die Zahl, wohl aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten, sogar noch erhöht, sagt er, zuletzt sei die Zahl auf über 1.200 Personen gestiegen. Bis jetzt wurden nicht verderbliche Lebensmittel verteilt. In Zukunft sollen frische Lebensmittel dazukommen. Logistisch werde das eine Herausforderung werden, sagt er. „Beim Transport ist die Kühlkette das A und O, die Lebensmittelsicherheit und Hygienebedingungen müssen sichergestellt sein. Die Bestimmungen sind hier sehr strikt“, so Rodesch.
Gerade Restaurants und Großküchen produzieren ihre Speisen oft vor und bleiben dann häufig auf einem Teil des Essens sitzen. Um diese Verschwendung zu verringern, nahm die Jugendherberge in Tüntingen 2019 einen Selbstbedienungskühlschrank in Betrieb, aus dem Anwohner und Passanten gegen Bezahlung frische Gerichte entnehmen können, die im Überschuss produziert wurden.
Meiste Verschwendung in den Haushalten
Der Löwenanteil der Lebensmittelverschwendung findet aber nicht in den Geschäften und Restaurants statt, sondern in den Privathaushalten. Etwa 57.000 Tonnen Lebensmittel werfen die Luxemburger Familien laut Eurostat jedes Jahr weg. Laut Landwirtschaftsministerium, das mit leicht abweichenden Zahlen operiert, sind die Haushalte sogar für 75 Prozent der im Land weggeworfenen Lebensmittel verantwortlich. Demnach entsorgt jeder Einwohner im Jahr 88,5 Kilogramm Nahrungsmittel. „Dabei könnten 21 Prozent davon vermieden und so pro Kopf 75,5 Euro eingespart werden“, schreibt das Ministerium.
Die Regierung hat im Nationalen Abfallplan das Ziel formuliert, bis 2030 die Lebensmittelverschwendung um die Hälfte zu reduzieren. Dazu hat sie mit „Antigaspi“eine Sensibilisierungskampagne gestartet, in der auch Initiativen wie „on.perfekt“oder F4A unterstützt werden.
Ein großer Teil der Bioabfälle wie Fleisch, Fisch, Blumen oder Pflanzen, die nicht auf diesen Wegen verwertet werden können, landen in Biogasanlagen, wo sie in grüne Energie umgewandelt werden. Aktuell sind drei Anlagen in Luxemburg (Flaxweiler, Itzig und Kehlen), in denen Lebensmittelreste verwertet werden können. Nach Angaben der „Biogas Vereenegung“landeten 40.182 Tonnen Hausmüll (der nicht vollständig aus Lebensmittelresten besteht) im Jahr 2020 in Biogasanlagen. Im Kampf gegen die Verschwendung gibt es also noch einiges zu tun.
Nähert sich das Verfallsdatum eines Produkts, versuchen die Supermärkte die Waren dennoch mithilfe von Sonderangeboten loszuschlagen.