Brandstifter ihrer Seelen
Bachmann und Frisch – zwischen Legende, Klatsch und Leichenfledderei
Während Margarethe von Trottas filmische Fiktion „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“in Klischees versandet, liefert der von Piper und Suhrkamp herausgegebene Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch tiefe Einblicke in das Privatleben des berühmten Paares des deutschen Literaturbetriebs: große Literatur und eine Vielzahl an Verletzungen.
In den 1960er-Jahren waren sie wohl das bekannteste Paar innerhalb des deutsch-schweizerischen Literaturbetriebs: die Dichterin Ingeborg Bachmann und der Schriftsteller Max Frisch. Doch sie taten sich nicht gut. Ihre Beziehung war toxisch und zersetzend. Ihre Korrespondenzen, die im Juni 1958 begannen, zeugen noch heute von dem ungesunden Verhältnis, das von Misstrauen, Eifersucht, Rivalität und gegenseitigen Missverständnissen geprägt war.
Unter dem Titel „Wir haben es nicht gut gemacht“– ein Zitat von Max Frisch – haben Suhrkamp und Piper nun diesen Briefwechsel herausgebracht. Rund 300 Schriftstücke geben Einblicke in die Beziehung. Die Briefe legen nicht nur zwei im Zuge des Verhältnisses geschundene Seelen offen, sondern belegen auch, in welchem Maße ihr (Privat-)Leben und Werk miteinander verwoben waren.
Rund 300 Schriftstücke
Geht anfangs aus dem Schriftverkehr noch Bewunderung, bis hin zu maßloser Anerkennung für das Schaffen des anderen hervor („Ingeborg, es ist eine grosse und mächtige Sache, was Du geschrieben hast“, schreibt Frisch am 7. Februar 1961 an Bachmann – „Du bist wirklich ein ganz grosser Schriftsteller, das musst Du noch wissen (...)“schreibt Bachmann Frisch in der Neujahrsnacht von 1962/1963), so fand diese mit der Veröffentlichung von Frischs’ Roman „Mein Name sei Gantenbein“jäh ein Ende.
Bachmann, die nach der Trennung von Max Frisch, der sie durch die wesentlich jüngere Marianne Oellers ersetzte, mehrere Nervenzusammenbrüche erlitt, fand sich in der Roman-Figur der „Lila“wieder; so mündete dieser Briefwechsel in wilden Vorwürfen und Gezanke.
„Es würgt mich, Dir das sagen zu müssen, denn ich war sicher, dass Dir dies, wenn sonst nichts, heilig sein müsse. Es gibt eine Grenze von Ertragenmüssen, die ist für mich erreicht an diesem Punkt. Bis hierhin und nicht weiter“, schreibt Bachmann Frisch in einem Brief am 24. November 1963, in dem sie auflistet, welche Passagen aus seinem Manuskript „Mein Name sei Gantenbein“dringend zu streichen seien.
Wenig echte Freunde
Nur wenige echte Freunde sollten sich zu Bachmann, die stets von guten und falschen Freunden umgeben war, in dieser Situation bekennen, sie moralisch unterstützen; darunter Alfred Oppel, der Anfang September 1964 an Max Frisch schrieb: „Ein Mensch, ein ganz besonderer Mensch ist in seiner ganzen Existenz bedroht, durch eine Krankheit, die mehr als eine Krankheit ist.“
Er sollte es als einer der Wenigen wagen, den unangefochtenen Max Frisch, dessen „Freundeskreis“in die Welt setzte, dass Ingeborg Bachmann sein Tagebuch gelesen und verbrannt habe, zu schreiben: „Ich verstehe jetzt auch, dass Sie weder auf meine Bitte hin, noch aus eigenem Antrieb etwas tun können, denn das Buch, der Mißbrauch eines Menschen, mit dem man fast fünf Jahre gelebt hat, als Studienobjekt, sind nicht ungeschehen zu machen“, so Alfred Oppel (am 11. November 64) an Max Frisch.
Asymmetrisch war diese Beziehung – je nach Perspektive in der einen oder anderen Form. Doch im Großen und Ganzen zeigt der Briefwechsel einen mal weinerlichen, mal gönnerhaften Frisch. Aus Frischs Notaten geht hervor, dass er Ingeborg Bachmann als Dichterin bewunderte. Seine anfänglichen Bekenntnisse sind getragen von einer Larmoyanz, die sich darin äußert, immer wieder zu bedauern, dass er im Vergleich zu ihr kein Genie sei.
Asymmetrische Beziehung
Bachmann las und korrigierte Frischs Manuskripte sorgsam, selbst nach der für sie so schmerzlichen Trennung gab sie ihm kritischen Input und zollte ihm Anerkennung: „Ich kann nur wiederholen, dass ich das Buch für grossartig halte, dass die Komposition sich eingestellt hat, um die mir bange war“, schrieb sie noch am 11. Dezember 1963 an Max Frisch.
Mit dem Argument, es handele sich dabei um „Weltliteratur“erfolgte nun nach über einem halben Jahrhundert diese Veröffentlichung, 'Zeugnis' ihrer intimen Beziehung – und zwar gegen den ausdrücklichen Wunsch beider. Große Literatur ist dieser Briefwechsel zweifellos, befanden sich die beiden doch im Zentrum eines europäischen Literaturkreises, der weit über die Gruppe 47 hinausging. Sie verkehrten mit Andersch, Böll, Golo Mann, Koeppen, Sartre, de Beauvoir, Robbe-Grillet, Vittorini und Pasolini.
Wiederholt hatten sich sowohl Bachmann als auch Frisch gegen eine Veröffentlichung dieses Schriftwechsels ausgesprochen. Von einer Veröffentlichung privater Briefwechsel ist abzusehen. Der Unterzeichnete will niemals eine Gesamtausgabe; (...)“, so Frisch in einer letztwilligen Verfügung Anfang März 1960. – „Sonst hoffe ich, seit dem 30. und 31. Dezember, dass nie etwas an einen anderen Menschen kommen wird, auch nicht an den Dir vertrautesten –, ich meine, dass dieser ganze Komplex, den ich nicht näher zu bezeichnen brauche, für immer in Deinem und meinem Schweigen aufgehoben ist“, so Ingeborg Bachmann am Ende der Beziehung.
Nun liegt dieser Wechsel offen und damit für jeden Leser auch die gegenseitigen Verwundungen: „Du hast Dich überall, wo Verehrung von einem Mann gekommen ist, als die unabhängige Frau ausgegeben“, wird ihr Frisch im Zuge der Trennung vorhalten und ihr gemäss dem Hörensagen unterstellen, sie habe sich der Gruppe 47 angeboten.
„In Rom sassest Du mir als ununterbrechbarer Vorwurf gegenüber“, schreibt der stolze Frisch, um irgendwann ihren Wert für seine Karriere einzugestehen: „Ingeborg, Du hast mir unendlich viel gebracht. (...) Wichtig ist gewesen, dass Du da gewesen bist. (...) Die Zeit mit Dir, Ingeborg, wird die grosse Zeit für mich gewesen sein“, so Frisch pathetisch in einem Brief im Mai 1962.
Unterhaltend und beklemmend
Der Briefwechsel ist unterhaltend und beklemmend. Man erhält Einblicke in die Gedankenwelt der beiden Schriftsteller – zwei komplizierte Charaktere –, die sich mit Selbstzweifeln plagten.
Die fiktionalisierte Verfilmung von Margarethe von Trotta, die auf der 73. Berlinale Premiere feierte und am vergangenen Samstag im Anschluss an die Preisvergabe erstmals in Lu
Der Briefwechsel zwischen Bachmann und Frisch wurde unter dem Titel „Wir haben es nicht gut gemacht“von Piper und Suhrkamp herausgebracht.