58 Fälle von Sterbehilfe in den vergangenen zwei Jahren
Laut der nationalen Kontrollkommission ist die Akzeptanz der Euthanasie in der Gesellschaft gewachsen, doch es sei noch mehr Aufklärung bei den Ärzten nötig
Die Zahl der Fälle von Euthanasie hat stark zugenommen: 58 unheilbar kranke Menschen haben in Luxemburg in den Jahren 2021 und 2022 die Möglichkeit der Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid in Anspruch genommen. Im Jahr 2022 waren es besonders viele, nämlich 34. Zum Vergleich: 2020 wurden 25 Fälle registriert, 2019 waren es 16, 2018 nur acht und 2017 elf. Seit 2009, dem Jahr, als das entsprechende Gesetz in Kraft trat, wurden 170 Fälle (101 Männer und 69 Frauen) gezählt. Dies geht aus dem Zweijahresbericht der Nationalen Kommission zur Kontrolle und Bewertung der Anwendung des Gesetzes vom 16. März 2009 über Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid hervor. Am Dienstag überreichte deren Präsident, Jean-Claude Wiwinius, den nunmehr siebten Bericht an Chamber-Präsident Fernand Etgen (DP) und den Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses Mars Di Bartolomeo (LSAP). Der Zweijahresbericht wird nun im Detail von der Gesundheitskommission der Chamber analysiert werden.
Mehr Aufklärung – weniger Tabus
Nie zuvor wurden so viele Fälle gezählt. „Es ist tatsächlich ein großer Sprung“, bestätigt Jean-Claude Wiwinius auf „Wort“Nachfrage. „Meiner Meinung nach beruht dieser Anstieg auf einer besseren Information, genau wie auf der Tatsache, dass die ganze Thematik mittlerweile weniger tabuisiert ist. Die Angst, sowohl in der Gesellschaft als auch bei den Ärzten, nimmt langsam, aber sicher ab“, erklärt er. Was die Ärzte anbelange, so sage er ganz bewusst „langsam, aber sicher“. Wie man auch den Empfehlungen im Bericht entnehmen könne, bestehe diesbezüglich noch Nachholbedarf. „Die Ärzte sowie das medizinische und paramedizinische Personal müssen noch besser informiert werden. Wenn ich ‚Information‘ sage, beziehe ich mich auch auf ihre Ausbildung, sei es auf Ebene der permanenten Weiterbildung oder während des Medizinstudiums“, erläutert der Präsident des Kontrollausschusses. Es bleibt anzumerken, dass kein Arzt gezwungen werden kann, Sterbehilfe zu leisten.
17 Männer und 17 Frauen haben im Jahr 2022 Sterbehilfe in Anspruch genommen, 2021 waren es 16 Männer und acht Frauen. Jeweils eine Person war im Jahr 2021 beziehungsweise 2022 zwischen 20 und 39 Jahren alt. Die überwiegende Mehrheit der Patienten waren zwischen 60 und 79 Jahren alt (insgesamt 17) oder über 80 (insgesamt 19). In zwölf Fällen waren neurodegenerative Erkrankungen der Grund, in acht eine neurovaskuläre Erkrankung, in einem Fall eine Systemerkrankung (eine Krankheit, die ein gesamtes Organsystem befällt) und in allen anderen Fällen lag ein Krebsleiden vor.
Acht Sterbehilfefälle wurden in Pflegeheimen durchgeführt, 23 in der Wohnung des Patienten, 24 in einer Krankenhauseinrichtung und drei an einem privaten Ort. In diesem Kontext bemerkt Jean-Jacques Wiwinius, dass nicht immer die richtigen Lokalitäten zur Verfügung stehen würden. „Wir empfehlen weiterhin, dass in Spitälern und Altersheimen ein spezieller Raum eingerichtet wird“, hält er fest.
Ein Fall ist dem Präsidenten der Kontrollkommission besonders in Erinnerung geblieben: „Eine todkranke Person musste das Krankenhaus verlassen, weil man dort nicht damit einverstanden war, dass der Arzt Sterbehilfe praktizieren würde“. Es sei jedoch nicht möglich gewesen, den Patienten in seine Wohnung zu bringen, sodass am Ende in der Garage Euthanasie hätte geleistet werden müssen. „Da sind wir weit entfernt von einem Sterben in Würde. Insofern wäre es wichtig, entsprechende Lokalitäten vorzusehen“, verdeutlicht er.
In ihrem Bericht bedauert die zuständige Kommission darüber hinaus, dass die CNS nach wie vor und trotz verschiedener Aufforderungen keine Tarife für Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid eingeführt habe.
Keine Fälle von Missbrauch bekannt
Was die 58 durchgeführten Euthanasien anbelangt, so hätte alles seine Richtigkeit gehabt, bestätigt der Präsident der Kontrollkommission: „Da gibt es nichts zu beanstanden. In den zwei Jahren, in denen ich Präsident bin, hat sich nie die Frage nach einem möglichen Missbrauch gestellt. Die Ärztekammer musste sich mit keinem Dossier befassen, keines musste an die Staatsanwaltschaft weitergereicht werden. Diese Angst, dass etwas gegen den Willen eines Patienten passiert, ist absolut nicht begründet. Die Bedenken, die es am Anfang gab, wurden nicht bestätigt“, unterstreicht er im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“.
Diese Sorge sei heute viel weniger verbreitet, da die Akzeptanz in der Gesellschaft gewachsen sei. Dies würde letztlich auch die steigende Zahl an Verfügungen zum Lebensende (Dispositions de fin de vie) bestätigen, die bei der Kontrollkommission eingehen: Inzwischen sind es über 4.700. „Auch das beweist, dass es da weit weniger Tabus gibt“, sagt Wiwinius.
Am 5. Februar 2002 hatten die beiden Abgeordneten Lydie Err (LSAP) und Jean Huss (Déi Gréng) mit ihrem Gesetzesvorschlag 4909 zum Recht auf Sterben in Würde den Grundstein gelegt. Sechs Jahre später, am 19. Februar 2008, wurde das Gesetz in erster Lesung verabschiedet. Eine knappe Mehrheit hatte nach einer äußerst kontroversen und emotionsgeladenen Debatte dafür gestimmt (30 Ja-Stimmen, 26 NeinStimmen, drei Enthaltungen). Der Fraktionszwang war aufgehoben worden.
In Erinnerung geblieben ist auch die institutionelle Krise, die dem Land beinahe drohte, als Großherzog Henri sich weigerte, das von den Volksvertretern verabschiedete Gesetz gutzuheißen, was zu einer Verfassungsänderung führte, um dem Staatschef diese Macht zu entziehen. Am 16. März 2009 trat das Euthanasie-Gesetz schließlich in Kraft. Hauptpunkt ist die Entkriminalisierung der Sterbehilfe, die an strenge Bedingungen gebunden ist.
Die Angst, sowohl in der Gesellschaft als auch bei den Ärzten, nimmt langsam, aber sicher ab. Jean-Claude Wiwinius, Präsident der Nationalen Kontrollkommission