Ivan Lipynskyi will wieder nach Hause
Der 31-jährige Ukrainer hat gegen Russland gekämpft. Dabei hätte er fast ein Bein verloren. In einem Rehabilitationszentrum in Lettland, das Großherzog Henri besuchte, ist er wie auch andere auf dem Weg der Besserung
„Im April kann ich endlich wieder in die Ukraine zurückkehren.“Ivan Lipynskyi will seine Freude über die Rückkehr in die Heimat niemandem vorenthalten. Erst richtet er schüchtern seinen Blick auf den kahlen, grauen Linoleum-Boden, immer wieder fasst er seine breite Wunde am Unterarm an – plötzlich schaut er zu den Journalisten herauf, die am Tag des Besuchs von Großherzog Henri im Rehazentrum präsent sind. Und lächelt. Seit einem Jahr hat der 31-Jährige seine Familie nicht mehr gesehen. Im fast 1.000 Kilometer von der lettischen Hauptstadt Riga entfernten Browary, einem Vorort Kiews, hat er alles zurückgelassen. Der Grund dafür: Ivan hat im Krieg gegen den russischen Aggressor gekämpft, „um meine Familie, meine Kinder zu schützen“, wie er sagt.
Die Erzählung seiner persönlichen Geschichte wirkt allerdings wie eine mechanische Auflistung. Gefühlslos, fast unberührt von der Härte der Realität, fängt er an zu erzählen, wie es dazu kam, dass er heute im Rehabilitationszentrum Vaivari im 30 Minuten von Riga entfernten Jurmala am Rande des rigaischen Meerbusen in Behandlung ist. Er gibt eine Kurzversion – im März: Training beim Militär. Im Sommer: eine Kriegsverletzung. Dann die Operation. Jetzt die Behandlung im Rehabilitationszentrum Vaivari.
„Weiß noch nicht, ob ich wieder kämpfen muss“
„Dieses Jahr im Januar habe ich meine ersten Schritte gemacht“, erzählt Ivan diesmal stolz. Auch jetzt leuchten seine Augen wieder. Für ihn waren die ersten Schritte nach seiner schweren Verletzung ein persönliches Erfolgserlebnis. „Ich musste mehrere Monate im Bett liegen und nichts machen. Deswegen waren die ersten Schritte so besonders für mich.“Jetzt, wo er wieder gehen kann, ist es sein Wunsch, seine Familie wiederzusehen. Dass in seinem Heimatort weiterhin der brutale Angriffskrieg Russlands wütet, erwähnt er nicht. Nur das Wiedersehen mit der Familie zählt für ihn.
Alle Familienmitglieder wird er jedoch nicht wiedersehen können. Ein Cousin seiner Ehefrau kämpft weiterhin an der Kriegsfront. Ob Ivan selbst wieder ins Militär einberufen wird, ist noch unklar. „Ich weiß noch nicht, ob ich wieder kämpfen muss, wenn ich wieder dort bin. Vielleicht werde ich auch bloß Papierkram erledigen.“
Auch wenn Ivan heute wieder normal gehen kann: Seine Verletzung hätte ihn fast sein Bein gekostet. Ärzte in der Ukraine hätten es mit einer Operation gerade noch gerettet. Im Rehabilitationszentrum lernt er nun, mit den Folgen der Verletzung umzugehen. Wie 28 andere verletzte ukrainische Soldaten, die dort zurzeit untergekommen sind.
Tragische Schicksalsschläge: „Der Mann hat beide Arme verloren, die Frau ihre Beine“
Inese Svarka, Leiterin der medizinischen Abteilung im Rehabilitationszentrum, kennt die Schicksalsschläge der Soldaten hier in Jurmala genau. „Sie sind alle traumatisiert“, beteuert sie. Nicht nur Ivan, sondern alle ihre ukrainischen Patienten würden an einer posttraumatischen Störung wegen ihrer Kriegserfahrungen leiden. „Dadurch gibt es hier auch Probleme mit Abhängigkeit: meistens Drogen oder Alkohol, um mit dem Trauma klarzukommen.“
Andere hätten alles verloren und würden nach ihrer Zeit in Lettland nicht weiter wissen. Denn das, was sie in der Ukraine zurückgelassen haben, gibt es heute nicht mehr. „Hier war einmal ein Paar aus Mariupol, der Mann hat beide Arme verloren, seine Frau ihre zwei Beine. Ihre siebenjährige Tochter haben sie auch verloren. Sie sind also länger bei uns geblieben. Es war eine tragische Geschichte.“
Als Svarka den Schicksalsschlag des Ehepaares erzählt, muss sie kurz innehalten. „Entschuldigung“, schluchzt die Leiterin. Es ist nicht einfach für sie, die Leiden ihrer Patienten wiederzugeben. Auch wenn die meisten von ihnen im Durchschnitt bis zu drei Mona
Ich weiß noch nicht, ob ich wieder kämpfen muss, wenn ich wieder dort bin. Ivan Lipynskyi, Patient im Rehabilitationszentrum Vaivari