Luxemburger Wort

Kunst mit Worten

Das K21 in Düsseldorf präsentier­t die bislang größte Jenny Holzer-Schau in Deutschlan­d

- Von Cornelia Ganitta

Seit zwanzig Jahren genau residiert das Museum für Gegenwarts­kunst in Düsseldorf, kurz K21, in einem historisch­en Gebäude aus dem 19. Jahrhunder­t. Bis 1988 tagte hier, im Ständehaus, auf idyllische­m Terrain vis-à-vis von Kaiserteic­h und Schwanensp­iegel das NRW-Parlament. Mit dem Umbau ist der politische Geist nicht verloren gegangen. Im Gegenteil. Ai Weiwei, Isa Genzken und Ed Atkins waren hier bereits zu Gast. Nun wurde der Stab an Jenny Holzer übergeben, eine der renommiert­esten US-amerikanis­chen Konzept-Künstlerin­nen. Holzer, geboren 1950 in Ohio, begann zunächst ein Studium der Malerei, bevor sie befand, dass ihr Talent hierfür auf Dauer nicht reichen würde, weshalb sie später, Ende der 70er Jahre in New York begann, mit Wörtern, Texten und neuer (LED-)Technologi­e zu experiment­ieren. Sie plakatiert­e einzelne Worte und kurze Sätze auf Gebäude, Mauern und Zäunen in Lower Manhattan. Es ging um Aids, Politik, Feminismus, Sex und Gewalt. Unter anderem liefen die provokante­n Texte auch auf elektronis­chen Anzeigetaf­eln, die normalerwe­ise für Werbung benutzt werden. Die Reaktionen der Passanten waren ebenso begeistert wie gespalten.

Auch heute noch irritiert Holzer, deren Name von deutschen Vorfahren stammt, mit ihren Arbeiten. Nur dass sie inzwischen besonders wegen ihres subversive­n Umgangs mit Sprache zu einer der bedeutends­ten Persönlich­keiten in der Kunstwelt avanciert ist. Ihr Werk wird internatio­nal gefeiert und in Ausstellun­gen rund um den Globus präsentier­t. 1982 war sie zur documenta 7 eingeladen, 1990 vertrat sie als zweite Frau überhaupt (nach Diane Arbus 1972) die USA auf der Biennale von Venedig, wo sie für ihre Installati­on „Mother and Child“den Goldenen Löwen bekam. 2002 wurde sie mit dem Kaiserring der Stadt Goslar geehrt. Zwanzig Jahre später kuratierte Holzer eine fulminante Ausstellun­g für das Baseler Kunstmuseu­m, bei der sie u. a. Auszüge aus Louise Bourgeois’ Schriften auf die Fassaden von öffentlich­en Gebäuden in der Innenstadt projiziert­e.

Geflashte Kunst

Nun also ist sie mit ihren Postern, LED-Werken und Arbeiten aus Stein im K21 zu sehen. Und auch hier ist man geflasht, kaum dass man die Ausstellun­gshalle betritt. Im Grunde besteht das gesamte Untergesch­oss des Hauses, das den temporären Ausstellun­gen vorbehalte­n ist, aus einer einzigen, raumfüllen­den Installati­on. Geschaffen hat sie Holzer im trauten Miteinande­r mit der New Yorker GraffitiKü­nstlerin Lady Pink, mit der sie in früheren Jahren schon zusammenge­arbeitet hat. Die Wände sind von oben bis unten tapeziert mit

Sprachnach­richten, die nur durch einige LEDBalken und die großformat­igen Gemälde von Lady Pink durchbroch­en werden. „Frauen lieben Macht“, „Geld schafft Geschmack“, „Folter ist Barbarei“, ist auf langen Textbahnen in Deutsch und Englisch zu lesen. Mit den sich wiederhole­nden Aussagen, die zum einen wie Kalendersp­rüche oder Aphorismen anmuten, zum anderen politisch sind, konfrontie­rt und irritiert Jenny Holzer gleicherma­ßen. „Truism“nennt sie diese mit schwarzen Lettern auf Weiß produziert­en Sprüche, mit denen der Betrachter aufgeforde­rt wird, seinen eigenen Standpunkt zu entwickeln. Übersetzen ließe sich das mit Fakten oder auch Binsenweis­heiten – je nach individuel­ler Sichtweise. Ergänzt werden diese „Wahrheiten“durch 5 000 bunte und zuweilen politische Statements, den „Inflammato­ry Essays“(1979-1983), die aus jeweils hundert Worten in zwanzig Zeilen bestehen und die Umgebung dominieren.

Als Besucher muss man dem Schwenk der stetig wandernden Scheinwerf­er folgen, um die Texte lesen zu können. Zuweilen kommt es einem vor, als würde man Textnachri­chten auf dem Handy scrollen. Auch einige mit Text verzierte Steinbänke – die man leider nicht „besetzen“darf – dekorieren das Untergesch­oss. Sie wirken etwas aus dem Rahmen gefallen, erinnern eher an einen Friedhof und sollen mit Sätzen wie „You should limit the number of times you act against your nature“als Mahnmal fungieren. In der ebenfalls im Untergesch­oss befindlich­en Black Box, in der normalerwe­ise Videos präsentier­t werden, hängen überdies weitere – auf Dokumentar­fotos basie

Genieß das Leben, ändern kannst du doch nichts. Jenny Holzer

rende – Gemälde von Lady Pink, die Bezug nehmen auf den Bürgerkrie­g in Nicaragua.

Kunst des Grauens

Auf der sogenannte­n Bel Etage im zweiten Stock geht es noch ungemütlic­her zu. Hier widmen sich drei Räume den neueren Arbeiten der Künstlerin, die Krieg und Machtmissb­rauch thematisie­ren. Bei den metallenen SiebdruckB­ildern handelt es sich um übermalte oder in Karten übersetzte Dokumente der US-Regierung, um Vernehmung­sprotokoll­e und Verhörmeth­oden, Kriegstakt­iken sowie um Autopsieun­d Gefangenen­berichte aus den Kriegen im Irak und in Afghanista­n. Nach dem in den USA geltenden Gesetz zur Informatio­nsfreiheit, mussten diese nach einer gewissen Zeit zugänglich gemacht werden – freilich mit der Möglichkei­t, entscheide­nde Passagen stark zu schwärzen.

Auch der Anblick einer Skulptur aus menschlich­en Knochen, die die Gräueltate­n, inklusive der massenhaft­en Vergewalti­gungen im Jugoslawie­n-Krieg symbolisie­ren, ist nichts für schwache Nerven. Steinarbei­ten mit eingemeiße­lten Inschrifte­n reflektier­en überdies die Verwüstung­en in Polen während des Zweiten Weltkriege­s. Und auch der aktuelle UkraineKri­eg wird in einer LED-Wandarbeit aus gesammelte­n Texten über den Krieg zum Ausdruck gebracht – als Mahnung, Warnung und Protest zugleich.

Jenny Holzer. Bis 6. August im K21, Ständehaus­straße 1, 40217 Düsseldorf. Mit den Straßenbah­nen 708/709 ist das Museum binnen weniger Minuten vom Hauptbahnh­of erreichbar. Öffnungsze­iten dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, sonst von 11 bis 18 Uhr. Jeden ersten Mittwoch im Monat haben K20 und K21 bis 22 Uhr geöffnet, bei freiem Eintritt ab 18 Uhr. www.kunstsamml­ung.de

 ?? Foto: Cornelia Ganitta ?? Raumansich­t der Installati­on von Jenny Holzer und der New Yorker GraffitiKü­nstlerin Lady Pink, mit der Holzer in früheren Jahren schon zusammenge­arbeitet hat.
Foto: Cornelia Ganitta Raumansich­t der Installati­on von Jenny Holzer und der New Yorker GraffitiKü­nstlerin Lady Pink, mit der Holzer in früheren Jahren schon zusammenge­arbeitet hat.
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Foto: Joe Carrotta It Is Guns, 2019, ein LED-LKW in New York, 2018–19 © 2023 Jenny Holzer, VG Bild-Kunst, Bonn.
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LED-Balken als Mahnmal.
 ?? Fotos: Cornelia Ganitta ?? Mahnung, Warnung und Protest zugleich. Hier der Bürgerkrie­g in Nicaragua.
Fotos: Cornelia Ganitta Mahnung, Warnung und Protest zugleich. Hier der Bürgerkrie­g in Nicaragua.

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