Luxemburgs Gesellschaft steht am Pranger
Frank Hoffmann inszeniert „Café Terminus“im Nationaltheater. Ein klischeehaftes Stück, das zwar anwidert, doch letztlich Denkanstöße liefert
„Ass dach schäissegal, mir wëllen eis besaufen!“Dieser Satz fällt nicht nur unzählige Male in Frank Hoffmanns klamaukigem, karikaturhaftem „Café Terminus“. Vielmehr wird diese Aussage zum Motto der im Théâtre National du Luxembourg aktuell laufenden Inszenierung. Sie stellt das kleinbürgerliche Luxemburg und seine Einwohner, die wie mit Scheuklappen durchs Leben laufen, an den Pranger.
Das, mit Pause, fast dreistündige Stück, zeichnet ein dystopisches und satirisches Bild des Großherzogtums und den klischeehaften Luxemburgern, die sich und ihren Wohlstand für unantastbar halten – immerhin leben sie auf einer kleinen Insel im Herzen Europas.
Wir schreiben das Jahr 2039, Luxemburg feiert 200 Jahre Unabhängigkeit. Doch im Land herrscht Krieg oder besser gesagt „Krise“, denn so etwas wie Krieg kann es im Großherzogtum ja nicht geben.
In einer Spelunke, in der ein Schnaps dank Inflation schlappe 350 Euro kostet, haben sich zwölf verlorene Seelen zurückgezogen und wollen von dem Geschehen da draußen gar nichts mitbekommen. Sie alle suhlen sich im titelgebenden „Café Terminus“in Selbstmitleid, sind beschäftigt mit ihren eigenen Problemen. Das Einzige, was dagegen hilft, ist Alkohol – „Himmel, Aasch ...“, wie der Kneipenbesitzer Hary (Marco Lorenzini) sagen würde. Ein Haufen Besoffener, die an der Endstation ihres Lebens angelangt sind.
Sexismus und Rassismus
„Café Terminus“bewegt sich zwischen ungenügend politischem Kabarett und schlechtem, vulgärem Dorftheater. Die Hauptmerkmale des Stücks sind sexistische sowie ausländerfeindliche Witze und Bemerkungen. „Schäiss Frontalieren“und „Du domm Houer“sind nur einige der Aussagen. So muss das Publikum etwa auch mitansehen, wie der Musiker Pitt, gespielt von Serge Tonnar, der sich mit seiner Rolle eigentlich selbst gekonnt auf die Schippe nimmt, die Portugiesin Lina (Hana Sofia Lopes) auf rassistische Weise sexualisiert. Die Figuren sind genauso stereotyp und mit Klischees besetzt wie das Stück selbst.
Schlechte Witze, in denen unter anderem luxemburgische Aussagen ins Französische übersetzt werden, sorgen für Kopfschütteln. „Huet een däin Evelyn kal gemaach? Est-ce que quelq’un a refroidit ton Evelyn?“, fragt Hary seinen französischsprachigen Freund Theo (François Camus).
Luxemburg den Spiegel vorhalten
Vieles wirkt geschmacklos und daneben, doch – und genau das ist der Punkt – hat eigentlich bei jedem dieser Scherze, der halbe Saal lauthals gelacht. Ein Lachen mit bitterem Beigeschmack? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Und sagt das dann nicht mehr über unsere Gesellschaft als über das Stück aus?
Wenn Frank Hoffmanns Intention tatsächlich darin liegt, den Bilderbuch-Luxemburger vorzuführen, der klischeehaften Luxemburger Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, dann ist dem Regisseur das definitiv gelungen. Mehrmals werden alte Luxemburger Lieder, wie man sie auch aus luxemburgischen Studentenvereinen kennt, angestimmt. Ironisch und plakativ zugleich. Dass viele dieser Strophen heute nicht mehr angebracht sind, das bewies auch die Diskussion, die das „ACEL Lidderbuch“der luxemburgischen Studentenvertretung vor zwei Jahren auslöste.
Zugegeben, die mehrstündige Inszenierung wird beinahe zur Tortur. Eigentlich würde man sich am liebsten zu den Schauspielenden an den Tisch setzen und mittrinken. Wagt man doch eine Interpretation, die über den Horizont dieser Inszenierung hinausgeht, so bleibt „Café Terminus“immer noch ein trashiges Stück; das aber eben auf wohlüberlegte Art und Weise.
Parodie mit imposantem Bühnenbild
Hoffmann, beziehungsweise seine Figuren, nehmen kein Blatt vor den Mund und scheuen sich auch nicht davor, die Luxemburger Regierung und deren Politiker auf den Arm zu nehmen. „D’Suen vum Kulturministère leien jo op der Strooss“, albern die beiden Kulturschaffenden Pitt und Louis Lang (Adrien Papritz) herum.
Philippe Thelen, der einen im Alkohol versunkenen, früheren Jurastudenten verkörpert, trägt dabei das Stück. Er sticht nicht nur als Figur, sondern auch als Schauspieler besonders hervor. Aber auch Nora Koenig, die die Prostituierte Cora spielt, weiß in ihrer Rolle zu überzeugen.
Beeindruckend ist in erster Linie das imposante und detailreiche Bühnenbild (Jasna Bosnjak), das sich sogar auf das Foyer des TNL ausweitet. LED-Röhren zieren die Wände, schäbige Tische und Stühle sind auf der Bühne verteilt. Eine gut ausgestattete Bar rundet das Ganze ab.
Zwischendrin gibt es einige Musikeinlagen, unter anderem von Serge Tonnar und auch mit „Chansons françaises“wie „Les lacs du Connemara“, die gerne mal in typischen Luxemburger Kneipen und auf Feiern gespielt werden, wird nicht gespart.
„Café Terminus“wird damit zu einer etwas langatmigen Parodie der Luxemburger Gesellschaft. Weniger Klischees und platter Humor hätten dem Stück jedoch gutgetan.
Ein Lachen mit bitterem Beigeschmack? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Und sagt das dann nicht mehr über unsere Gesellschaft als über das Stück aus?
Das Stück läuft noch am 23., 24. und 25. März jeweils um 20 Uhr im Théâtre National du Luxembourg. Weitere Informationen und Karten unter:
tnl.lu luxembourg-ticket.lu
banesen 1982. Ein Jahr später kam Tochter Lolita zur Welt, 1986 Lorenzo und 1997 Angelo. Mit ihrem heute 72 Jahre alten Mann drehte sie den Thriller „Milan noir“.
Wie und warum sie zur Schauspielerei kam, wisse sie nicht mehr, sagte sie im Interview mit „L’Officiel“. Aber der Wunsch sei früh schon da gewesen. Sie möge die Schauspielerei, weil diese der Fantasie Raum gebe, erzählte sie weiter. Und weil sie für sie eine Notwendigkeit sei. Und so nahm sie bereits als 14-Jährige Schauspielunterricht.
Immer brillant
Huppert begann ihre Karriere Anfang der 1970er-Jahre. Bereits in ihren ersten Rollen zeichnete sie sich durch diese sehr persönliche Mischung aus Unverfrorenheit und Distanz, aus Wagnis und Unschuld, aus Kälte und Sinnlichkeit aus. So spielte sie in „Monsieur Dupont“eine junge Camperin, die vergewaltigt und ermordet wird, in „Aloïse“eine geisteskranke Frau, die in der Psychiatrie beginnt zu schreiben und zu malen.
Ihre erste große Rolle bot ihr 1977 Claude Goretta in „La Dentellière“, eine Geschichte über eine junge Frisörin, die interniert wird. International bekannt machte sie Claude Chabrol mit „Violette Nozière“. Der Film über eine Teenagerin, die sich prostituiert, brachte ihr 1978 in Cannes den
Darstellerpreis ein. Da war sie gerade mal 25 Jahre alt.
Ihr 2010 verstorbener Landsmann Chabrol hat ihr weitere bedeutende Filmrollen geboten. Mal verschlagen, mal hochmütig, doch immer brillant, gleich ob als eine Frau, die Abtreibungen durchführt, in „Une affaire de femmes“, als „Madame Bovary“oder als kriminelle Postbeamtin in „La cérémonie“. Gelegentlich drehte sie auch Komödien, darunter „8 femmes“, „Les soeurs fâchées“und „Copacabana“.
Von Tavernier bis Chabrol, von Godard bis Ozon und Chéreau, von Marco Ferreri bis Andrzej Wajda und Michael Haneke, von David O'Russell und Wes Anderson bis Paul Verhoeven: Huppert hat mit den größten Regisseuren gedreht. Auf der Theaterbühne arbeitete sie unter anderen mit Peter Zadek, Bob Wilson oder Yasmina Reza.
Mit Preisen als beste Darstellerin wurde sie überhäuft: Zweimal erhielt sie den französischen César, außerdem den Silbernen Bären der Berlinale, in Cannes wurde sie für „Violette Nozière“und „La pianiste“ausgezeichnet, den Golden Globe und eine OscarNominierung erhielt sie jeweils für „Elle“.
Schmal, blass und nur 1,52 groß: Ihre zerbrechliche Erscheinung steht im Kontrast zu ihrer Willenskraft. Sie habe schon sehr früh gewusst, welche Rolle sie in ihrem eigenen Leben spielen wollte, sagte sie dem Modemagazin „Madame Figaro“: die einer Frau, die entscheidet, sich selbst verwirklicht und die Erste sein will. dpa