„Es ist besser, vor der eigenen Haustür zu kehren“
FLH-Präsident Romain Schockmel ärgert sich über einzelne Spieler und spricht über die Trennung von Handball-Nationaltrainer Nikola Malesevic
Zwei Tage nach der ernüchternden Niederlage der Luxemburger Handball-Nationalmannschaft der Männer in der Türkei (20:31) kam der Verwaltungsrat des Handballverbands am Dienstagabend zusammen, um die Auftritte des FLHTeams in der laufenden EM-Qualifikationskampagne zu besprechen. Die Zahlen sind eindeutig: kein Punkt aus vier Partien. 93:131 Tore. Und vor allem: zwei Niederlagen gegen die Türkei, ein Gegner, der im Vorfeld in etwa auf Augenhöhe eingeschätzt worden war.
„Alle Umstände wurden analysiert und diskutiert. Unser Ziel, den dritten Platz in der Gruppe zu erreichen, wurde klar verfehlt“, heißt es in einem Schreiben der FLH. „Die Leistungen waren nicht ausreichend, auch wenn das Potenzial in der Mannschaft durchaus vorhanden ist. Dies führt zu einer allgemeinen Unzufriedenheit“, schreibt der Handballverband weiter.
Eine Reaktion blieb dementsprechend nicht aus: Der FLH-Verwaltungsrat beschloss einstimmig, dass Nikola Malesevic nach fünfjähriger Amtszeit mit sofortiger Wirkung von seiner Aufgabe als Nationaltrainer entbunden wird. Co-Trainer Alexandre Scheubel ereilte das gleiche Schicksal.
Handschke übernimmt vorläufig
FLH-Präsident Romain Schockmel erklärt im Gespräch, warum dieser Schritt unumgänglich war. „Es handelt sich nicht um eine Kurzschlussreaktion als Folge der Klatsche in der Türkei. Viel eher macht uns die Entwicklung der vergangenen Monate Sorgen. Ich will ganz klar betonen, dass Malesevic nicht alles falsch gemacht hat – ganz und gar nicht. Allerdings sind die Resultate halt eindeutig. Es gibt wenig Interpretationsspielraum. Es musste etwas passieren. Ein klares Konzept mit Lösungsvorschlägen fehlte.“Und der hauptberufliche Chirurg ergänzt: „Das Team agiert unterhalb seines eigentlichen Niveaus. Die Mannschaft kann mehr. Ich weiß das, weil ich es schon gesehen habe.“
Den Kontrakt des Sportdirektors Maik Handschke hat die FLH hingegen um vier Jahre verlängert. Der Deutsche übernimmt vorläufig, ähnlich wie bereits einmal 2017, das Amt des Nationaltrainers, bis ein geeigneter Nachfolger von Malesevic gefunden ist. Bei den beiden verbleibenden EM-Qualifikationsduellen in der Coque gegen Nordmazedonien (26. April) und auswärts in Portugal (30. April) wird Handschke das Team coachen.
„Maik hat sofort zugesagt. Er kennt das Team. Jetzt unbedingt mit dem Brecheisen rasch einen neuen Trainer zu präsentieren, ergibt keinen Sinn. Maik hat eine klare Spielidee. Sein Konzept überzeugt. Er wird die Nationalspieler sicherlich auch ein bisschen wachrütteln. Manche können das gebrauchen“, verrät Schockmel. Der medizinische Direktor des Escher Centre Hospitalier Emile Mayrisch (CHEM) ist in einem Punkt ganz klar: „Es wird auf lange Sicht keine Doppelfunktion Trainer/Sportdirektor geben. Dies war in den Gesprächen im Verwaltungsrat kein Thema.“
Die FLH und Sportdirektor Handschke wollen in naher Zukunft ein Anforderungsprofil entwickeln, um im Hinblick auf die nächste Saison einen neuen Nationaltrainer zu engagieren.
Diskutiert wurde am Dienstagabend viel. Die Reise in die Türkei und der dortige Auftritt ist Schockmel übel aufgestoßen: „Die Organisation der Reise war nicht optimal. Bei einigen Dingen waren wir jedoch machtlos. Wenn die Fluggesellschaft Änderungen vornimmt, sind uns die Hände gebunden. Wir können das dennoch anders machen. Wir werden nachbessern. Es haben sich Leute gemeldet, die im Verwaltungsrat helfen wollen. Es gibt aktuell vier offene Stellen. Jeder, der dem Handball in Luxemburg unter die Arme greifen möchte, ist willkommen.“
Schockmel ärgern Aussagen einzelner Akteure, ohne Namen zu nennen. „Provokante Aussagen helfen niemandem weiter. Es ist besser, vor der eigenen Haustür zu kehren. Oder anders ausgedrückt: Wenn ich mich auf der Autobahn über 100 Geisterfahrer beschwere, muss ich mich fragen, ob ich nicht der Falschfahrer bin. Ich weiß, was die Nationalspieler können. Die Diskrepanz zwischen ihrem Potenzial und ihrer Leistung gegen die Türkei war enorm. Ich kann nicht verstehen, wie man nach dem Aufstehen das Handballspielen verlernt haben kann. Ja, die letzten Auftritte haben mich enttäuscht.“
„Wir erfinden das Rad nicht neu“
Interessant ist ein weiterer Punkt auf der FLH-Agenda: In Kürze soll es ein Treffen mit den Vorsitzenden der Clubs geben. Denn „auch die Vereine müssen sich gegenüber der Nationalmannschaft klar positionieren“. Schockmel gestattet einen Einblick in seine Gedanken: „Wir erfinden das Rad nicht neu, können uns aber beispielsweise etwas von den Färöer abschauen. Deren Nationalmannschaft hat zuletzt eine rasante Entwicklung genommen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob hier im Land jeder Verein weiterhin seine eigene Philosophie verfolgen sollte. Darunter leidet notgedrungen die Nationalmannschaft. Oder ob wir alle an einem Strang ziehen und das FLH-Team gemeinsam voranbringen wollen. Das muss für alle klar sein.“
Schockmel sagt ebenfalls: „Wir müssen alles dafür zu tun, das Niveau des Nachwuchses anzuheben und die Jugendspieler zu fördern. In meinen Augen ist eine Ausländerklausel nicht der richtige Weg. Eine strikte Limitation wäre falsch. Wir haben als Verband Ideen und wollen diese den Clubs unterbreiten. Eines ist sicher: Der Verwaltungsrat wird nicht eigenhändig irgendwelche Entscheidungen treffen. Die Konsultation mit den Vereinen ist wichtig.“
Bis dahin kann sich Handschke als Interimstrainer der FLH-Männer beweisen. Ob es dem 56-Jährigen gelingt, neues Feuer in der Nationalmannschaft zu entfachen, wird sich spätestens in einem Monat in der Coque zeigen.
Wenn ich mich auf der Autobahn über 100 Geisterfahrer beschwere, muss ich mich fragen, ob ich nicht selbst der Falschfahrer bin. Romain Schockmel, Präsident der FLH