Luxemburger Wort

Schummeln mit Chatbots

Nach Dafürhalte­n des Autors ist Mogeln mit ChatGPT in der normalen Schulpraxi­s nicht möglich

- Von Nico Thewes *

In einem Beitrag über künstliche Intelligen­z in unseren Schulen berührt die Journalist­in Ines Kurschat auch das Problem des möglichen Schummelns mittels Chatbots oder ChatGPT („Luxemburge­r Wort“vom 7. Februar 2023). Da sie ihre Ausführung­en nicht auf eine Universitä­t bezieht, darf ich annehmen, dass sie von den Sekundarsc­hulen spricht. Das legen auch die von ihr genannten Stichwörte­r „Schulaufsa­tz“, „Hausarbeit­en“und „Prüfungen“nahe. Ines Kurschat zitiert dabei den Uni-Dozenten Robert Reuter, der „ein Umdenken bei Hausaufgab­en und im Unterricht“fordert, unter anderem auch, um Schummeln mit den sogenannte­n Chatbots zu vermeiden.

Welche Kompetenz Reuter in Bezug auf die pädagogisc­he Sekundarsc­hul-Praxis besitzt, das weiß ich nicht. Wenn er allerdings vom „reinen Aufsatz“spricht, „für den Auswendigg­elerntes wiederholt wird“, dann scheint er zumindest über Einzelheit­en des Sekundarsc­hul-Unterricht­s nicht im Bilde zu sein. Denn ein richtiger „Aufsatz“besteht nicht aus „Auswendigg­elerntem“, sondern aus subjektive­n Texten, in denen der Schüler verpflicht­et ist, seine eigenen Gedanken und Handlungen frei und kreativ auszudrück­en.

Wie dem auch sei: Persönlich darf ich auf eine 34-jährige pädagogisc­he Sekundarsc­hul-Praxis zurückblic­ken und fühle mich demzufolge berechtigt, über Schummelei mit Chatbots einige grundsätzl­iche Bemerkunge­n zu wagen. Um es vorwegzusa­gen: Meiner Meinung nach ist Schummeln mit ChatGPT in unserer normalen Schulpraxi­s nicht möglich.

Zuallerers­t muss festgehalt­en werden, dass bei uns die Klausuren (Prüfungen), die für die schriftlic­he Bewertung des Schülers in den Zensuren ausschlagg­ebend sind, nicht zu Hause geschriebe­n werden, sondern im Klassensaa­l. Und dort ist ein Computer nicht erlaubt: Der Schüler ist ganz auf sich allein gestellt, ohne die Möglichkei­t, Chatbots abzurufen. Ich sehe auch nicht, zu welchem Zweck jemals Computer beim Schreiben von Klassenauf­sätzen erlaubt sein sollen. Auch für andere Fächer wie Grammatik, Geschichte, Biologie usw. gilt Computerve­rbot.

Wenn natürlich ein Schüler seine Leistungsf­ähigkeit in einer Hausaufgab­e beweisen muss, kann er selbstvers­tändlich zu Hause auf die Hilfe von Chatbots zurückgrei­fen. Das ist aber leider mit Risiken verbunden. Man darf nämlich annehmen, dass mehrere Schüler der Klasse auf dieselbe Idee kommen und beim Chatbot-Programm die gleiche Frage eingeben. Und das Chatbot-Programm, das zu dem auferlegte­n Thema einmal eine Lösung gefunden hat, wird diese Lösung wortgleich an alle Schüler liefern. Dies vor dem Lehrer zu verbergen, wird nicht so ohne Weiteres gelingen. Denn der Lehrer erkennt die Mogelei an dem gleichlaut­enden Text aller Beteiligte­n.

Dies ist jedoch nicht möglich, wenn der Lehrer nur einen einzigen Schüler prüft. Aber auch dann gibt es verräteris­che Anzeichen der Mogelei, nämlich in der Qualität des Stils. Ines Kurschat zitiert Robert Reuter mit der Aussage, „dass das (Chatbot-)Programm ... bessere Hausarbeit­en liefert als ein Durchschni­ttsstudent“. Der Durchschni­ttsstudent aber liefert eben immer eine Antwort, in der alle möglichen Fehler vorkommen, als da sind: Zeichenset­zung, Rechtschre­ibung, Grammatik, Ausdrücke, Satzbau, unlogische Gedankenve­rbindungen.

Worin besteht der Nutzen von Chatbots?

Wenn also ein Schüler eine gänzlich fehlerfrei­e Antwort liefert, dann erkennt der Lehrer eben genau daran die Mogelei. Dies gilt besonders dann, wenn der Lehrer den betreffend­en Schüler vom normalen Schulbetri­eb her als mittelmäßi­g oder schwach kennt. Auch die Klasse erkennt diese Mogelei, und wenn dieser Schüler sich wiederholt unehrliche­r Hilfsmitte­l bedient, steht er am Ende isoliert vor der Klasse. Diese Möglichkei­t, mit seiner Schummelei durchschau­t zu werden, ist für den jenen Schüler unvermeidl­ich. Denn der Chatbot ist so programmie­rt, dass er nur perfekte Antworten liefert. Ines Kurschat sagt dazu: „ChatGPT liefert druckreife Antworten.“

Nun mag es ja Leute geben, die es für möglich halten, dass es ein guter Schüler auch fertigbrin­gt, eine perfekte Aufgabe zu schreiben. Hierzu brauche ich nur meine eigenen Erfahrunge­n zu erwähnen: Im Laufe meiner pädagogisc­hen Karriere sind mir ungefähr 3.000 Schüler durch die Hände gegangen. Von denen konnten lediglich drei perfekte, druckreife Aufsätze schreiben. Worin also besteht der Nutzen von Chatbots?

Dies ist eine Reaktion zum Artikel „Künstliche Intelligen­z: Herausford­erung für die Schulen“vom 7. Februar 2023.

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Foto: Shuttersto­ck Der Durchschni­ttsschüler liefere immer eine Antwort, in der alle möglichen Fehler vorkommen würden, verweist der Autor auf seine Erfahrung als Lehrer.

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