„Wir sind hier nicht in Chicago“
Bei einer Schlägerei fallen 2020 in Eischen Schüsse, ein Mann wird schwer verletzt. Der Schütze muss sich nun vor Gericht verantworten
Drogenschulden führen im Herbst 2020 zwei Gruppen junger Männer auf den Parkplatz eines Sportkomplexes in Eischen. Seit einigen Jahren steht zwischen zwei der Männer eine Rechnung von gerade einmal 100 Euro offen. Nachdem den ganzen Tag über bereits Drohungen über einen Messenger-Dienst ausgetauscht wurden, soll der Streit dann am Abend des 25. September „geklärt“werden. Auf dem Parkplatz treffen mehrere Personen aufeinander. Es kommt zu einer Schlägerei. Dann fallen Schüsse. Ein Mann wird mit lebensbedrohlichen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Der Schütze flieht. Die beiden Männer gehören zur gleichen Gruppe.
Seit Dienstag muss sich nun Jim G. wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung vor Gericht verantworten. Der 25jährige Angeklagte bestreitet die Vorwürfe nicht. Er gibt jedoch an, dass er nicht auf das Opfer habe schießen wollen. Als die beiden Gruppen aufeinandergetroffen seien, sei unmittelbar eine Schlägerei entbrannt. Er selbst habe aber keine Hiebe ausgeteilt. Er habe jedoch mit seiner Pistole in Richtung Boden geschossen, um seinen Kontrahenten Angst einzujagen. Dann habe er jemanden aus seinem Augenwinkel heraus auf ihn zulaufen gesehen.
Er habe sich umgedreht und ein weiterer Schuss habe sich gelöst. Er könne sich nicht daran erinnern, den Abzug betätigt zu haben. Er habe unter Adrenalin und Drogeneinfluss gestanden. Ein fehlerhaftes Auslösen seiner Waffe wollte er ebenfalls nicht ausschließen. Immerhin wäre dies nicht das erste Mal gewesen.
Ein Waffenexperte bezeichnete diese Erklärung aber im Zeugenstand als sehr unwahrscheinlich. Die Waffe konnte indes im Zuge der Ermittlungen nicht aufgefunden werden. Der Schütze hatte sich der Pistole unmittelbar nach der Tat entledigt.
Eine Pistole zum Schutz
Wie der Angeklagte erklärte, sei er am Morgen des 25. September von einem Freund gebeten worden, ihm bei dem Aufeinandertreffen in Eischen zu helfen. Der Mann habe gewusst, dass er eine Waffe besitze. Er habe daraufhin zugestimmt, ihn zu begleiten. Seine Schusswaffe habe Jim G. aber nur zur Einschüchterung einsetzen wollen.
Die Pistole habe der Angeklagte sich zu seinem eigenen Schutz gekauft. Eine Erklärung, die die Vorsitzende Richterin nicht gelten ließ. „Wir sind hier nicht in Chicago. Warum brauchen Sie eine Waffe für Ihren Schutz?“, kommentierte sie die Ausführungen. Der Angeklagte gab daraufhin an, von einem Mann bedroht worden zu sein, nachdem er sich geweigert hatte, für ihn Drogen zu verkaufen.
Nach den Schüssen ergriff Jim G. die Flucht. Erst im Februar 2021 stellte er sich dann schließlich den Strafermittlungsbehörden, nachdem er mehrere Monate in Maastricht (NL) bei einer Freundin untergetaucht war. Bei einem ersten Verhör stritt er die Vorwürfe noch ab. Erst nachdem er in Untersuchungshaft untergebracht wurde, änderte er seine Version.
Ein psychiatrischer Gutachter betonte derweil vor Gericht, dass er bei dem Mann keine psychischen Erkrankungen festgestellt habe. Es liege jedoch eine Suchtproblematik vor. Diese will der 25-Jährige laut eigenen Aussagen überwunden haben. Seine Zeit im Gefängnis habe ihn verändert. Er wolle ein normales Leben aufbauen, ohne Drogen und Kriminalität, so Jim G.
Weiteres Verfahren steht an
Wie der Anwalt des als Nebenkläger auftretenden Opfers betonte, habe der Angeklagte nicht beabsichtigt, den Mann zu töten. Zwischen den beiden Männer habe es keinen Streit gegeben. Dennoch leide sein Mandant noch heute unter den Folgen seiner Verletzungen. Insgesamt forderte er für das Opfer Schadensersatz in Höhe von 75.000 Euro. Wie ein Rechtsmediziner vor Gericht aussagte, habe die Kugel das Opfer im Bauchbereich getroffen. Dabei seien Teile des Darms verletzt worden. Ohne medizinisches Eingreifen wäre der Mann an einer Infektion verstorben.
Der Prozess wird heute mit den Strafforderungen der Staatsanwaltschaft fortgesetzt. Dann soll sich auch in einem separaten Verfahren ein weiterer Mann, der an der Auseinandersetzung im September 2020 beteiligt gewesen sein soll, vor Gericht verantworten. Er soll bei dem Streit eine Schreckschusspistole eingesetzt haben. Aus prozeduralen Gründen werden beide Fälle einzeln verhandelt.
Trotz umfangreicher Ermittlungen konnten die Ereignisse des Tages nicht vollends geklärt werden. So gibt eine der Kugeln, die am Tatort gefunden wurde, Rätsel auf. Eine ballistische Analyse deutet darauf hin, dass bei dem Streit noch eine dritte Schusswaffe zum Einsatz gekommen sein könnte. Angaben dazu machten die Beteiligten, die sich im Zuge der Ermittlungen eher wenig kooperativ zeigten, jedoch nicht.
Die Waffe konnte im Zuge der Ermittlungen nicht aufgefunden werden.