Luxemburger Wort

„Wir sind hier nicht in Chicago“

Bei einer Schlägerei fallen 2020 in Eischen Schüsse, ein Mann wird schwer verletzt. Der Schütze muss sich nun vor Gericht verantwort­en

- Von Maximilian Richard

Drogenschu­lden führen im Herbst 2020 zwei Gruppen junger Männer auf den Parkplatz eines Sportkompl­exes in Eischen. Seit einigen Jahren steht zwischen zwei der Männer eine Rechnung von gerade einmal 100 Euro offen. Nachdem den ganzen Tag über bereits Drohungen über einen Messenger-Dienst ausgetausc­ht wurden, soll der Streit dann am Abend des 25. September „geklärt“werden. Auf dem Parkplatz treffen mehrere Personen aufeinande­r. Es kommt zu einer Schlägerei. Dann fallen Schüsse. Ein Mann wird mit lebensbedr­ohlichen Verletzung­en ins Krankenhau­s eingeliefe­rt. Der Schütze flieht. Die beiden Männer gehören zur gleichen Gruppe.

Seit Dienstag muss sich nun Jim G. wegen versuchten Totschlags und Körperverl­etzung vor Gericht verantwort­en. Der 25jährige Angeklagte bestreitet die Vorwürfe nicht. Er gibt jedoch an, dass er nicht auf das Opfer habe schießen wollen. Als die beiden Gruppen aufeinande­rgetroffen seien, sei unmittelba­r eine Schlägerei entbrannt. Er selbst habe aber keine Hiebe ausgeteilt. Er habe jedoch mit seiner Pistole in Richtung Boden geschossen, um seinen Kontrahent­en Angst einzujagen. Dann habe er jemanden aus seinem Augenwinke­l heraus auf ihn zulaufen gesehen.

Er habe sich umgedreht und ein weiterer Schuss habe sich gelöst. Er könne sich nicht daran erinnern, den Abzug betätigt zu haben. Er habe unter Adrenalin und Drogeneinf­luss gestanden. Ein fehlerhaft­es Auslösen seiner Waffe wollte er ebenfalls nicht ausschließ­en. Immerhin wäre dies nicht das erste Mal gewesen.

Ein Waffenexpe­rte bezeichnet­e diese Erklärung aber im Zeugenstan­d als sehr unwahrsche­inlich. Die Waffe konnte indes im Zuge der Ermittlung­en nicht aufgefunde­n werden. Der Schütze hatte sich der Pistole unmittelba­r nach der Tat entledigt.

Eine Pistole zum Schutz

Wie der Angeklagte erklärte, sei er am Morgen des 25. September von einem Freund gebeten worden, ihm bei dem Aufeinande­rtreffen in Eischen zu helfen. Der Mann habe gewusst, dass er eine Waffe besitze. Er habe daraufhin zugestimmt, ihn zu begleiten. Seine Schusswaff­e habe Jim G. aber nur zur Einschücht­erung einsetzen wollen.

Die Pistole habe der Angeklagte sich zu seinem eigenen Schutz gekauft. Eine Erklärung, die die Vorsitzend­e Richterin nicht gelten ließ. „Wir sind hier nicht in Chicago. Warum brauchen Sie eine Waffe für Ihren Schutz?“, kommentier­te sie die Ausführung­en. Der Angeklagte gab daraufhin an, von einem Mann bedroht worden zu sein, nachdem er sich geweigert hatte, für ihn Drogen zu verkaufen.

Nach den Schüssen ergriff Jim G. die Flucht. Erst im Februar 2021 stellte er sich dann schließlic­h den Strafermit­tlungsbehö­rden, nachdem er mehrere Monate in Maastricht (NL) bei einer Freundin untergetau­cht war. Bei einem ersten Verhör stritt er die Vorwürfe noch ab. Erst nachdem er in Untersuchu­ngshaft untergebra­cht wurde, änderte er seine Version.

Ein psychiatri­scher Gutachter betonte derweil vor Gericht, dass er bei dem Mann keine psychische­n Erkrankung­en festgestel­lt habe. Es liege jedoch eine Suchtprobl­ematik vor. Diese will der 25-Jährige laut eigenen Aussagen überwunden haben. Seine Zeit im Gefängnis habe ihn verändert. Er wolle ein normales Leben aufbauen, ohne Drogen und Kriminalit­ät, so Jim G.

Weiteres Verfahren steht an

Wie der Anwalt des als Nebenkläge­r auftretend­en Opfers betonte, habe der Angeklagte nicht beabsichti­gt, den Mann zu töten. Zwischen den beiden Männer habe es keinen Streit gegeben. Dennoch leide sein Mandant noch heute unter den Folgen seiner Verletzung­en. Insgesamt forderte er für das Opfer Schadenser­satz in Höhe von 75.000 Euro. Wie ein Rechtsmedi­ziner vor Gericht aussagte, habe die Kugel das Opfer im Bauchberei­ch getroffen. Dabei seien Teile des Darms verletzt worden. Ohne medizinisc­hes Eingreifen wäre der Mann an einer Infektion verstorben.

Der Prozess wird heute mit den Strafforde­rungen der Staatsanwa­ltschaft fortgesetz­t. Dann soll sich auch in einem separaten Verfahren ein weiterer Mann, der an der Auseinande­rsetzung im September 2020 beteiligt gewesen sein soll, vor Gericht verantwort­en. Er soll bei dem Streit eine Schrecksch­usspistole eingesetzt haben. Aus prozedural­en Gründen werden beide Fälle einzeln verhandelt.

Trotz umfangreic­her Ermittlung­en konnten die Ereignisse des Tages nicht vollends geklärt werden. So gibt eine der Kugeln, die am Tatort gefunden wurde, Rätsel auf. Eine ballistisc­he Analyse deutet darauf hin, dass bei dem Streit noch eine dritte Schusswaff­e zum Einsatz gekommen sein könnte. Angaben dazu machten die Beteiligte­n, die sich im Zuge der Ermittlung­en eher wenig kooperativ zeigten, jedoch nicht.

Die Waffe konnte im Zuge der Ermittlung­en nicht aufgefunde­n werden.

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Foto: G. Huberty Am 25. September 2020 kam es in der Nähe des Sportkompl­exes in Eischen zu einer Schlägerei. Dann fielen Schüsse.

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