Juristisches Neuland betreten
Beim EU-Gipfel in Brüssel will sich Luxemburg mit Blick auf den Ukraine-Krieg für die Einrichtung eines Sondergerichts für „das Verbrechen der Aggression“einsetzen
Im Fokus des zweitägigen EU-Gipfels heute und morgen in Brüssel wird wieder einmal der Ukraine-Krieg stehen. Und dabei kann die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russlands Aggression auf weitere Unterstützung aus Brüssel hoffen.
Bereits am Montag hatten die EU-Außenminister- und Verteidigungsminister grundsätzlich beschlossen, innerhalb von zwölf Monaten bis zu einer Million Artilleriegeschosse an die Ukraine zu liefern. Dafür sollen zwei Milliarden Euro aus der Europäischen Friedensfazilität der EU (EPF), einem Fonds außerhalb des EUHaushalts, fließen. Und die 27 EU-Staatsund Regierungschefs wollen diesen Beschluss nun endgültig besiegeln und eventuell sogar noch einen Schritt weitergehen. Der schwedische EU-Vorsitz hat eine Aufstockung um 3,5 Milliarden Euro vorgeschlagen. Und auch EU-Ratspräsident Charles Michel betont in seinem Einladungsschreiben die Notwendigkeit von mehr und schnelleren Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine. Laut dem
Entwurf der Gipfelerklärung, der dem „Luxemburger Wort“vorliegt, werden die EUStaats- und Regierungschefs „die rasche Einigung im Rat begrüßen, um die sofortige Bereitstellung von Munition für die Ukraine zu erleichtern, auch durch gemeinsame Beschaffung und die Mobilisierung angemessener Finanzmittel.“Die Idee ist, dass durch Sammelbestellungen Preise gedrückt, Bestellungen beschleunigt und Produktionskapazitäten in der EU geschaffen werden können.
Für Diskussionen beim Gipfel dürften auch abermals die Sanktionen gegen Russland sorgen. Sie weisen immer noch Lücken auf und haben nicht die erwünschte Wirkung erzielt. Ein elftes Sanktionspaket steht aber momentan nicht zur Debatte. Vielmehr geht es laut EU-Kreisen darum, punktuell nachzuschärfen.
Verfolgung von Kriegsverbrechen
Die EU will sich auch verstärkt um die Verfolgung von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine kümmern. Der Haftbefehl gegen Russlands Machthaber Wladimir Putin, den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag vor knapp einer Woche wegen der Verschleppung von Kindern erlassen hatte, reicht vielen EU-Staats- und Regierungschefs offenbar nicht aus. Und der Haftbefehl wird auch im Gipfelentwurf nur beiläufig erwähnt.
Daher möchten einige EU-Mitgliedssaaten – darunter Luxemburg – zum einen eine schärfere Formulierung in der Gipfelerklärung durchsetzen sowie zum anderen juristisches Neuland betreten und ein Sondergericht für „das Verbrechen der Aggression“einrichten. Dafür wäre der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag nicht zuständig. Über die juristischen und praktischen Details sind sich die 27 EU-Mitgliedstaaten jedoch noch nicht einig.
Zündstoff hinter den Kulissen
Für Zündstoff hinter den Kulissen dürfte aber auch der anhaltende Streit um das eigentlich bereits beschlossene Verbot des Verbrennungsmotors in der EU sorgen. Zwar steht das Thema nicht auf der offiziellen Agenda des EU-Gipfels. Dennoch wird der deutsche Kanzler Olaf Scholz zumindest den Unmut vieler EU-Partner über das Vorgehen zu spüren bekommen.
Zur Erinnerung: Eigentlich hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Mitgliedstaaten bereits im Herbst darauf verständigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Eine für Anfang März vorgesehene Bestätigung des Deals durch die EU-Staaten wurde wegen Nachforderungen Deutschlands jedoch abgesagt. Denn weil auch Italien, Bulgarien und Polen das Verbot ablehnen, hätte es ohne die deutsche Zustimmung nicht die nötige Mehrheit für das Gesetz gegeben. Und einen Kompromissvorschlag der EU-Kommission hat der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing laut Informationen des „Spiegel“erst kürzlich abgelehnt.