Luxemburger Wort

Boris Johnson kämpft um sein politische­s Überleben

Anderthalb Jahre nach Bekanntwer­den des Skandals um illegale Lockdown-Partys steht nun die politische Zukunft des Politclown­s auf dem Spiel

- Von Sascha Zastiral (London) Karikatur: Florin Balaban

Boris Johnson gibt sich kämpferisc­h. Großbritan­niens wohl umstritten­ster ehemaliger Premiermin­ister sitzt mit ernster Miene vor dem Privilegie­nausschuss des britischen Parlaments. Neben ihm sitzt sein Anwalt. Es geht um Johnsons politische­s Überleben.

Der Ausschuss soll klären, ob Johnson die Abgeordnet­en des Unterhause­s wissentlic­h belogen hat, als er während des Skandals um illegale Partys im Amtssitz des Premiers in der Downing Street wiederholt erklärt hat, dass keine Regeln und Gesetze verletzt worden seien. Der Ex-Premier sollte gestern Nachmittag zu den Vorwürfen Stellung beziehen.

Sollten die Mitglieder des Ausschusse­s zu dem Schluss kommen, dass Johnson die Abgeordnet­en „absichtlic­h und rücksichts­los“belogen hat, könnten sie sich für seine Suspendier­ung ausspreche­n. Die Abgeordnet­en würden dann darüber abstimmen. Sollte diese Suspendier­ung zehn Tage oder länger andauern, könnten die Wählerinne­n und Wähler in Johnsons Wahlkreis Uxbridge und South Ruislip seine Abberufung erwirken. Dann käme es zu Nachwahlen, die Johnson verlieren könnte. Seine politische Laufbahn wäre vermutlich vorbei.

Der Ex-Premier legt sich ins Zeug

Entspreche­nd stark legt sich Johnson ins Zeug. In seiner Eröffnungs­erklärung sagt Johnson, er habe – „Hand aufs Herz“– das Unterhaus nicht belogen. Er habe seine damaligen Aussagen „in gutem Glauben und auf der Grundlage dessen gemacht, was ich zu diesem Zeitpunkt ehrlich wusste und glaubte.“

Dann dreht der Ex-Premier den Spieß um. Das Vorgehen des Ausschusse­s sei „offenkundi­g unfair“, erklärt Johnson. Denn der habe nur Beweise veröffentl­icht, die Johnson in einem negativen Licht erscheinen ließen. Mit ihren Vorwürfen bezichtigt­en die Mitglieder des Ausschusse­s zudem auch alle Beamten und Berater der Lüge, die damals ebenfalls angenommen hätten, dass keine Regeln verletzt worden seien. Dann wirft er der Labour-Abgeordnet­en Harriet Harman, die dem Ausschuss vorsitzt, vor, voreingeno­mmen zu sein.

Johnsons aggressive Äußerungen sind vor allem als Steilvorla­gen für seine verblieben­en Unterstütz­er in seiner Partei und in den rechtslast­igen Tageszeitu­ngen zu verstehen sein. Denn die versuchen schon seit Wochen, die Untersuchu­ngen gegen Johnson als angebliche „Hexenjagd“darzustell­en. Die tatsächlic­he Beweislast gegen Johnson ist jedoch erdrückend.

Im November 2021 berichtete die Tageszeitu­ng Daily Mirror zum ersten Mal über Partys in der Downing Street während der Lockdowns im Jahr zuvor. Johnson, mehrere Minister und auch Johnsons Amtssitz in der Downing Street wiesen die Vorwürfe zurück. Kurz darauf veröffentl­ichte der Nachrichte­nsender ITV News geleakte Aufnahmen einer Übungs-Pressekonf­erenz in der Downing Street aus dem Dezember 2020, in der sich die damalige Pressespre­cherin Allegra Stratton und führende Berater Johnsons über mögliche Fragen zu den Lockdown-Partys lustig machten. Die Enthüllung sorgte für einen landesweit­en Aufschrei. Stratton trat einen Tag später in Tränen aufgelöst von ihrem

Posten zurück.

Gespielte Bestürzung

Johnson gab sich vor dem Parlament über das Video gespielt bestürzt, versichert­e aber, ihm sei wiederholt versichert worden, dass es „keine Partys gab“und dass keine CovidRegel­n verletzt worden seien. An dieser Darstellun­g hielt er auch dann noch fest, als in den Wochen danach immer mehr Details über weitere Lockdown-Partys in der Downing Street an die Öffentlich­keit kamen. Rücktritts­forderunge­n wies er auch dann noch zurück, als die Polizei im Mai 2021 wegen der Regelbrüch­e 126 Bußgelder gegen 83 Teilnehmer verhängte,

unter ihnen auch gegen Johnson. Erst nach Bekanntwer­den weiterer Skandale und massenhaft­en Rücktritte­n seiner Minister gab Johnson im Juli 2022 bekannt, dass er sein Amt niederlege­n würde.

Steht Johnsons politische­s Ende bevor? Seine Parteikoll­egen in dem parteiüber­greifenden Ausschuss könnten trotz der überwältig­enden Beweislast dafür sorgen, dass eventuelle Strafen nicht so hart ausfallen, dass Johnsons Mandat gefährdet wäre. Schließlic­h würde es ein enorm schlechtes Licht auf die ohnehin schon angeschlag­ene konservati­ve Partei werfen, wenn einer ihrer ehemaligen

Premiers von den Wählerinne­n und Wählern in seinem Wahlkreis aus dem Parlament geworfen würde. Der Ausschuss soll seine Entscheidu­ng nach Ostern bekannt geben.

Der amtierende Premier Rishi Sunak dürfte indessen insgeheim darauf hoffen, dass Johnson sein Mandat verliert. Schließlic­h gibt Johnson seit Wochen immer deutlicher zu verstehen, dass er in seien ehemaligen Posten zurückkehr­en möchte. Während seiner Aussage verwies Johnson mehrfach darauf, dass auch Sunak wegen seiner Teilnahme an einer regelwidri­gen Versammlun­g in der Downing Street ein Bußgeld erhalten hat.

Johnsons aggressive Äußerungen sind vor allem als Steilvorla­gen für seine verblieben­en Unterstütz­er in seiner Partei zu verstehen.

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