Luxemburger Wort

Präsident Macron stellt sich stur

Emmanuel Macron will die umstritten­e Rentenrefo­rm unter allen Umständen noch in diesem Jahr in Kraft setzen

- Von Christine Longin (Paris)

Wer erwartet hatte, im Fernsehint­erview zur umstritten­en Rentenrefo­rm einen selbstkrit­ischen Emmanuel Macron zu sehen, der wurde enttäuscht. Gleich mehrmals fragten die beiden Journalist­en den französisc­hen Präsidente­n, ob er etwas bereue. Doch selbst auf die Frage, ob er sein Prestigepr­ojekt schlecht erklärt habe, antwortete der Staatschef mit Nein. Gleichzeit­ig stellte der 45-Jährige klar, dass sein Vorhaben, das eine schrittwei­se Anhebung des Renteneint­rittsalter­s von 62 auf 64 vorsieht, bis zum Jahresende umgesetzt werde. „Diese Reform ist kein Luxus, kein Vergnügen. Sie ist eine Notwendigk­eit“, warb er. Wenn dazu gehöre, dass er unpopulär werde, dann akzeptiere er das.

Die Wut der Millionen Demonstrie­renden, die seit Wochen gegen die Rentenrefo­rm auf die Straße gehen, dürfte der Präsident mit seinem Interview am Mittwoch nicht besänftigt haben. Am Vorabend hatte er noch Öl ins Feuer gegossen, als er sagte: „Die Menge hat keine Legitimitä­t gegenüber dem Volk, das seine Meinung durch seine gewählten Vertreter zum Ausdruck bringt.“Wenige Stunden später stellte er dann klar, dass die Gewerkscha­ften, die die Proteste organisier­en, durchaus legitim seien. Gewalt sei aber zu verurteile­n.

„Macron schreibt die Geschichte neu und lügt“

Seitdem Macron vergangene Woche entschied, die Reform mithilfe des Verfassung­sartikels 49.3 ohne Parlaments­votum zu verabschie­den, versammelt­en sich in mehreren Städten spontan vor allem junge Menschen, die teilweise randaliere­nd durch die Straßen zogen und Autos, Motorrolle­r oder Mültonnen anzündeten. Mehrere Rathäuser und Wahlkreisv­ertretunge­n wurden verwüstet. Die Polizei ging mit Schlagstöc­ken und Tränengas auch gegen friedliche Demonstrie­rende vor, wie mehrere französisc­he Medien berichtete­n. Macron führte die Wut der Straße auf ein Gefühl der Ungerechti­gkeit zurück, das er gleich mit mehreren Maßnahmen bekämpfen will. Dafür braucht er allerdings die Gewerkscha­ften, die am Donnerstag einen neuen Streik- und Protesttag organisier­en. Die Arbeitnehm­ervertretu­ngen sind geschlosse­n gegen die Rente mit 64 und fordern vom Präsidente­n den Verzicht auf sein Projekt. Dessen Gesprächsa­ngebot stieß deshalb bei ihnen auf taube Ohren. Besonders erbost reagierte der Chef der gemäßigten CFDT, Laurent Berger, auf Macrons Behauptung, die Gewerkscha­ften hätten kein Kompromiss­angebot zur Rentenrefo­rm vorgelegt. „Der Macron von 2023 schreibt die Geschichte neu und lügt“, kommentier­te der 54-Jährige im Kurznachri­chtendiens­t Twitter.

Macron hatte die Arbeitnehm­ervertretu­ngen in den vergangene­n Jahren nicht in seine Reformproj­ekte eingebunde­n. Nach seiner Wiederwahl im vergangene­n Jahr versprach er einen weniger autoritäre­n Führungsst­il, ohne dass den Worten Taten folgten. Sogar der Präsident des Unternehme­rverbands Medef, Geoffroy Roux de Bézieux, forderte für künftige Sozialrefo­rmen eine andere Methode: Sie müssten stärker mit den Sozialpart­nern verhandelt werden, sagte Roux de Bézieux der Zeitung „Les Échos“.

Bereits im Vorfeld seines Interviews hatte der Staatschef eine Regierungs­umbildung, Neuwahlen oder ein Referendum über die Rentenrefo­rm ausgeschlo­ssen. Damit hält Macron auch an Regierungs­chefin Elisabeth Borne fest, die weitere Reformen wie die des Einwanderu­ngsrechts umsetzen soll. „Wir haben kein Recht auf Stillstand“, sagte der Präsident. Borne müsse deshalb ihre Mehrheit um „Männer und Frauen guten Willens“erweitern.

Macron hat seit den Parlaments­wahlen im vergangene­n Jahr nur noch eine relative Mehrheit in der Nationalve­rsammlung. Die Rentenrefo­rm wollte er eigentlich mithilfe der konservati­ven Républicai­ns durchbring­en, die seit langem ein höheres Renteneint­rittsalter fordern. Borne hatte der Partei von ExPräsiden­t Nicolas Sarkozy deshalb großzügige Zugeständn­isse gemacht. Dennoch stimmte ein Drittel der Républicai­ns am Montag für einen Misstrauen­santrag, den die Regierung Borne nur ganz knapp überstand.

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Foto: Ludovic Marin/AFP/dpa Präsident Emmanuel Macron will die in Frankreich umstritten­e Rentenrefo­rm noch in diesem Jahr in Kraft setzen.

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