Wenn der Kanzler seine Interviewerin bucht
Olaf Scholz und Linda Zervakis haben einen öffentlichen Auftritt wie übliches TV-Business inszeniert – doch das Kanzleramt hat bezahlt
Leser „ostfriesenboy“war mäßig begeistert. Unter den Bericht auf „Zeit online“über den Auftritt von Olaf Scholz bei der Digitalkonferenz „Republica“postete er am 9. Juni 2022, nachts gegen zehn: „Scholz merkelt sich auch hier wieder mal so durch.“
Man konnte den Artikel so verstehen. Geschildert wurde, wie der deutsche Bundeskanzler sich von der Moderatorin Linda Zervakis befragen ließ zum Stand der Digitalisierung in Deutschland – im Europa- und Welt-Vergleich bekanntermaßen lausig. Zu lesen war, unter anderem, wie Zervakis sich erkundigte, wann man endlich seinen Personalausweis online verlängern könne, und dass Scholz antwortete, er habe gerade erst einen neuen beantragt – offline. Und zu lesen war schließlich, wie witzig Scholz sein Eingeständnis „das ging nicht anders“fand.
Vom Kanzleramt gebucht
Nicht zu lesen war, weil es weder Scholz verriet noch Zervakis, die im Hauptberuf Journalistin ist, früher bei der öffentlich-rechtlichen ARD als Sprecherin der „Tagesschau“, seit 2021 beim Privatsender Pro7: Sie war für dieses Interview nicht etwa von den Veranstaltern der „Republica“gebucht worden – sondern vom Kanzleramt.
Die „taz“hat das recherchiert. Sie fand heraus, wie „Republica“mit einem halben Jahr Vorlauf Scholz anfragte – und wie man sich dann im Kanzleramt die Köpfe zerbrach, ob und auf welche Art man Scholz dort perfekt herausbringen könnte. Zu gut hatte die Kanzler-Crew noch das Desaster der Scholz-Vorgängerin in den Köpfen.
„Das Internet ist für uns alle Neuland“, hatte Angela Merkel gesagt. Im Jahr 2013 – und neben ihr im Kanzleramt stand, ausgerechnet, US-Präsident Barack Obama. Die sozialen Netzwerke bebten und troffen vor Hohn.
Intern erörterte laut „taz“das Kanzleramt nun die Gefahr einer ähnlichen Blamage. Und sagte schließlich der „Republica“zu unter der Bedingung, dass es selbst entscheide, wer Scholz befragt. Dort akzeptierte man.
Im Mai 2022 fragte das Kanzleramt Zervakis über ihr Management an. In der Mail stand unter anderem: „Die inhaltliche Vorbereitung mit Ihnen würden wir natürlich eng begleiten.“Das Management schickte ein „Angebot“zurück – man einigte sich.
Als ob nichts gewesen wäre
Seit das alles öffentlich ist, tun Kanzleramt und Moderatorin und Pro7 so, als sei nichts dabei, wenn eine politische Journalistin und ein Kanzler vor Publikum so tun, als redeten sie miteinander wie sonst auch im Fernsehen – die Wahrheit aber ist, dass das Kanzleramt die Journalistin engagiert hat und auch für ihre Arbeit bezahlt. Denn Zervakis hat Geld erhalten, 1.130,50 Euro. Erst wollte das Kanzleramt dazu überhaupt nichts sagen und Zervakis der „taz“gar gerichtlich verbieten lassen, über den Fall überhaupt zu berichten. Inzwischen bestätigen beide die Summe und nennen sie eine „Kostenpauschale“. Nur hat die „taz“herausgefunden, dass die An- und Abreise zur Konferenz Pro7 bezahlt hat, und dass sie nur sechs Stunden in Berlin war und deshalb auch kein Hotel gebucht hatte. War die „Kostenpauschale“also vielleicht eher ein Honorar?
Zervakis schweigt, ihr Manager sagt Nein. Für das Kanzleramt erklärt ein Regierungssprecher, es gehe „pauschal“um „alle anfallenden Kosten von Frau Zervakis und ihrem Team“. Pro7 lässt wissen, mit 1.130,50 Euro würde man selbst bei einem Auftritt „nicht die Kosten für Styling und Maske bezahlen“können, egal für wen. Im Übrigen sei „ein solches Interview … mit unseren journalistischen Werten sehr gut zu vereinbaren“.
„Mehr Distanz“vonnöten
Nicht alle sehen das so. Volker Lilienthal beispielsweise, Professor für „Praxis des Qualitätsjournalismus“an der Universität Hamburg, rät zu „mehr Distanz“. Denn inzwischen hat sich herausgestellt, dass Zervakis nicht die einzige Journalistin ist, die bezahlte Regierungsaufträge hat. Insgesamt 1,54 Millionen Euro gaben Kanzleramt und Ministerien seit 2018 aus – also die Kabinette Merkel IV und Scholz. Und arbeiteten mit etwa 200 Journalistinnen und Journalisten zusammen. Die AfD zetert prompt über „Staatsjournalismus“.
Lilienthal rät Politik wie Journalisten zur „Publikumssicht“. Dessen Vertrauen in den Journalismus sei nach den Korruptionsaffären in den öffentlich-rechtlichen Sendern ohnehin gesunken. „Darauf“, sagt Lilienthal in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“, „sollte man reagieren, und deswegen sollte man tadellos sein.“
Zervakis, die für einen weiteren Moderationsauftrag aus dem Kanzleramt im November um die 11.000 Euro erhalten hat, diesmal ausdrücklich als Honorar, redet nun doch. Und sagt, sie habe sich „zu keiner Zeit von irgendeiner Seite vereinnahmen lassen“.
In wenigen Wochen werden einige der größten und seltensten Fledermäuse aus ihrem Winterschlaf erwachen und den Nachthimmel bei Niederkerschen auf der Suche nach Käfern durchstreifen. Hilfe, um sich in der kalten Jahreszeit in Ruhe auszuschlafen, bekommen die Säugetiere, die meist die Größe einer Amsel oder einer kleinen Eule haben, vom größten Industrieunternehmen des Landes.
Das Stahlunternehmen ArcelorMittal musste lange Zeit neugierige Menschen von seinen vor 50 Jahren stillgelegten Eisenminen im Süden des Landes fernhalten. Die Grubenöffnungen waren früher durch Stahltüren mit zwei schmalen Schlitzen zur Belüftung versperrt. Vor fast vier Jahren reagierte ArcelorMittal auf Bitten von Naturschützern und ersetzte die Türen durch Metallgitter, die mit Metallstäben versehen sind – vergleichbar mit Barrieren an mittelalterlichen Festungseingängen.
Die Gitter erleichterten den Fledermäusen den Zugang zu den dunklen und ruhigen Steinwänden im Inneren, an denen sie sich mit ihren Hinterbeinen festhalten, während sie darauf warten, dass der Winter vorübergeht. Bei einer Überprüfung der Minen des ehemaligen ArcelorMittal-Bergwerks im Giele Botter zwischen Niederkerschen und Petingen, das zu einem Naturschutzgebiet umgewandelt wurde, wurde festgestellt, dass diese nun fünf Fledermausarten Unterschlupf bieten, so Jan Herr, Standortkoordinator für die Natur- und Forstverwaltung Luxemburgs. Darunter befindet sich die seltene Fledermausart Große Hufeisennase.
„Der Tunnel beim Giele Botter ist insofern nichts Besonderes, da solche auch in verschiedenen anderen alten Stollen in der Region vorkommen“, so Herr. „Es war jedoch schön zu sehen, dass die Öffnung eines bisher unzugänglichen Stollens so schnell zu positiven Ergebnissen führte.“
Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass auch Gitter an noch ungesicherten Bergwerksstollen angebracht werden, die, wie Herr betonte, gefährlich zu betreten sind.
ArcelorMittal führt die Entdeckung der Großen Hufeisennase als Beweis für sein gutes Umweltmanagement in seinen 174 stillgelegten Untertage- und Tagesbaustätten hierzulande an. Die Arbeit des Unternehmens mit staatlich bezahlten Naturschützern in der erzreichen Minett-Region „hat zu einem Anstieg der Artenvielfalt geführt“, so das Unternehmen in seinem Jahresbericht 2022. Die Förderung von Fledermäusen war in den Jahresberichten aus den beiden Vorjahren jedoch nicht erwähnt worden.
Eine gefährdete Art
„Die Große Hufeisennase könnte eine der am stärksten gefährdeten Fledermausarten in Luxemburg sein“, bemerkt Jacques Pir, einer der führenden Experten für fliegende Säugetiere in Luxemburg. Hierzulande gibt es nur etwa 160 brütende Weibchen dieser Art, die sich auf das obere Moseltal konzentrieren, so Pir. Im Herbst verlassen sie dieses Gebiet, um natürliche Höhlen im Müllerthal oder unterirdische Gänge im industriellen Süden zu finden, so Pir. Mit einer Flügelspannweite von 35 bis 38 Zentimetern gehört die Große Hufeisennase zu den größten Fledermäusen Europas. Die Fledermäuse sind aufgrund ihrer Rolle als Insektenjäger durch europäische und nationale Gesetze geschützt, erklärt Pir. Sie werden bald ihre Winterquartiere verlassen, um zu brüten, zu jagen und sich tagsüber auf Dachböden, in Scheunen oder Kirchen auszuruhen, fügt Herr hinzu.
Die ArcelorMittal-Minen im Giele Botter waren Anfang des 20. Jahrhunderts die Quelle des Eisenerzes, das aus der Erde gehackt, dann auf Pferdekarren ins Tal gefahren und per Zug zu den Hochöfen in Rodange transportiert wurde. Heute sind die ehemaligen Bergbaustätten Teil eines EU-Schutzgebiets Natura 2000 für seltene und bedrohte Arten und des ersten UN-Biosphärenreservats des Landes. Das Gebiet gehört damit zu den Orten auf der Welt, an denen Forscher nach Angaben der Unesco untersuchen, wie Pflanzen, Tiere und Menschen am besten koexistieren können.
Ein Netzwerk von Schächten und Stollen
„Die Minett-Region ist eines der wichtigsten Überwinterungsgebiete für Fledermäuse im Großherzogtum. Grund dafür ist das ausge