Kunstreise durch acht Jahrhunderte
Das Gartenpalais Liechtenstein in Wien präsentiert die kostbaren Bronzen der Fürstlichen Sammlungen
Gegossen für die Ewigkeit“lautet der Titel der diesjährigen Schau im Rahmen der Ausstellungsreihe „März im Palais“im Gartenpalais Liechtenstein in Wien. Für einen Monat werden „Die Bronzen der Fürsten von Liechtenstein“gezeigt. Für die Ewigkeit? Johann Kräftner, der Direktor der Liechtensteinschen Sammlungen und Kurator der imposanten Schau, wies bei deren Präsentation auf die nachhaltige Verwendung von Bronze hin. Diese wertvolle Legierung mit einem hohen Anteil an Kupfer gab einer eigenen Epoche den Namen, der von etwa 2200 bis 800 vor Christus währenden Bronzezeit.
Die Kunst des Gießens stand über Jahrtausende für den höchstmöglichen technischen Standard. Kein Material wurde häufiger „recycelt“als Bronze, sagt Kräftner, der auch den ungemein informativen und großartig bebilderten Katalog herausgegeben hat. Aus im Krieg erbeuteten Kanonen goss man Glocken und Skulpturen, wenn man dann wieder Kriegsmaterial brauchte, kam es auch zum genau umgekehrten Vorgang. Was in diesen Kreislauf geriet, wurde höchstens beim letzten Mal „für die Ewigkeit“gegossen.
Man betritt die Ausstellung im Gartenpalais durch die Sala terrena, wo an den Beginn der Bronzensammlung der Fürstenfamilie erinnert wird. Fürst Karl Eusebius I., im Jahr 1600 von dem in Prag residierenden Kaiser Rudolf II. zum Obersthofmeister und Vorsitzenden des Geheimen Rates ernannt, trug auch die Verantwortung für die Kunstsammlungen des Kaisers und stand in direktem Kontakt mit den Künstlern dieser Zeit. Aus einem Brief von 1597 geht hervor, dass der Fürst schon damals eine bedeutende eigene Sammlung besaß.
Für diese Sammlung gab er bei einem der wichtigsten damals in der Prager Burg tätigen Bildhauer, Adrian de Fries (auch: Adriaen de Vries), monumentale Bronzeskulpturen in Auftrag. Der eindrucksvolle, 1607 erworbene „Christus im Elend“basiert auf dem „Schmerzensmann“vom Titelblatt der „Großen Passion“von Albrecht Dürer (1511). „Der heilige Sebastian“(um 1613/14) von de Fries besticht durch die Körperhaltung wie auch sein „Christus an der Geißelsäule“(um 1613/15) aus dem Wiener Kunsthistorischen Museum, das zu den wichtigen Leihgebern zählt.
„Sammler des Nordens“
Im Fürstenhaus Liechtenstein spielt das Sammeln von Bronzen bis heute eine ganz wichtige Rolle. Johann Kräftner erklärte, er habe für diese Ausstellung echte „Räuberei betrieben“– am Liechtenstein-Stammsitz Schloss Vaduz befinde sich „keine Bronze mehr“. Außerdem wurde eine Fülle von Leihgaben aus halb Europa zusammengetragen, die zu dieser einzigartigen Schau beitragen. So viele Bronzen in dieser Qualität gibt es weltweit nur ganz selten zu sehen. Ganz wesentlich für den Reiz dieser Skulpturen sei die Patina, die sie überzieht, betont Kräftner: „Ohne Patina wären sie nicht auszuhalten.“
Fürst Johann Adam Andreas I., der Sohn von Karl Eusebius I., hielt sich an die Anweisung seines Vaters, als „Sammler des Nordens“Bronzegüsse zu bevorzugen, denn die griechischen und römischen Originale seien den Päpsten und dem römischen Hochadel vorbehalten und für mitteleuropäische Aristokraten unerreichbar. Mit Erlaubnis der Medici in Florenz durften von römischen Antiken aus ihrem Besitz Kopien gegossen werden. Der Fürst beauftragte damit Massimiliano Soldani-Benzi, dessen Bronzegüsse der „Anima Beata“und der „Anima Dannata“nach den Originalen von Gian Lorenzo Bernini zu den Höhepunkten der an Highlights reichen Ausstellung zählen. Durch SoldaniBenzi kamen auch Güsse der „Venus Medici“und vom „Tanzenden Faun“aus den Uffizien sowie vom „Bacchus“des Michelangelo, der sich heute im Palazzo del Bargello befindet, an das Haus Liechtenstein. Vom beliebten Motiv des „Tanzenden Fauns“wünschte sich der Fürst auch eine fast zwei Meter hohe Kopie in Stein, die der Bildhauer Giovanni Giuliani anfertigte und die in der Sala terrena im Gartenpalais bewundert werden kann.
Die Wirkung der Ausstellung wird dadurch erhöht, dass neben den Bronze-Exponaten oft große Fotos der Stein-Originale zu sehen sind. Der Weg der Besucher führt zunächst durch drei als Damenappartements bezeichnete Räume, die speziellen Themen gewidmet sind: den frühen Bronzen, Reiterstatuetten und Kleinbronzen sowie der Idee der Kunstkammer, dem Oeuvre von Massimiliano Soldani-Renzi und Kopien nach der Antike. Wenn man noch einmal die Sala terrena durchquert hat, warten in zwei Bibliotheksräumen Büsten der Renaissance und des Barock, die Bronze Doré, Uhren des 18. Jahrhundert und ein kurzer Film über den Bronzeguss.
Die ältesten Exponate der Schau stammen aus dem Hildesheimer Dommuseum und datieren viel weiter zurück als die bekannten Anfänge der Sammeltätigkeit der Liechtensteiner, wodurch hier tatsächlich ein Bogen über acht Jahrhunderte Kunstgeschichte gespannt wird. In Deutschland war Hildesheim im Mittelalter ein Zentrum der Künste. Zu den dort ungefähr im dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts hergestellten Bronzegüssen von höchster Qualität
gehören zwei hier gezeigte Objekte. Das „Adlerpult“ist ein Lesepult, das eine Tierkampfszene mit einem auf seine Beute niederstürzenden Adler darstellt. Ein „Löwenaquamanile“, ein Gefäß zum Händewaschen in Form eines Löwen, dürfte aus der gleichen Werkstatt stammen wie das etwa zeitgleich entstandene Taufbecken im Hildesheimer Dom, ein Meisterwerk spätromanischer Kunst.
Die Kleinbronzekunst etablierte sich in Deutschland unter dem Einfluss der italienischen Vorgänger. Die bedeutendste deutsche Bronzeguss-Werkstätte der Frührenaissance betrieb die Familie Vischer in Nürnberg. Eine hier ausgestellte Pilgerfigur, möglicherweise der heilige Jakobus der Ältere, aus der Zeit um 1500 wird Peter Vischer dem Älteren zugeschrieben, der neben Albrecht Dürer auch Entwürfe für die als „Schwarze Mander“bekannten Standfiguren des Grabmals für Kaiser Maximilian I. in der Innsbrucker Hofkirche lieferte.
Die Ausstellung umfasst 199 Exponate, zu jedem – ob es dabei nun um Religion, Mythologie oder Historie geht – ließe sich eine eigene Geschichte über den Inhalt und den Künstler, der zwar nicht immer namentlich bekannt ist, wohl aber sein kulturelles Umfeld, erzählen.
Ein Glanzstück ist eine Reiterstatuette aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die das Szépmüvészeti Múzeum (Museum of Fine Arts) in Budapest, einer der wesentlichen Leihgeber, zur Verfügung gestellt hat. Im englischen Schloss Windsor aufbewahrte Zeichnungen von Leonardo da Vinci legen nahe, dass bei diesem Werk der Bronzeguss-Künstler – mutmaßlich Giovanni Francesco Rustici – auf ein Wachsmodell Leonardos zurückgegriffen hat.
Mit einem sehr beachtlichen Relief ist Leonardos jung verstorbener Neffe Pierino da Vinci vertreten. Darauf dargestellt ist eine grausame, von Dante Alighieri überlieferte Geschichte aus dem mittelalterlichen Pisa, der Hungertod des Grafen Ugolino della Gherardesca und seiner Söhne. Man hatte sie in einen Turm gesperrt und den Schlüssel in den Arno geworfen. Dieses erst 2010 von Fürst Hans-Adam II. erworbene Werk ist nur einer von vielen Beweisen für die bis in die unmittelbare Gegenwart reichende Sammelleidenschaft des Hauses Liechtenstein.
Monumentales Reiterstandbild von Marc Aurel
Durch Hans Adam II. kamen mehrere außergewöhnliche Exponate in den Besitz des Hauses Liechtenstein, darunter Andrea Mantegnas einzige feuervergoldete Bronze „Marsyas oder heiliger Sebastian“von etwa 1500, die in den