„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Fußball-Nationalspieler Sébastien Thill spricht im Interview über seine schwierige Situation in Rostock und die anstehende Kampagne
Zum Auftakt der EM-Qualifikation trifft Sébastien Thill in dieser Woche mit der FLFAuswahl auf die Slowakei (Donnerstag ab 20.45 Uhr in Trnava) und Portugal (Sonntag ab 20.45 Uhr im Stade de Luxembourg). Nach schwierigen Monaten bei Hansa Rostock freut sich der 29-Jährige auf etwas Abwechslung. Im Interview spricht der Mittelfeldspieler über seine Zukunft beim deutschen Zweitligisten, die anstehende Kampagne mit der Nationalmannschaft und den Rauswurf seines Bruders Olivier.
Sébastien Thill, Sie haben seit November kein Pflichtspiel für Rostock absolviert. Was sind die Gründe?
Ich habe mir im Januar kurz vor Beginn des Trainingslagers die Nase gebrochen. Deshalb reiste ich erst später an und konnte bei den Testspielen nicht eingesetzt werden. Es hat nämlich etwas gedauert, bis ich meine Maske erhielt. Durch unsere aktuelle Situation (Rostock kämpft in der 2. Bundesliga gegen den Abstieg, Anm. d. Red.) wurde zuletzt eher auf Spieler gesetzt, die zehnmal grätschen als auf jemanden wie mich, der Fußball spielt und auch mal Risiken eingeht.
Wir kennen unsere Qualitäten, machen uns aber keinen Druck.
Trainer Patrick Glöckner übernahm den Posten erst im November. Unter ihm kamen Sie nur einmal kurz zum Einsatz. Gab es Gespräche?
Er erklärte mir, dass ich im Trainingslager viel verpasst hätte. Ich habe das so akzeptiert, weiter an mir gearbeitet und gut trainiert. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich gebe immer Gas und arbeite auch individuell.
Zu Wochenbeginn wurde Glöckner entlassen. Wie haben Sie davon erfahren?
Er hat am Montag mit der Mannschaft gesprochen. Die Nationalspieler waren zwar nicht mehr vor Ort, doch ich wurde informiert. Es ist nicht so, als hätte ich das im Internet gelesen.
Sehen Sie den Trainerwechsel als Chance?
Ja, auch wenn ich die erste Woche unter dem neuen Coach (Alois Schwartz, Anm. d. Red.) durch die Nationalmannschaft verpassen werde, ist das schon eine Chance. Das Team, das zuletzt gespielt hat, holte fast keine Punkte. Unter dem neuen Trainer dürfen sich also vielleicht andere Spieler beweisen.
Ihr Vertrag läuft erst 2024 aus. Wie geht es nach der aktuellen Saison weiter?
Darüber will ich mir erst im Sommer Gedanken machen. Natürlich habe ich im Hinterkopf, dass ich nicht weiß, wie es weitergehen wird, doch aktuell konzentriere ich mich zu 100 Prozent auf Rostock. Ich möchte alles dafür tun, dass wir den Klassenerhalt schaffen.
Waren Sie überrascht, dass Sie von Nationaltrainer Luc Holtz trotz fehlender Spielpraxis nominiert wurden?
Eigentlich nicht, schließlich gab es vor mir schon andere, die wenig gespielt haben und trotzdem eine Chance erhielten. Er kennt meine Qualitäten und meine Rolle in der Mannschaft. Ich bin erfahren und habe zu jedem ein gutes Verhältnis.
Ihr Bruder Olivier wurde aus der FLF-Auswahl verbannt. Fällt es Ihnen schwer, damit umzugehen?
Ich wäre natürlich glücklich, wenn er dabei wäre. Doch das ist eine Sache zwischen ihm und dem Trainer. Ich kenne nicht alle Details. Wenn es um deinen eigenen Bruder geht, ist das kein schönes Gefühl, doch ich versuche, mich nicht damit zu beschäftigen. Ich spiele gerne für Luxemburg und mache alles, um jedes Mal dabei zu sein.
Die Erwartungen an die Nationalmannschaft sind gestiegen. Ist das auch innerhalb des Teams spürbar?
Es ist nicht mehr wie vor fünf, sechs Jahren. Wir haben viele Profis, die meisten spielen auf einem hohen Niveau. Wir kennen unsere Qualitäten, machen uns aber keinen Druck. Von den Namen her sind andere Nationen noch besser. Doch wir glauben an unsere eigenen Stärken. Wir spielen schon seit Jahren zusammen.
Mit welchen Erwartungen gehen Sie ins Duell mit der Slowakei?
Die Slowakei ist der Favorit. Doch wenn alle fit sind, müssen wir uns nicht verstecken.
Wie groß ist die Vorfreude auf das Heimspiel gegen Portugal?
Diese Spiele sind immer etwas Besonderes. Das Stadion ist ausverkauft und viele Freunde haben mich nach Tickets gefragt. Bei den Portugiesen werden bekannte Gesichter auf dem Platz stehen. Ich freue mich auf die Partie.
Zur Person
Der am 29. Dezember 1993 geborene Sébastien Thill wurde erst 2020 Profi, als er Niederkorn verließ und nach Russland zu Tambov wechselte. Nach einem halben Jahr unterschrieb er beim FC Sheriff Tiraspol. Mit dem moldawischen Club trat er 2021/2022 in der Champions League an. Thill schoss sein Team in der Gruppenphase auswärts zum 2:1-Überraschungssieg gegen Real Madrid und traf auch beim 1:3 gegen Inter Mailand. Im Sommer 2022 wechselte er zum deutschen Zweitligisten Hansa Rostock.
Sein Länderspieldebüt feierte der Mittelfeldspieler am 5. September 2015, als er gegen Mazedonien eingewechselt wurde und das Siegtor erzielte. Bislang absolvierte er 30 Länderspiele und traf zweimal.