Luxemburger Wort

Weniger Geschäfte, aber mehr Verkaufsfl­äche

Der Einzelhand­el in Luxemburg hat die Pandemie insgesamt gut überstande­n, wie ein aktueller Bericht zeigt. Aber es gibt auch Verlierer

- Von Uwe Hentschel

Zwei Entwicklun­gen in luxemburgi­schen Innenstädt­en, die auf den ersten Blick nicht so richtig zusammenpa­ssen wollen: auf der einen Seite ein Rückgang der Einzelhand­elsgeschäf­te um 2,7 Prozent, auf der anderen Seite eine Reduzierun­g der Ladenleers­tände um fünf Prozent. Normalerwe­ise müsste die Entwicklun­g, die sich in diesem konkreten Fall auf den Zeitraum 2019 bis drittes Quartal 2022 bezieht, doch eher umgekehrt sein: je weniger Geschäfte, desto mehr Ladenleers­tände.

Pop-up-Stores füllen leere Räume

Dass dem nicht so ist, hängt allem Anschein nach mit zwei weiteren Entwicklun­gen zusammen. So ist zum einen die Verkaufsfl­äche trotz des Rückgangs der innerstädt­ischen Geschäfte insgesamt gestiegen – was zum Beispiel daran liegen könnte, dass leer stehende Ladenlokal­e von benachbart­en Geschäften übernommen wurden, um die eigene Verkaufsfl­äche zu erhöhen. Darüber hinaus gab es in den drei Jahren auch einen enormen Anstieg bei Geschäftsm­odellen, die sich mit vergleichs­weise wenig Aufwand und wirtschaft­lichen Risiko realisiere­n lassen.

So ist die Zahl der Secondhand-Modegeschä­fte um fast 43 Prozent und die der Popup-Stores um mehr als 33 Prozent gestiegen. Unter letzteren versteht man kurzfristi­ge und provisoris­che Geschäfte, die nur vorübergeh­end in leer stehenden Geschäftsr­äumen betrieben werden. Vom Warenangeb­ot sind solche Shops meist ähnlich einer Boutique oder aber eines Lagerverka­ufs. Ein Stück weit helfen Pop-up-Stores also dabei, Ladenleers­tände oder gegebenenf­alls sogar strukturel­le Einzelhand­elsproblem­e einer Stadt zu kaschieren.

Zur Ehrenrettu­ng des Einzelhand­els in Luxemburgs Innenstädt­en muss allerdings ergänzt werden, dass die Zahl der Pop-UpStores prozentual zwar stark gestiegen ist, sich aber mit insgesamt 59 Läden (Stand drittes Quartal 2022) im unteren einstellig­en Prozentber­eich des gesamten Einzelhand­elsangebot­s bewegt. Und auch die Secondhand-Läden kamen trotz des enormen Anstiegs nur auf 20 Verkaufsst­ellen landesweit. Zum Vergleich: Zeitgleich erfasst wurden allein 67 Möbelgesch­äfte oder aber auch 140 Supermärkt­e und Discounter. Insgesamt lag die Zahl der Einzelhand­elsgeschäf­te in ganz Luxemburg bei 3.288 – unterm Strich 55 Geschäfte mehr als 2019. Während in den Innenstädt­en die Zahl der Läden abgenommen hat, ist sie landesweit also gestiegen.

Zahlen ersetzen das Bauchgefüh­l

Es ist das erste Mal, dass die Situation im Einzelhand­el so detaillier­t erfasst wird: Mit der Veröffentl­ichung des Retail Report 2023 geht Luxemburg einen neuen Weg in der Handelsent­wicklung. Der Bericht liefert umfassende Informatio­nen über den Einzelhand­el, seine Struktur und seine geografisc­he Verteilung und darüber hinaus neue Erkenntnis­se über die Entwicklun­g des Einzelhand­els.

Für Mittelstan­dsminister Lex Delles, der kürzlich gemeinsam mit der Handelskam­mer und dem Luxemburgi­schen Handelsver­band (CLC) den Report präsentier­te, ist das Ergebnis „ein großer Schritt im Bereich der Analyse und Beobachtun­g des Einzelhand­els in Luxemburg“. Claude Bizjak, stellvertr­etender CLC-Direktor formuliert es so: „Bislang war es so, dass wir bei der Situation zu den Leerstände­n zwar immer ein Bauchgefüh­l hatten, es aber eigentlich nie genau wussten.“Durch den Report, der nicht nur eine Bestandsau­fnahme sei, sondern die Entwicklun­g der letzten Jahre aufzeige, habe man jetzt eine Grundlage. „Wenn wir wirklich was machen und dem Einzelhand­el helfen wollen, müssen wir ja erst einmal verstehen, wie sich der Markt entwickelt“, so Bizjak.

Gewinner und Verlierer der Pandemie

Insgesamt hat der luxemburgi­sche Einzelhand­el und das Hotel- und Gastronomi­egewerbe die Pandemie und auch das Krisenjahr 2022 (zumindest die ersten neun Monate) relativ gut überstande­n, wie der Bericht zeigt. Doch gilt das längst nicht für alle Branchen.

Während es etwa bei Geschäften mit Lebensmitt­eln und Drogeriewa­ren in den drei Pandemieja­hren Zuwächse von mehr als zehn Prozent gab und es bei Geschäften für Bau-, Heimwerk- und Haushaltsw­aren sogar eine Steigerung von mehr als 22 Prozent erzielt wurde, ist beispielsw­eise die Zahl der Metzgereie­n im Land um gut fünf Prozent und die der Parfümerie­n um sechs Prozent gesunken. Weitere Verlierer sind Fachgeschä­fte für Heimtextil­ien mit minus 28 Prozent, oder aber

Wenn wir wirklich was machen und dem Einzelhand­el helfen wollen, müssen wir ja erst einmal verstehen, wie sich der Markt entwickelt. Claude Bizjak, CLC

Blumengesc­häfte, von denen während der Pandemie fast neun Prozent verschwund­en sind.

Bei Bekleidung­s- und Schuhgesch­äften gab es einen Rückgang von 8,6 Prozent – das allerdings bei einem gleichzeit­igen Anstieg der Verkaufsfl­äche um 1,6 Prozent. Es gab also im Herbst 2022 deutlich weniger Modegeschä­fte als vor der Pandemie, dafür aber hat sich die Verkaufsfl­äche der einzelnen Geschäfte im Schnitt erhöht.

Schnellgas­tronomie auf dem Vormarsch

Im Hotel- und Gaststätte­ngewerbe belegen die Zahlen einen starken Trend von der traditione­llen Gastronomi­e zur Schnellgas­tronomie. Zwar gab es in beiden Bereichen Zuwächse, jedoch waren es im traditione­llen Geschäft lediglich 1,7 Prozent, während bei den Schnellres­taurants ein Zuwachs von 26,4 Prozent erfasst wurde. Offensicht­liche Verlierer der Pandemie waren Cafés und Bistros mit einem Rückgang von mehr als fünf Prozent und nicht zuletzt auch Bars und Clubs. Von diesen gab es im dritten Quartal 2022 sieben Prozent weniger als noch 2019.

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 ?? Foto: Uwe Hentschel ?? In Ettelbrück sind wie in allen anderen Städten des Landes in den vergangene­n Jahren Geschäfte verschwund­en, aber auch neue eröffnet worden.
Foto: Uwe Hentschel In Ettelbrück sind wie in allen anderen Städten des Landes in den vergangene­n Jahren Geschäfte verschwund­en, aber auch neue eröffnet worden.

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