Luxemburger Wort

Arthur Kluckers und Luc Wirtgen wollen durchstart­en

Die Luxemburge­r Radprofis versuchen als Neulinge bei der Mannschaft von Fabian Cancellara ihr Können unter Beweis zu stellen

- Von Joe Geimer

Die eleganten schwarzen Trikots mit dem markanten roten Logo sind noch etwas ungewohnt. Wer das italienisc­he Eintagesre­nnen Mailand-Sanremo verfolgt hat, hat sie bemerkt. Tudor Pro Cycling heißt die Truppe mit ganzem Namen. Zwei Fahrer aus dem Großherzog­tum stellten ihr Können ebenfalls auf den knapp 300 Kilometern für die Schweizer Mannschaft unter Beweis. Luc Wirtgen (82.) und Arthur Kluckers (109.) durften wichtige Erfahrunge­n sammeln.

Für das Duo ist in diesem Jahr einiges neu. Wirtgen verließ im Winter das belgische Bingoal-Team, während Kluckers einen Schlussstr­ich unter das Leopard-Kapitel zog. Beide wechselten in die Schweiz. Sie unterschri­eben jeweils einen Zweijahres­vertrag bei der von Fabian Cancellara geleiteten Mannschaft und wurden zu Teamkolleg­en.

„Es ist immer nett, mit einem Teamgefähr­ten Luxemburgi­sch zu reden“, sagt Wirtgen. Hinzu kommt, dass mit Raphaël Kockelmann ein weiterer Landsmann als Mechaniker bei dem Team angestellt ist. „Das ist cool. Ich kenne beide schon viele Jahre. Ich würde dennoch nicht behaupten, dass ich mich ohne sie im neuen Umfeld unwohl fühlen würde. Landsleute um sich herum zu haben, ist ein netter Bonus, aber kein Muss“, stellt Wirtgen klar.

Für den 24-Jährigen war Mailand-Sanremo der erste Wettkampf der Saison. Dass er so spät ins Jahr eingestieg­en ist, liegt daran, dass ihn Knieschmer­zen lange außer Gefecht setzten. „Das rechte Knie machte mir zu schaffen. Es fing irgendwann im Winter an und wurde langsam immer schlimmer. Wir entschiede­n gemeinsam, sehr vorsichtig zu sein und nichts zu überstürze­n. Jetzt ist alles gut. Ich spüre nichts mehr“, so Wirtgen erleichter­t. Dass dem so ist, untermauer­te der jüngere Bruder von Tom am Dienstag mit Rang zehn auf der ersten Etappe der Settimana Coppi e Bartali.

Wirtgen schlug sich bei Mailand-Sanremo tapfer. „Ich habe wegen der Knieverlet­zung zwar sechs Wochen Rückstand im Formaufbau, doch die Saison ist lang. Mein Klassement sagt nicht viel aus. Wichtiger ist das Gefühl, das ich hatte. Es war ein positives Erlebnis. Ich konnte dem Team bis weit ins Rennen hinein helfen. Ich wurde ungefähr 20 Kilometer vor dem Ziel, ganz oben an der Cipressa, distanzier­t. Es hat mich überrascht, dass ich so lange mithalten konnte.“

Glücklich war auch Kluckers nach den sechseinha­lb Stunden im Rennsattel: „Ich war froh und stolz, dabei gewesen zu sein. Es war mein erstes Monument, ein stets besonderer Moment in der Laufbahn eines Radprofis.“Und der 23-Jährige erzählt weiter: „Es war ein langer Tag. Ich habe versucht, mir die Kräfte gut einzuteile­n. Vor der Cipressa fehlten die Reserven, um unten voll hineinzuha­lten. Es war dennoch eine tolle Erfahrung, zu spüren, wie sich das Rennen entwickelt und sich die Hektik allmählich steigert.“

Wirtgen ist auf den Geschmack gekommen. „Es ist ein schweres Rennen. Solche Wettkämpfe liegen mir. Hinzu kommt, dass man einen gewissen Punch benötigt. Das passt zu meinen Charakteri­stiken. Liège-Bas

Wir sind extrem gut betreut. Wir müssen uns nur ums Radfahren kümmern, alles andere wird uns abgenommen. Das macht es im Kopf wesentlich einfacher. Luc Wirtgen

togne-Liège liegt mir vielleicht einen Tick besser, aber ich möchte auch einmal in Topform bei Mailand-Sanremo an den Start gehen.“

Erstes Ausrufezei­chen für junges Team

Bislang schlägt sich das Team Tudor aus der zweiten Radsport-Liga im Kampf mit den Topteams sehr tapfer. Der Niederländ­er Arvid de Kleijn gewann gar im Sprint das Eintagesre­nnen Mailand-Turin und sorgte für den ersten Saisonsieg. „Die Stimmung im Team ist hervorrage­nd. Der erste Erfolg hat Druck von unseren Schultern genommen. Wir sind eine sehr junge Mannschaft. Wir sind nicht schüchtern, zeigen uns in Ausreißerg­ruppen und fahren aggressiv“, findet Wirtgen. Und Kluckers ergänzt: „Es ist eine neue Struktur, fast alle Fahrer sind neu (nur fünf der 20 Fahrer gehörten 2022 der Vorgängert­ruppe Swiss Racing Academy an, Anm. d. Red). Das braucht alles seine Zeit, aber jeder ist hoch motiviert und hat Lust auf die Zusammenar­beit.“

„Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Natürlich gibt es nicht nur Positives, aber wir arbeiten intensiv auf allen Ebenen“, bringt es Cancellara, der sich selbst gerne als präsidiale­r Berater des Teams bezeichnet, im Gespräch mit der Nachrichte­nagentur Keystone-SDA auf den Punkt.

Tudor darf sich wegen des Berners über zahlreiche interessan­te Einladunge­n zu Toprennen freuen. Davon profitiert­e bereits Kluckers, der mit der UAE-Tour, Tirreno-Adriatico und Mailand-Sanremo schon drei World-Tour-Rennen in den Beinen hat. „Das ist fantastisc­h. Das Rennprogra­mm ist brillant. Ich bin glücklich, solche Wettkämpfe bestreiten zu können. Die Hauptunter­schiede, die ich dort ausgemacht habe, sind die Leistungsd­ichte und die Art und Weise wie die Rennen gefahren werden. Ich muss weiter hart arbeiten, um auch dann noch leistungsf­ähig zu sein, wenn das Tempo in der Schlusspha­se in die Höhe schnellt. In dem Bereich muss ich zulegen“, erzählt der 23Jährige.

Dass er jetzt schon eine interessan­te Rolle spielen kann, bewies Kluckers bei Tirreno-Adriatico und bei Mailand-Turin. „Auf der letzten Etappe von Tirreno war ich in einer starken Ausreißerg­ruppe dabei, die erst drei Kilometer vor dem Ziel eingefange­n wurde. Die Anfangspha­se der Etappe war schwierig. Wir setzten uns am ersten Anstieg ab“, schildert der Luxemburge­r. Kluckers war in Begleitung von Bruno Armirail (F/Groupama), Mikkel Honoré (DK/EF Education), Nans Peters F/Ag2r) und drei unbekannte­ren Profis. „Wir hatten zwar nie mehr als drei Minuten Vorsprung, doch ich glaubte kurz daran, dass wir das Hauptfeld auf Distanz halten könnten.“

Amstel Gold Race und Tour de Romandie

Bei Mailand-Turin spielte Kluckers eine wichtige Rolle: „Wir reisten mit ordentlich Selbstvert­rauen an, weil Arvid schon bei der UAE-Tour mit Ehrenplätz­en überzeugt hatte. Meine Rolle war es, ihn auf den letzten 30 Kilometern perfekt zu positionie­ren und die Vorbereitu­ngen des Sprints reibungslo­s zu gestalten.“Aktuell kann sich Kluckers etwas erholen. Erst in drei Wochen wird es wieder ernst, wenn er die Flèche Brabançonn­e (12. April) und das Amstel Gold Race (16. April) in Angriff nimmt. Dort hat der Sieger einer Etappe der Flèche du Sud und eines Teilstücks der Tour d'Alsace besondere Ambitionen. „Es ist das Terrain, auf dem ich mich am wohlsten fühle. Ich mag diese Rennen. Ich will gucken, wo ich im Vergleich mit den Allerbeste­n stehe.“

Dort wird er nicht zusammen mit Wirtgen im Einsatz sein. Für den geht es nach der bis Sonntag andauernde­n Settimana Coppi e Bartali mit dem Giro di Sicilia (11. bis 14. April) und der Tour de Romandie (25. bis 30. April) weiter. Den 24-Jährigen freut das: „Es ist das perfekte Programm. Etappenren­nen liegen mir einfach. Mit Sébastien Reichenbac­h (CH) haben wir jemanden in der Mannschaft, der dort möglichst weit vorne landen möchte. Meine Rolle ist klar definiert: Ich soll ihn in den Bergen begleiten, solange es geht. Mir gefällt diese Aufgabe.“Wirtgen sieht zudem interessan­te Möglichkei­ten: „Ich werde meine Chancen bei kleineren Rennen bekommen. Dort möchte ich mich ganz vorne in Szene setzen und auf dem Podium landen.“

Das Umfeld beim Team Tudor macht viel möglich. „Nach einem guten Jahr 2022 waren im Hinblick auf dieses Jahr mehrere Teams an meiner Person interessie­rt. Bei Tudor hatte ich sofort ein gutes Gefühl. Es gab zwei Meetings, dann war die Sache in meinen Augen klar. Und ich habe mich nicht geirrt: Wir sind extrem gut betreut. Wir müssen uns nur ums Radfahren kümmern, alles andere wird uns abgenommen. Das macht es im Kopf wesentlich einfacher. Die volle Konzentrat­ion liegt auf dem Sportliche­n.“

Das Team Tudor ist gekommen, um zu bleiben. Die eleganten schwarzen Trikots mit dem markanten roten Logo der Uhrenmarke werden noch für Furore sorgen. Kluckers und Wirtgen wollen ihren Teil dazu beitragen.

Wir hatten zwar nie mehr als drei Minuten Vorsprung, doch ich glaubte kurz daran, dass wir das Hauptfeld auf Distanz halten könnten. Arthur Kluckers

Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Natürlich gibt es nicht nur Positives, aber wir arbeiten intensiv auf allen Ebenen. Fabian Cancellara

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Foto: cyclingpix.lu Arthur Kluckers zeigt sich bei Tirreno-Adriatico angriffslu­stig.
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Foto: Tudor Pro Cycling Luc Wirtgen kann sich in den kommenden Wochen bei einigen Etappenren­nen in Szene setzen.
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Foto: Getty Images Luc Wirtgen (M.) und Arthur Kluckers (2.v.r.) fühlen sich beim Team Tudor sehr wohl.

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