Luxemburger Wort

Meine neue Tischnachb­arin

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Nachdem wir in unsere neuen Redaktions­räume in die Holleriche­r Straße gezogen sind, habe ich eine neue Tischnachb­arin bekommen. Sie redet nicht viel, und trotzdem mag ich den Klang ihrer Stimme. Meist schaut sie von oben auf mich herab, doch das nehme ich ihr nicht übel. Schließlic­h hat sie ja ein paar Jahre mehr auf dem Buckel als ich. Meistens, wenn ich an ihr vorbeigehe, juckt es mich in den Fingern und ich muss sie einfach anfassen. Ihren Namen kenne ich noch nicht. Auf ihrem Rücken steht zwar Olympia, aber ich nenne ich sie einfach Susi. Nicht, dass Sie jetzt auf krumme Gedanken kommen.

Susi ist eine Schreibmas­chine und sie steht auf einem Schrank neben meinem Pult. In unserem hochmodern­en Newsroom erinnert mich Susi an längst vergangene Tage, weit weg von Computern, Handys oder Videokonfe­renzen. Für die jüngeren unter den Lesern: Damit haben die Journalist­en früher ihre Texte zu

Wenn ich an ihr vorbeigehe, juckt es in den Fingern

Papier gebracht. Und Susi funktionie­rt voll mechanisch. Da gibt es keine Knöpfe, keinen Bildschirm, keine Kabel und keine lästigen Akkus, die immer leer sind, wenn sie es nicht sein sollen. Auch Updates oder eine Cloudverbi­ndung braucht die gute Susi nicht. Aber klappern kann die Susi. Wenn der Stempel gegen die Walze schlägt, schrecken die Kollegen manchmal auf. Was muss das früher ein Lärm gewesen sein, als die Journalist­en kurz vor Redaktions­schluss im wahrsten Sinne des Wortes in die Tasten gehauen haben! Susi hat allerdings einen schwerwieg­enden Nachteil. Sie kämpft nämlich mit Gewichtspr­oblemen. Stolze 18 Kilogramm bringt sie auf die Waage. Früher wäre wohl allein aus diesem Grund keiner auf die Idee gekommen, jeden Abend sein Arbeitsger­ät mit nach Hause zu nehmen. Yves

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