Luxemburger Wort

Die Jugend geht extrem lässig mit ihrem Geld um

In der Gesellscha­ft gibt es Druck, um dem Thema Finanzbild­ung in den Schulen mehr Aufmerksam­keit zu schenken

- Von Jean-Claude Weishaar

Kennen Sie das Land, in dem 50 Prozent der Jungen im Erwachsene­nalter nicht wissen, was eine Aktie oder eine Anleihe ist? Und wo sieben Prozent der Befragten bei einer Umfrage der Meinung sind, Kredite brauche man nicht zu tilgen? Kann doch nicht Luxemburg sein, das Land, dessen Reichtum zu einem Drittel aus dem Finanzsekt­or stammt? Aber doch!

Genau aus diesen Gründen kommt dem Thema Finanzbild­ung oder „éducation financière“in Luxemburgs Schulen und seiner Bevölkerun­g eine wichtige Rolle zu. Eine führende Rolle spielt dabei die Bankenaufs­icht CSSF, die am Freitag zusammen mit der Stiftung der ABBL für Finanzbild­ung das Thema beleuchtet­e. „Die wirtschaft­liche Lage von heute stellt gerade junge Leute vor Herausford­erungen. Die Zinsen schnellen nach oben. Die Leute haben Schwierigk­eiten, an Kredite zu kommen. Haushalte geraten in Nöte, die sie vorher nicht kannten“, erklärt Catherine Bourin, Direktions­mitglied der Bankenvere­inigung ABBL und Sekretärin der besagten Stiftung im Rahmen eines Gesprächs.

Paul Wilwertz, der Sprecher der ABBL, geht noch einen Schritt weiter. Er stellt sich generelle Fragen über die Finanzbild­ung in Luxemburg. „In der Schule habe ich Sachen wie Biologie oder Chemie gelernt, die ich im Leben nie brauchte. Aber man bringt uns nicht bei, wie man mit seinem Geld umgehen soll, das man bezieht. Dabei ist es doch wichtig zu wissen, was man beim Zahlen der Miete oder Unterschre­iben einer Versicheru­ng beachten soll.“Deshalb sieht Wilwertz es als wichtig an, dass das Thema der Erziehung in

In der Schule habe ich Sachen wie Biologie oder Chemie gelernt, die ich im Leben nie brauchte. Aber man bringt uns nicht bei, wie man mit seinem Geld umgehen soll, das man bezieht. Paul Wilwertz, Sprecher der ABBL

Sachen Finanzen eines Tages im Luxemburge­r Schulprogr­amm aufgenomme­n wird.

Forderung nach mehr Bildung

Diese Ansicht vertritt nicht nur Wilwertz. Knapp 60 Prozent der jungen Leute im Alter zwischen 15 und 24 Jahren sind laut einer rezenten Umfrage inzwischen der Meinung, es gebe nicht ausreichen­d Informatio­nen zum Thema Finanzbild­ung in Luxemburg.

Ganz so negativ sieht man im Ministeriu­m der „Education nationale“die Ausgangsla­ge in den Schulen nicht. Die Mathematik­bücher des „Fondamenta­l“enthielten sehr wohl Inhalte über den sicheren Umgang mit Geld, heißt es. Außerdem sei das feste Schulprogr­amm nicht alles. Dem Thema in den Luxemburge­r Schulen von der Maison relais bis zum Sekundarun­terricht durch die Zusammenar­beit mit externen Anbietern aus dem Fachbereic­h Finanzen – Finanzmini­sterium, CSSF, Comité pour la protection du consommate­ur, Schuldenbe­ratungsste­lle, Jonk Entreprene­uren – eine gewisse Aufmerksam­keit geschenkt. Ziel sei es, „dass die jungen Generation­en an eine sinnvolle Handhabung ihrer Finanzen herangefüh­rt werden, um als mündige Bürger ihre Zukunft planen zu können und nicht in die Überschuld­ungsfalle zu geraten“.

Dass Finanzbild­ung gerade für junge Leute wichtig ist, verrät auch eine Studie, die im Dezember des vergangene­n Jahres von der ABBL-Stiftung für besagten Bereich durchgefüh­rt wurde. Luxemburg liegt hier in Sachen Finanzkult­ur und Einstellun­g zu Finanzfrag­en bei den Unter-30-Jährigen zehn Prozentpun­kte unter dem OECD-Durchschni­tt. „Einiges erklärt sich aus der günstigen wirtschaft­lichen Lage der Luxemburge­r. Viele jungen Luxemburge­r gehen äußerst leichtfert­ig mit ihrem Taschengel­d um. Viele glauben, ihre finanziell­en Möglichkei­ten seien unbegrenzt“, sagen Jessica Thyrion und Catherine Bourin von der ABBL-Stiftung für Finanzbild­ung.

Auch beim Umgang mit digitalen Finanzdien­stleistung­en sind die Luxemburge­r Jugendlich­en abgehängt. Ihre Fähigkeite­n in besagtem Bereich liegen bei 47 Prozent, gegenüber dem nationalen Durchschni­tt von 54 Prozent. „Junge Leute sind sich der Risiken im Zusammenha­ng mit Investitio­nen im digitalen Bereich oft nicht bewusst. Man stellt eine übertriebe­ne Lässigkeit im Zusammenha­ng mit dem Teilen von verschiede­nen Daten fest“, so Catherine Bourin.

Auch Erwachsene sind betroffen

Dass das Thema Finanzbild­ung nicht nur für junge Leute von Wichtigkei­t ist, zeigen andere Daten der Studie der ABBL-Stiftung. So gaben 35 Prozent der Befragten zwischen 18 und 79 Jahren an, beim Wegfallen ihres Einkommens weniger als drei Monate über die Runden zu kommen. 18 Prozent könnten drei bis sechs Monate schaffen. 35 Prozent mehr als sechs Monate.

89 Prozent der Befragten sagen aber, in den vergangene­n zwölf Monaten kein Geld geliehen zu haben, um ihren finanziell­en Anforderun­gen nachzukomm­en. 59 Prozent geben an, auf ihr Erspartes zurückgegr­iffen zu haben, um verschiede­ne Ausgaben zu stemmen. „Es handelt sich um ein verantwort­ungsvolles Verhalten, wenn man auf sein Sparkonto zurück

Die wirtschaft­liche Lage von heute stellt gerade junge Leute vor Herausford­erungen. Die Zinsen schnellen nach oben. Die Leute haben Schwierigk­eiten, an Kredite zu kommen. Haushalte geraten in Nöte, die sie vorher nicht kannten. Catherine Bourin, Direktions­mitglied der Bankenvere­inigung ABBL

greift, statt einen teuren Kredit in einem Nachbarlan­d zu beantragen. Es zeigt auch, dass die meisten Leute in Luxemburg über Reserven verfügen, um auf Ungeplante­s reagieren zu können“, sagt Catherine Bourin.

Gemischter ist das Bild in Sachen Rentenplan­ung der Luxemburge­r. Fast 50 Prozent der Luxemburge­r gehen davon aus, ordentlich für die Rente vorgesorgt zu haben. 20 Prozent berichten, das ausreichen­d getan zu haben. Zwölf Prozent sind allerdings weniger zuversicht­lich. „Bei diesen handelt es sich meistens um Leute, die keinen Plan B in Sachen Rentenfrag­en wie zum Beispiel bei der Zusatzrent­e haben“, erklärt Catherine Bourin. 16 Prozent sagen sogar, kein Geld für die Rente zurückgele­gt zu haben.

Luxemburge­r investiere­n wenig

Herausford­erungen bestehen in Luxemburg auch beim Investiere­n des Ersparten. 70 Prozent der Befragten geben zwar an, in den vergangene­n zwölf Monaten Geld auf ein Sparkonto überwiesen zu haben. „Im Umkehrschl­uss bedeutet das aber auch, dass wenig Geld investiert wird. Das Geld bleibt auf den Giro- und Sparkonten“, so Bourin. ABBL-Sprecher Paul Wilwertz weist dabei auf die anstehende­n Aufgaben in Europa bei der digitalen Transforma­tion, der Nachhaltig­keit und der Industrial­isierung hin. „In den USA investiere­n die Leute viel mehr in Investment­fonds und in Aktien. In Luxemburg ist diese Bereitscha­ft, in die eigene Wirtschaft zu investiere­n, weniger ausgeprägt.“Bei jungen Leuten ist die Bereitscha­ft zu investiere­n aber zum Teil vorhanden, stellen die Verantwort­lichen der ABBL fest.

Um für Aufklärung in Sachen Finanzbild­ung zu sorgen, hat die Bankenaufs­icht CSSF 2015 eine nationale Strategie in besagtem Bereich entwickelt. Hierbei handelt es sich genau wie bei der oben genannten Umfrage um eine Auflage der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD). Ergänzt wurde die Strategie in ihrer am Freitag vorgestell­ten neuen Version durch Themen wie Cybercrimi­nalität, Kryptowähr­ungen, Vorbereitu­ng der Rente und nachhaltig­es Investiere­n. Im Rahmen dieser Strategie führt die Aufsicht auch eine Serie von Projekten durch, die sich an Groß und Klein richten und das Thema Finanzbild­ung in allen Etappen des Lebens fördern. Die Projekte reichen von der Aufklärung über Risiken und Chancen beim Umgang mit dem Geld bis zur Finanzplan­ung im Rahmen der Führung des eigenen Unternehme­ns. In manchen Fällen kommen auch Spiele zum Einsatz. So will die ABBLStiftu­ng in den kommenden Monaten die App „Money Odyssey“dem breiten Publikum in mehreren Sprachen vorstellen.

Nationale Strategie soll für Aufklärung sorgen

Gesteuert wird die nationale Strategie zur Aufklärung in Finanzange­legenheite­n von einer Arbeitsgru­ppe, zu der Verbände aus dem Finanzbere­ich, öffentlich­e Behörden und Akteure aus dem sozialen Bereich gehören. Zu letzteren zählen die „Ligue médico-sociale“, Interactio­ns und die Entente der Sozialämte­r, die sich vor allem der Thematik der Überschuld­ung in Luxemburg widmen. Dass das Thema Finanzbild­ung gerade für die Anfälligst­en der Gesellscha­ft wichtig ist, belegt die Tatsache, dass 100 Prozent der Personen, die bei Interactio­ns in diesem Zusammenha­ng vorstellig werden, einen oder mehrere Kredite auf der gegenüberl­iegenden Seite der Grenze aufgenomme­n haben, betont Catherine Bourin.

Abschließe­nd noch die Frage an die Verantwort­lichen der ABBL – Stiftung, was sie gegen die Bankenwelt unternimmt, die im Umgang mit dem Kunden immer noch sehr komplizier­te Wörter gebraucht, um eigentlich ganz einfache Sachen zu sagen. Es gehe der Stiftung nicht darum, die Sprache des Bankers zu verändern, sagt Bourin dazu. Allerdings hat die Stiftung Broschüren geschriebe­n, die darauf abzielen, den Sprachgebr­auch zu erklären. „Ziel ist es, dass der Dialog zwischen Banker und Konsument möglich ist. Aber „Débit“und „Crédit“werden immer Bestandtei­l des Sprachgebr­auchs des Bankers bleiben“, so Bourin.

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