„Ich bin aus dem Tief jetzt wieder raus“
Josy Simon hat unzählige Geher-Rekorde gebrochen. Doch kurz vor seinem 90. Geburtstag hadert er mit der Gesundheit. So kämpft er sich zurück
Schon in den ersten Sekunden des Telefonats mit Josy Simon spürt man, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Schon am lang gezogenen „Ja ...“, das auf die Frage nach seinem Wohlbefinden folgt. Nach einer kurzen Pause bestätigt der 89-Jährige: „Im Moment noch nicht ganz gut.“In dem Gespräch wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag, den er an diesem Samstag begeht, blickt der Rekord-Sportler zurück und sagt: „Ich habe sechs schwere Monate hinter mir.“
Dabei sah die Welt im vergangenen Sommer noch ganz anders aus für die Ikone des Luxemburger Geh-Sports, für den Mann, der über Jahrzehnte alle möglichen Rekorde seiner Disziplin brach. Der sich mit 78 Jahren noch mal komplett neu orientierte, auf das Laufen umschwenkte – und auch dort Weltrekorde in seiner Altersklasse brach. Von schweren Schicksalsschlägen wie dem Tod seiner Frau Berta am 15. August 2020 ließ sich „der Josy“nicht unterkriegen.
Mit einer extrem athletischen Figur – Normalgewicht 58 Kilo – trat Simon am 16. Juli 2022 beim Lauf um den Südtiroler Re
Ich habe sechs schwere Monate hinter mir. Josy Simon
schensee an. 15 flache und leichte Kilometer sollten das werden; ein Lauf, der seit Jahren immer wieder fest im Terminkalender verankert ist. Keine große Herausforderung für den auf Höhenmeter getrimmten Sportler.
Mit Rippenbruch zu Ende gelaufen
Doch während des Laufs stürzte Simon, brach sich drei Rippen – ans Aufgeben dachte er dennoch nicht. „Ich habe das Rennen trotzdem fertig gemacht, sodass die aus dem Staunen nicht mehr rauskamen“, erzählt Simon. Und erstmals glaubt man bei dem Telefonat ein Lächeln rauszuhören. Trotz der Umstände beendete Simon den Reschenseelauf in einer Zeit von 2.16'07'', als 729. von 731 Teilnehmern.
Danach erhielt er von seinem Arzt zunächst ein Trainingsverbot; erst am 15. Oktober machte er wieder einen Zehn-Kilometer-Lauf um den Wolfgangsee, für den er 1.18'52'' brauchte. Danach hätte es sportlich bergauf gehen sollen. Doch das Pech verfolgte den rüstigen Senior weiter. Ende November stürzte Simon zu Hause auf der Treppe, „neun Stufen herunter, und da lag ich dann im Blut, aber ich hatte Gott sei Dank mein Handy dabei“.
Ein benachbarter Arzt versorgte die Hinterkopfverletzung und mehrere Wunden, auch der rechte Arm war verletzt. Kurz darauf zog sich der Athlet zudem eine Gürtelrose zu. „Das war eine schreckliche Geschichte, die Schmerzen habe ich immer noch“, erzählt Simon im gleichen nüchternen Tonfall, in dem er sonst über sportliche Erfolge berichtet. Zwischenzeitlich ging sein Gewicht auf 48 Kilo runter.
Starke Schmerzen bis heute
Rückblickend sagt Simon: „Eines kam zum anderen, weil ich zeitlebens nie, nie so was gehabt hatte. Nie.“Auf die erstaunte Rückfrage, ob er denn in neun Lebensjahrzehnten nie mal krank gewesen sei, nie mal eine Erkältung gehabt habe, bestätigt er: „Nein, das habe ich nie gehabt.“Als Kind sei er mal vom Schlitten gefallen und habe sich verletzt, aber sonst sei er von Malaisen verschont geblieben.
Umso härter habe ihn die Reihe an gesundheitlichen Rückschlägen nun getroffen. Simon gibt zu, dass er ins Nachdenken gekommen sei: „Ich war einen Moment so weit, dass ich gedacht habe, das da hat alles keinen Sinn mehr, dann musst du eben aufhören.“Es habe ihn getroffen, als er zahlreiche befreundete Laufveranstalter anrufen musste, um die Teilnahme an Events abzusagen. „Das ging moralisch und seelisch an mich.“
Simons Stieftochter Gabriele „Gabi“Steinacher ergänzt: „Durch den Stillstand seines Bewegungsapparats bekam er an der Schulter solche Schmerzen.“Zeitweise habe er schon Schwierigkeiten gehabt, die
Hand überhaupt nur zu heben. „Das begleitet ihn zwar jetzt auch noch immer, aber er ist sehr tapfer, er versucht trotzdem, seinen Arm bereits ein bisschen in Schwung zu bringen.“
Neuen Mut geschöpft
Von seiner alten Form ist Josy Simon noch weit entfernt. Doch kurz vor seinem 90. Geburtstag hat er neuen Mut geschöpft. „Ich bin aus dem Tief jetzt wieder raus“, sagt er. Er sei überzeugt davon, weitermachen zu wollen: „Ich kämpfe damit, aber ich habe den Mut nicht verloren.“
Steinacher erzählt, dass sie ihm fürs Muskeltraining ein Indoor-Fahrrad gekauft und ins Wohnzimmer gestellt hat. Sie spricht von lauter kleinen Erfolgsschritten. Ihr Stiefvater mache jetzt viele Spaziergänge. „Heute hat er zum Beispiel elf Kilometer gemacht, gestern neun Kilometer“, sagt sie. Er habe sich eine ganz eigene Technik an