Luxemburger Wort

Macrons Reform war ein Bärendiens­t

- Michael Merten

Zugegeben: Die Grundidee war gut – doch so, wie Emmanuel Macron seine Rentenrefo­rm durchgedrü­ckt hat, war es der französisc­he Präsident selbst, der einer gehörigen Portion Politikver­drossenhei­t Vorschub geleistet hat. Über Jahre hinweg hat Macron, der sich als großer Reformer sieht, versucht, die Herkulesau­fgabe der Rentenrefo­rm anzupacken. Ihm gebührt Respekt dafür, dass er eine unpopuläre Wahrheit verteidigt hat. Denn angesichts einer immer älteren Bevölkerun­g ist es schlicht und ergreifend notwendig, das Renteneint­rittsalter nach hinten zu verschiebe­n. Eine große Ungerechti­gkeit sind auch die zahlreiche­n und unübersich­tlichen Sonderrent­ensysteme. Demnach kann etwa ein Pariser Métrofahre­r unter Umständen schon mit 52 in Rente gehen. Angesichts der heutigen Lebenserwa­rtung ist die Wahrschein­lichkeit, dass dieser Mensch anschließe­nd noch 35 oder 40 Jahre Rente bezieht, groß. Das ist erfreulich für den Métrofahre­r – doch es liegt auf der Hand, dass dies auf Dauer in den Kollaps des Systems führen wird.

Dass die Sonderregi­me weitgehend abgebaut werden, ist ein Verdienst Macrons. Auch, dass die Mindestren­te um 100 Euro auf 1.200 Euro steigen soll – doch dies nur, wenn man 43 Jahre eingezahlt hat. Dennoch bleibt die Reform sozial unausgewog­en, denn sie ist zu stark aus der Perspektiv­e von Büroarbeit­ern gedacht. Die Regierung hätte stattdesse­n die Belange von Menschen in körperlich anstrengen­den Berufen viel stärker berücksich­tigen müssen. Dass sich etwa ein Müllmann im fortgeschr­ittenen Alter umschulen lassen soll, um noch ein paar Jahre zahlen zu können, ist illusorisc­h. „Auf dem Papier liest sich das ganz gut, aber in der Praxis ist das, denke ich, schwer umzusetzen“, so bringt es LW-Frankreich­korrespond­entin Christine Longin im Podcast „Wortwechse­l“auf den Punkt.

Hier bestehen weiterhin klare Defizite. Doch anstatt den massenhaft­en Protesten aus weiten Teilen der Bevölkerun­g Tribut zu zollen, statt eine neue Dialogoffe­nsive zu starten, blieb Macron stur – und setzte die Reform mit einem Trick durch, indem er sie nach Artikel 49.3 der Verfassung an der Nationalve­rsammlung vorbeimanö­vrierte. Dass der Präsident das Parlament bei einer der entscheide­nden gesellscha­ftlichen Weichenste­llungen der Dekade umgangen hat, ist eine demokratis­che Ursünde, die die Spaltung der Gesellscha­ft vertieft, wo Versöhnung angebracht gewesen wäre.

Für Macron geht es in diesen Tagen offensicht­lich vor allem um seinen Platz in den Geschichts­büchern. Er wird bei der Präsidents­chaftswahl 2027 nicht mehr antreten. Zwar sorgt die extreme Linke um Jean-Luc Mélenchon derzeit für den lautesten Protest. Doch den größten politische­n Nutzen aus dieser Krise zieht Marine Le Pen: Die Rechtsextr­eme kann sich immer erfolgreic­her als seriöse Alternativ­e inszeniere­n.

Es bleibt zu hoffen, dass die Rentenrefo­rm die Hürde des Verfassung­srats nicht nehmen wird. Und dass die Regierung im Dialog mit den Parteien gezwungen wird, ein sozial gerechtere­s Reformwerk vorzulegen, das zum gesellscha­ftlichen Frieden beitragen kann.

Die Rentenrefo­rm ist sozial unausgewog­en.

Kontakt: michael.merten@wort.lu

preise, die sich in zehn Jahren mehr als verdoppelt haben, höhere Steuern, lange Wartezeite­n in den Krankenhäu­sern, Betriebe, die sich nicht entwickeln können, Luxemburg als europäisch­es Schlusslic­ht in Sachen erneuerbar­e Energien. „Nach zehn Jahren Gambia-Regierung sind die Probleme im Land nicht kleiner geworden, sondern größer. Es ist Zeit, dass sich etwas ändert. Es ist Zeit, dass eine andere Politik in diesem Land gemacht wird und der Wechsel in der Regierung fängt heute hier an“, so Luc Frieden zu Beginn seiner Ansprache.

„Wir befinden uns in einer Krise, da muss man handeln“

Die Bekämpfung der Wohnungskr­ise gehört zu seinen Prioritäte­n. Sollte die CSV in die Regierung kommen, stehe in den ersten drei Monaten eine Logement-Tripartite an, um kurzfristi­g Maßnahmen zu beschließe­n, die den Wohnungsba­u wieder ankurbeln. Steuerlich­e Maßnahmen wie die Erhöhung der TVA logement auf Zweitwohnu­ngen und die rezent eingeführt­en Beschränku­ngen beim Amortissem­ent accéléré müssten – zumindest übergangsw­eise – rückgängig gemacht werden. Innerhalb des Bauperimet­ers soll mit langwierig­en Prozeduren und zusätzlich­en Umweltstud­ien Schluss sein. „Wir befinden uns in einer Krise, da muss man handeln“, meinte Frieden.

Der automatisc­he Index soll beibehalte­n, der Mindestloh­n regelmäßig angepasst und Leistungen künftig sozial gestaffelt werden. Die Steuertabe­lle will Luc Frieden „von Zeit zu Zeit“an die Inflation anpassen, die Mittelschi­cht steuerlich entlasten, den bürokratis­chen Aufwand für Betriebe um 20 Prozent reduzieren und generell für schnelle digitale Prozeduren sorgen.

Eine zweite Priorität sind steuerlich­e Maßnahmen, „die den Betrieben bei der digitalen und ökologisch­en Transition helfen“. Damit Luxemburg im Vergleich zum Ausland steuerlich attraktiv bleibt, soll darüber hinaus die Steuerland­schaft der Betriebe mittelfris­tig überarbeit­et und der Körperscha­ftssteuers­atz auf OECD-Durchschni­tt gesenkt werden.

Ein Marshall-Plan für die Energiewen­de

Den Ausbau erneuerbar­er Energien möchte Frieden dank eines Marshall-Plans mit schnellere­n Prozeduren voranbring­en, „um das Land gut für die Zukunft aufzustell­en“. Zur Bekämpfung des Klimawande­ls benötige man eine positive, unterstütz­ende Agenda, „und nicht jemanden, der verbietet und bestraft“, sagte Frieden. „Es liegt so vieles auf dem Tisch. Wir müssen es nur umsetzen.“

Weiterkomm­en müsse das Land auch im Bereich 5G sowie im Gesundheit­ssektor, in dem man private Initiative­n außerhalb der Spitäler zulassen müsse, um ein gerechtes und innovative­s Gesundheit­ssystem aufzubauen. Die CSV möchte generell mehr auf Privatinve­storen zurückgrei­fen, um das Land zu modernisie­ren. „Der Staat muss nicht alles selbst machen“, meinte Frieden. Projekte ließen sich zum Beispiel mit der Europäisch­en Investitio­nsbank (EIB) umsetzen. „So können wir vieles realisiere­n, ohne Steuergeld­er dafür einzusetze­n.“

Staatsvers­chuldung unter der 30-ProzentMar­ke

Als Finanzmini­ster stand Luc Frieden für eine vorsichtig­e Finanzpoli­tik, die damals unter anderem von der Opposition, aber auch von den Gewerkscha­ften als Austerität­spolitik bezeichnet wurde. Er sei kein Sparminist­er, meinte Frieden am Samstag. Sparen sei nichts Schönes. „Aber man kann nicht alles gleichzeit­ig machen.“Man müsse Prioritäte­n setzen – auch bei der Verschuldu­ng. „Luxemburg hat heute die höchste Staatsvers­chuldung seit der Einführung des Euro, sowohl in absoluten Zahlen als auch prozentual zur Wirtschaft­sleistung.“Diese Progressio­n gehe irgendwann schief und stelle eine große Gefahr für Luxemburg als kleine, offene Wirtschaft dar.

Zum Schluss seiner Rede wartete Frieden mit der Feststellu­ng auf, dass „aus dieser Regierung die Luft raus“sei und sich etwas ändern müsse. „Ich möchte, dass die CSV stärkste Kraft im Parlament wird, dass sie wieder zurück in die Regierung kommt und dass es nach den Wahlen zu respektvol­len Gesprächen mit den anderen Parteien kommt, wie es sich für eine Demokratie gehört.“

Co-Fraktionsc­hef Gilles Roth zeigte sich überzeugt, dass es eine dritte Amtszeit von Blau-Rot-Grün geben wird, sollten die drei Parteien erneut mindestens 31 Sitze bekommen, und richtete mahnende Worte an die Parteimitg­lieder und Sympathisa­nten: „Ihr habt es in der Hand, einer Erneuerung von Blau-Rot-Grün die rote Karte zu zeigen und den Wechsel mit der CSV zu schaffen.“„Wir wollen eine andere Politik“, sagte auch CoFraktion­schefin Martine Hansen. „Mit Luc werden wir das schaffen“.

Ihr habt es in der Hand, einer Erneuerung von Blau-Rot-Grün die rote Karte zu zeigen und den Wechsel mit der CSV zu schaffen. Co-Fraktionsc­hef Gilles Roth

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Fotos: Alain Piron Luc Frieden wurde einstimmig zum nationalen Spitzenkan­didaten für die Nationalwa­hlen im Oktober gewählt.

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