Macrons Reform war ein Bärendienst
Zugegeben: Die Grundidee war gut – doch so, wie Emmanuel Macron seine Rentenreform durchgedrückt hat, war es der französische Präsident selbst, der einer gehörigen Portion Politikverdrossenheit Vorschub geleistet hat. Über Jahre hinweg hat Macron, der sich als großer Reformer sieht, versucht, die Herkulesaufgabe der Rentenreform anzupacken. Ihm gebührt Respekt dafür, dass er eine unpopuläre Wahrheit verteidigt hat. Denn angesichts einer immer älteren Bevölkerung ist es schlicht und ergreifend notwendig, das Renteneintrittsalter nach hinten zu verschieben. Eine große Ungerechtigkeit sind auch die zahlreichen und unübersichtlichen Sonderrentensysteme. Demnach kann etwa ein Pariser Métrofahrer unter Umständen schon mit 52 in Rente gehen. Angesichts der heutigen Lebenserwartung ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mensch anschließend noch 35 oder 40 Jahre Rente bezieht, groß. Das ist erfreulich für den Métrofahrer – doch es liegt auf der Hand, dass dies auf Dauer in den Kollaps des Systems führen wird.
Dass die Sonderregime weitgehend abgebaut werden, ist ein Verdienst Macrons. Auch, dass die Mindestrente um 100 Euro auf 1.200 Euro steigen soll – doch dies nur, wenn man 43 Jahre eingezahlt hat. Dennoch bleibt die Reform sozial unausgewogen, denn sie ist zu stark aus der Perspektive von Büroarbeitern gedacht. Die Regierung hätte stattdessen die Belange von Menschen in körperlich anstrengenden Berufen viel stärker berücksichtigen müssen. Dass sich etwa ein Müllmann im fortgeschrittenen Alter umschulen lassen soll, um noch ein paar Jahre zahlen zu können, ist illusorisch. „Auf dem Papier liest sich das ganz gut, aber in der Praxis ist das, denke ich, schwer umzusetzen“, so bringt es LW-Frankreichkorrespondentin Christine Longin im Podcast „Wortwechsel“auf den Punkt.
Hier bestehen weiterhin klare Defizite. Doch anstatt den massenhaften Protesten aus weiten Teilen der Bevölkerung Tribut zu zollen, statt eine neue Dialogoffensive zu starten, blieb Macron stur – und setzte die Reform mit einem Trick durch, indem er sie nach Artikel 49.3 der Verfassung an der Nationalversammlung vorbeimanövrierte. Dass der Präsident das Parlament bei einer der entscheidenden gesellschaftlichen Weichenstellungen der Dekade umgangen hat, ist eine demokratische Ursünde, die die Spaltung der Gesellschaft vertieft, wo Versöhnung angebracht gewesen wäre.
Für Macron geht es in diesen Tagen offensichtlich vor allem um seinen Platz in den Geschichtsbüchern. Er wird bei der Präsidentschaftswahl 2027 nicht mehr antreten. Zwar sorgt die extreme Linke um Jean-Luc Mélenchon derzeit für den lautesten Protest. Doch den größten politischen Nutzen aus dieser Krise zieht Marine Le Pen: Die Rechtsextreme kann sich immer erfolgreicher als seriöse Alternative inszenieren.
Es bleibt zu hoffen, dass die Rentenreform die Hürde des Verfassungsrats nicht nehmen wird. Und dass die Regierung im Dialog mit den Parteien gezwungen wird, ein sozial gerechteres Reformwerk vorzulegen, das zum gesellschaftlichen Frieden beitragen kann.
Die Rentenreform ist sozial unausgewogen.
Kontakt: michael.merten@wort.lu
preise, die sich in zehn Jahren mehr als verdoppelt haben, höhere Steuern, lange Wartezeiten in den Krankenhäusern, Betriebe, die sich nicht entwickeln können, Luxemburg als europäisches Schlusslicht in Sachen erneuerbare Energien. „Nach zehn Jahren Gambia-Regierung sind die Probleme im Land nicht kleiner geworden, sondern größer. Es ist Zeit, dass sich etwas ändert. Es ist Zeit, dass eine andere Politik in diesem Land gemacht wird und der Wechsel in der Regierung fängt heute hier an“, so Luc Frieden zu Beginn seiner Ansprache.
„Wir befinden uns in einer Krise, da muss man handeln“
Die Bekämpfung der Wohnungskrise gehört zu seinen Prioritäten. Sollte die CSV in die Regierung kommen, stehe in den ersten drei Monaten eine Logement-Tripartite an, um kurzfristig Maßnahmen zu beschließen, die den Wohnungsbau wieder ankurbeln. Steuerliche Maßnahmen wie die Erhöhung der TVA logement auf Zweitwohnungen und die rezent eingeführten Beschränkungen beim Amortissement accéléré müssten – zumindest übergangsweise – rückgängig gemacht werden. Innerhalb des Bauperimeters soll mit langwierigen Prozeduren und zusätzlichen Umweltstudien Schluss sein. „Wir befinden uns in einer Krise, da muss man handeln“, meinte Frieden.
Der automatische Index soll beibehalten, der Mindestlohn regelmäßig angepasst und Leistungen künftig sozial gestaffelt werden. Die Steuertabelle will Luc Frieden „von Zeit zu Zeit“an die Inflation anpassen, die Mittelschicht steuerlich entlasten, den bürokratischen Aufwand für Betriebe um 20 Prozent reduzieren und generell für schnelle digitale Prozeduren sorgen.
Eine zweite Priorität sind steuerliche Maßnahmen, „die den Betrieben bei der digitalen und ökologischen Transition helfen“. Damit Luxemburg im Vergleich zum Ausland steuerlich attraktiv bleibt, soll darüber hinaus die Steuerlandschaft der Betriebe mittelfristig überarbeitet und der Körperschaftssteuersatz auf OECD-Durchschnitt gesenkt werden.
Ein Marshall-Plan für die Energiewende
Den Ausbau erneuerbarer Energien möchte Frieden dank eines Marshall-Plans mit schnelleren Prozeduren voranbringen, „um das Land gut für die Zukunft aufzustellen“. Zur Bekämpfung des Klimawandels benötige man eine positive, unterstützende Agenda, „und nicht jemanden, der verbietet und bestraft“, sagte Frieden. „Es liegt so vieles auf dem Tisch. Wir müssen es nur umsetzen.“
Weiterkommen müsse das Land auch im Bereich 5G sowie im Gesundheitssektor, in dem man private Initiativen außerhalb der Spitäler zulassen müsse, um ein gerechtes und innovatives Gesundheitssystem aufzubauen. Die CSV möchte generell mehr auf Privatinvestoren zurückgreifen, um das Land zu modernisieren. „Der Staat muss nicht alles selbst machen“, meinte Frieden. Projekte ließen sich zum Beispiel mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) umsetzen. „So können wir vieles realisieren, ohne Steuergelder dafür einzusetzen.“
Staatsverschuldung unter der 30-ProzentMarke
Als Finanzminister stand Luc Frieden für eine vorsichtige Finanzpolitik, die damals unter anderem von der Opposition, aber auch von den Gewerkschaften als Austeritätspolitik bezeichnet wurde. Er sei kein Sparminister, meinte Frieden am Samstag. Sparen sei nichts Schönes. „Aber man kann nicht alles gleichzeitig machen.“Man müsse Prioritäten setzen – auch bei der Verschuldung. „Luxemburg hat heute die höchste Staatsverschuldung seit der Einführung des Euro, sowohl in absoluten Zahlen als auch prozentual zur Wirtschaftsleistung.“Diese Progression gehe irgendwann schief und stelle eine große Gefahr für Luxemburg als kleine, offene Wirtschaft dar.
Zum Schluss seiner Rede wartete Frieden mit der Feststellung auf, dass „aus dieser Regierung die Luft raus“sei und sich etwas ändern müsse. „Ich möchte, dass die CSV stärkste Kraft im Parlament wird, dass sie wieder zurück in die Regierung kommt und dass es nach den Wahlen zu respektvollen Gesprächen mit den anderen Parteien kommt, wie es sich für eine Demokratie gehört.“
Co-Fraktionschef Gilles Roth zeigte sich überzeugt, dass es eine dritte Amtszeit von Blau-Rot-Grün geben wird, sollten die drei Parteien erneut mindestens 31 Sitze bekommen, und richtete mahnende Worte an die Parteimitglieder und Sympathisanten: „Ihr habt es in der Hand, einer Erneuerung von Blau-Rot-Grün die rote Karte zu zeigen und den Wechsel mit der CSV zu schaffen.“„Wir wollen eine andere Politik“, sagte auch CoFraktionschefin Martine Hansen. „Mit Luc werden wir das schaffen“.
Ihr habt es in der Hand, einer Erneuerung von Blau-Rot-Grün die rote Karte zu zeigen und den Wechsel mit der CSV zu schaffen. Co-Fraktionschef Gilles Roth