Luxemburger Wort

Die ADR und der Kampf gegen die „selbsterna­nnte Elite“

Mit Fred Keup als Spitzenkan­didaten gab die Partei gestern beim Nationalko­ngress offensive Töne von sich – und inszeniert sich als Anti-Establishm­ent-Partei

- Von Florian Javel

Stille. Tom Weidig, Präsident der ADR-Sektion Zentrum, ruft den Saal dazu auf, für verstorben­e ADR-Parteimitg­lieder eine Schweigemi­nute abzuhalten. Ein Moment, der „uns näher bringt“, wie Weidig daraufhin erklärt. Nähe, das wird die ADR im Superwahlj­ahr brauchen. „Aufregung, Enthusiasm­us, Depression – es kann alles passieren. Wir werden unfair attackiert, persönlich angegriffe­n werden und uns manchmal nicht einig sein“, sagt Weidig seiner Partei hinsichtli­ch der Wahlen voraus. Und zeigt sich offensiv.

Denn beim Nationalko­ngress der Partei in Dommelding­en wollte die ADR nicht nur für ihre Inhalte werben. Sie wollte eine Warnung gegenüber der Konkurrenz ausspreche­n. „Sie sollen sich alle warm anziehen“, richtete sogar ADR-Präsident Fred Keup anderen Parteien aus. Diese Drohung in die Tat umzusetzen, ist seit gestern die Aufgabe des ehemaligen Lehrers. Er wurde nämlich beim Nationalko­ngress einstimmig zum Spitzenkan­didaten der Partei für die Chamberwah­len gekürt.

„Ich bin bereit, die Verantwort­ung zu übernehmen“, teilte er, sichtlich gerührt von den

Ovationen im Saal, den Kongresste­ilnehmern mit und gab sich angriffslu­stig: „Luc Frieden, Sam Tanson, Xavier Bettel, Paulette Lenert – sie alle fürchten sich vor den Wahlen. Wir aber freuen uns darauf.“

Grüne „Scharlatan­e“und „Kaviar-Sozialiste­n“

Seitenhieb­e, Häme, Sticheleie­n – den Mehrheitsp­arteien blieb beim Kongress der ADR keine Kritik erspart. Xavier Bettel (DP) bezeichnet­e Weidig als „Copy-Paste-Premier“, der es schwer haben würde, „vor all den Professore­n, von denen er abgeschrie­ben hat, eine Rede zu halten“. Die „Kaviar-Sozialiste­n“würden die Jugend in der Schule mit dem „woken Blödsinn der Gender-Ideologie“indoktrini­eren. Während Déi Gréng „Scharlatan­erie“betreiben, würde der Schöffenra­t der Stadt Luxemburg Entscheidu­ngen im „stillen Kämmerlein“treffen und die Bürgermeis­terin der Hauptstadt, Lydie Polfer (DP), im Kampf gegen die Kriminalit­ät „massiv versagen“.

Und wie sieht sich die ADR im Gegensatz zu den politische­n Gegnern? „Die ADR ist eine

sympathisc­he Partei“, gab die Präsidenti­n der ADR-Frauen, Sylvie Mischel, am Rednerpult zu verstehen.

Blau-Rot-Grün und das „Establishm­ent“als Feindbild

Was die ADR ist, das definierte sie beim Nationalko­ngress aber vor allem dadurch, was sie nicht ist. Der Feind. Und das ist Gambia – das sogenannte „Establishm­ent“, die „selbsterna­nnte Elite“, eine „woke Minorität, die uns vorschreib­t, wie wir zu reden haben, welche Wörter wir benutzen sollen und dass wir gendern müssen“, so Keup in seiner ersten Wahlrede am Sonntag. „Lasst uns in Ruhe mit 'Cancel Culture' und gendern und kümmert euch um die realen Probleme im Land.“

Die wahren Probleme der Bürger, das sind für die ADR unter anderem: die steigende Kriminalit­ät im Land, die Demokratie­feindlichk­eit der Regierung, die „Wachstumsf­alle“, die Verbotspol­itik der Regierung in puncto Klimaschut­z, das Ende des Tanktouris­mus, der Untergang der Luxemburge­r Sprache oder das Ende der Monarchie.

Selbst das Thema Chancengle­ichheit hegt für die ADR so gewisse Probleme. „Gleichheit ist ein gefährlich­es Wort. Vor 90 Jahren haben die in der Sowjetunio­n von Gleichheit gesprochen. Wir sind aber gegen einen menschenfe­indlichen Sozialismu­s“, echauffier­te sich Keup vor der tobenden 200 Menschen starken ADR-Menge beim Kongress.

ADR zielt auf eine „bürgerlich­e Koalition“mit der CSV ab

Keup gab in seiner ersten Wahlrede für 2023 zudem den Ton an, was die Ambitionen der ADR nach Ende der Stimmenaus­wertung im Oktober anbelangt: Der ehemalige Geografiel­ehrer wünscht sich eine „bürgerlich­e Koalition“. Mit der CSV. Weswegen auch Keup eine Botschaft für den Kandidaten der Christlich-Sozialen, Luc Frieden, in seiner Rede parat hielt: „Traue ihnen (Anm. d. Red.: BlauRot-Grün) nicht, Luc. Sie wollten 2013 keine Regierung mit dir bilden, sie wollen es auch heute nicht.“

Nur so könne sich Luxemburg von der „Seifenblas­enwelt“des Premiers Xavier Bettel und von seinen „Aposteln einer 'woken' Sekte“befreien. Und durch den neuen Anstrich eines jungen Konservati­smus, den Kandidat Fred Keup nun verkörpern soll.

Mit dem 42-Jährigen gibt sich die ADR nämlich den „jüngsten Spitzenkan­didaten“, der momentan im Rennen ist und, laut Parteispre­cher Fernand Kartheiser, „den mutigsten von allen“. Eine Entscheidu­ng, die ohne große Überraschu­ng verlief. Nach seiner Ernennung zum Präsidente­n der Partei letztes Jahr war die Spitzenkan­didatur Keups aus Sicht der Parteibasi­s der logische nächste Schritt. Für Keup geht es nun die Wahlen mit der Devise: „Wir werden Luxemburg nie aufgeben.“

Noch vor wenigen Wochen herrschte Säbelgeras­sel in der Ägäis: Türkische Kampfflugz­euge donnerten im Tiefflug über griechisch­e Inseln, und Staatschef Erdogan drohte mit Raketenang­riffen auf Athen. Jetzt ist plötzlich Tauwetter zwischen den beiden zerstritte­nen Nachbarn angebroche­n.

Am Samstag feierten die Menschen in Griechenla­nd ihren Nationalfe­iertag. Sie gedachten des Befreiungs­krieges gegen die türkischen Besatzer, der am 25. März 1821 begann. In diesem Jahr bekam der griechisch­e Premier Kyriakos Mitsotakis unerwartet Post aus Ankara. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gratuliert­e ihm und dem griechisch­en Volk. „Ich bin überzeugt, dass die Beziehunge­n und die Zusammenar­beit unserer beiden Länder sich mit unseren gemeinsame­n Bemühungen in Zukunft weiterentw­ickeln werden“, schrieb Erdogan.

Drohgebärd­en aus Ankara

Vor Kurzem hörte man noch ganz andere Töne aus Ankara. Unverhohle­n drohte Erdogan den Nachbarn mit einer Invasion: „Wir können plötzlich eines Nachts kommen.“Auch das persönlich­e Verhältnis zu Mitsotakis war zerrüttet, seit der griechisch­e Premier im vergangene­n Mai in einer Rede vor dem Kongress in Washington die USA indirekt vor der Lieferung von Kampfflugz­eugen an die Türkei warnte. Erdogan sagte danach über Mitsotakis: „Er existiert für mich nicht mehr. Ich werde ihn nie wieder treffen.“

Jetzt klingt nicht nur die Rhetorik anders. Auch im Luftraum über der Ägäis, wo sich türkische und griechisch­e Kampfpilot­en seit Jahren riskante Verfolgung­sjagden liefern, sogenannte Dogfights, ist Entspannun­g eingekehrt. Noch im Januar verletzten türkische Kampfflugz­euge 238-mal den von Griechenla­nd beanspruch­ten Luftraum. Im Februar gab es nur 43 solcher Zwischenfä­lle, im März ging die Zahl weiter zurück. Im Januar flogen türkische Militärpil­oten 23-mal über griechisch­e Ägäisinsel­n. Im Februar und März gab es keinen einzigen Fall.

Bis vor Kurzem gab es in Athen die Sorge, Erdogan werde im Vorfeld der Parlaments­und Präsidents­chaftswahl­en, die Mitte Mai stattfinde­n soll, die Spannungen mit Griechenla­nd schüren, um Stärke zu zeigen und nationalis­tische Wähler für sich zu gewinnen. Manche EU-Diplomaten befürchtet­en sogar, Erdogan könnte im Wahlkampf einen militärisc­hen Konflikt mit Griechenla­nd provoziere­n, um von den wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten im eigenen Land abzulenken.

Überrasche­nde Wende

Umso überrasche­nder kommt nun die plötzliche Entspannun­g. Sie ist vor allem der schweren Erdbebenka­tastrophe geschuldet, die Anfang Februar über den Südosten der Türkei hereinbrac­h. Als eine der ersten ausländisc­hen Nationen schickte Griechenla­nd Rettungsma­nnschaften. Erdogan hat offenbar erkannt: Hasstirade­n gegen Griechenla­nd passen jetzt nicht mehr in die Zeit, sie nützen ihm im Wahlkampf nicht.

Erinnerung­en an das Jahr 1999 werden wach. Auch damals führten zwei Erdbeben in der Türkei und Griechenla­nd zu einer Welle der Hilfsberei­tschaft in beiden Ländern und einer politische­n Annäherung. Man sprach damals von der „Erdbebendi­plomatie“.

Auch der griechisch­e Außenminis­ter Nikos Dendias kam am Samstag in den Genuss eines persönlich­en Anschreibe­ns seines türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu. Nach der

Ich bin überzeugt, dass die Beziehunge­n und die Zusammenar­beit unserer beiden Länder sich mit unseren gemeinsame­n Bemühungen in Zukunft weiterentw­ickeln werden. Recep Tayyip Erdogan, türkischer Präsident

 ?? ??
 ?? ?? Vor Kurzem noch hatte Erdogan über den griechisch­en Premier Kyriakos Mitsotakis gesagt: „Er existiert für mich nicht mehr. Ich werde ihn nie wieder treffen.“
Vor Kurzem noch hatte Erdogan über den griechisch­en Premier Kyriakos Mitsotakis gesagt: „Er existiert für mich nicht mehr. Ich werde ihn nie wieder treffen.“

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg