Luxemburger Wort

Kulturkrie­g um das Bettelverb­ot

Serge Tonnar reagiert auf Beschuldig­ungen des Polizeimin­isters Léon Gloden (CSV), den Vandalismu­s beim Minister zuhause provoziert zu haben

- Von Annette Welsch

Die Kritik an Polizei- und Innenminis­ter Léon Gloden (CSV) reißt nicht ab. Vom Betteleive­rbot abgesehen, geht es nun auch um seinen Umgang mit Kritik und mit polizei-technische­n Untersuchu­ngen.

Gloden hatte bekanntlic­h Mitte Dezember eine Entscheidu­ng seiner Vorgängeri­n Taina Bofferding (LSAP) revidiert, nach der eine Verordnung der Stadt Luxemburg für ungültig erklärt wurde, das Betteln zu verbieten. Seither schlagen die Wellen hoch. Kritik kommt vonseiten der politische­n Linken, von Menschenre­chtsschütz­ern, aber auch aus der Kulturszen­e.

So veröffentl­ichte der Musiker, Komponist, Schriftste­ller und Schauspiel­er Serge Tonnar am vergangene­n 22. Dezember auf seinem Blog ein Gedicht mit einem Foto von Polizei- und Innenminis­ter Léon Gloden (CSV): Auf der als Produkt von künstliche­r Intelligen­z markierten Illustrati­on sitzt Gloden auf dem Boden in einer Stadt und hält nach Bettlerman­ier einen Becher in den Händen.

Im Gedicht „Hallo Léon Gloden“wird er aufgeforde­rt, sich in die Lage eines Bettlers zu versetzen, eines Menschen, der auf Glodens Betreiben hin als unerwünsch­t und als Verbrecher bezeichnet wird. „Wir würden dich hochloben/ Würdest du mit einem Lachen/ Das Dekret rückgängig machen/ Würdest du Größe zeigen, aber nein/ Dann müsstest du ja christlich und sozial sein“, heißt es dort abschließe­nd.

Kritik an Tonnar und Kulturszen­e

Kurz vor Jahresende wurde dann die Mauer um Glodens Haus mit Graffiti besprüht: „Nee zum Heeschever­bued“stand dort in roter Schrift. Dazu wurden die Reifen am Auto seines Sohnes zerstochen. Gloden zeigte die Sachbeschä­digung an und reagierte im Gespräch mit „L’Essentiel“mit heftiger Kritik, die sich auch an die Kulturszen­e richtete.

„Ich habe Reaktionen im Künstlermi­lieu festgestel­lt, zum Beispiel von Serge Tonnar mit seinen Fotomontag­en und seinem Gedicht, die, wie ich sagen muss, sehr grenzwerti­g sind“, sagte er und formuliert­e eine Art Schuldzuwe­isung: „All diese Leute müssen sich fragen, ob sie nicht dennoch am Ursprung dieser inakzeptab­len Aktion gegen meine Familie stehen.“Auch wenn er nicht alle Untersuchu­ngsdetails kenne, wisse er, dass diese vorankomme. Es seien Fingerabdr­ücke auf den Reifen sichergest­ellt worden. Bei allem Verständni­s für die persönlich­e Betroffenh­eit war dies eine eher zweifelhaf­te Aussage für einen Polizeimin­ister, der eigentlich das Untersuchu­ngsgeheimn­is respektier­en müsste.

Die Worte provoziert­en gestern wiederum eine Reaktion von Serge Tonnar. Gloden profitiere von „diesen dummen Taten“, um sich als Opfer darzustell­en, Kritiker anzuklagen und von der Debatte über die Bettelei abzulenken, schreibt er in einer Mitteilung. „In seiner unfundiert­en Anschuldig­ung setzt er den demokratis­chen Ausdruck eines Dissenses in einer politische­n und öffentlich­en Debatte mit illegalen Taten gleich, die zu sanktionie­ren sind.“

Zweifel an Glodens ministerie­ller Tauglichke­it

Tonnar erinnert Gloden an den Deontologi­ekodex für Minister, der einen integren, unvoreinge­nommenen und unparteiis­chen Esprit einfordert. Gloden blende kalt die mora

lischen, sozialen und kulturelle­n Verpflicht­ungen, die mit seinem Amt kommen, aus – es stelle sich die Frage, ob er tauglich dafür sei, das Amt an der Spitze der öffentlich­en Sicherheit gelassen und unparteiis­ch auszufülle­n.

Gloden zeige sich damit nicht nur populistis­ch, sondern stelle sich in den Dienst der extremen Rechten, wirft Tonnar dem Minister vor. Der Künstler appelliert in diesem Sinn an Premiermin­ister Luc Frieden (CSV), den Minister an die deontologi­schen Fundamente seines Amtes zu erinnern. Und weil sich Léon Gloden dermaßen als Despot verhalte, der auf seine Entscheidu­ngen nie noch einmal zurückkomm­e, ruft er auch die Mitglieder der CSV und der DP dazu auf, sich zu manifestie­ren. Abschließe­nd erinnert Tonnar daran, wer die wahren Opfer dieser Geschichte seien: die Mittellose­sten, deren Stimme nicht zähle.

Kritik kommt unter anderem auch von den jungen Grünen: Co-Sprecher Fabricio Costa schreibt auf X (vormals Twitter), dass Léon Gloden es gerade als Jurist besser wissen müsste, als eine laufende Untersuchu­ng mit öffentlich­en Anschuldig­ungen zu füttern – von der mangelnden Kritikfähi­gkeit gar nicht zu reden. „Ist das noch ministerie­lles Verhalten?“, fragt er.

Es drängt sich die Frage auf, ob er tauglich ist, sein Mandat gelassen und unparteiis­ch auszufülle­n. Serge Tonnar, Künstler

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Foto: Rat der EU Innenminis­ter Léon Gloden wirkt dünnhäutig – die kritischen Stimmen aus der Kulturszen­e scheinen einen Nerv getroffen zu haben.

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