Tausend Traktoren legen Trier lahm
Die Bauerndemo gegen das Sparpaket der Ampelregierung zog zahlreiche Landwirte mit ihren Maschinen in die Römerstadt. Treckerkorso und Kundgebung verliefen friedlich – und trotz Vereinnahmungsversuchen strikt agrarpolitisch
Rund 1.000 Traktoren haben gestern die Trierer Innenstadt blockiert. Die Polizei sprach von „1.050 Großfahrzeugen“auf dem Alleenring, der zweispurigen Hauptverkehrsader rund um den Stadtkern. Zur Abschlusskundgebung bei frostigen Temperaturen auf dem Viehmarktplatz kamen laut offiziellen Angaben 1.500 Menschen, die Veranstalter des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau hatten mit 2.000 Teilnehmern gerechnet.
Die Veranstaltung war Teil eines bundesweiten Aktionstages: Die Bauern wollen auf die aus ihrer Sicht verfehlte Agrarpolitik der Bundesregierung aufmerksam machen. Der angekündigte Wegfall der Subventionen auf den Kraftstoff für landwirtschaftliche Geräte, Teil des Sparkurses der Ampelkoalition, sei nur der „letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“. Bereits am Morgen waren Autobahnauffahrten und auch die Grenzübergänge in Grevenmacher, Wormeldingen und Remich blockiert worden, einige Luxemburger Bauern hatten sich aus Solidarität beteiligt.
Auf dem Trierer Viehmarkt sprachen unter anderem Walter Klüsserath, Kreisvorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes Trier-Saarburg und Stefan Metzdorf, der Landrat des Kreises Trier-Saarburg. Gegen 15.30 Uhr war die Veranstaltung beendet, gegen 16 Uhr 30 waren die Traktoren wieder auf dem Heimweg.
Die Veranstaltung auf dem Viehmarkt wie auch der Treckerkorso ums Stadtzentrum verliefen friedlich. Kein Rettungsfahrzeug steckte fest. Lediglich gegen einen Teilnehmer ermittelt die Polizei wegen der Nazi-Parole „Deutschland erwache“, die er vorne an seinem Gefährt angebracht hatte.
Verbandschef Klüsserath sammelt die Emotionen der Menge routiniert ein, als er die Liste der eingeladenen, aber nicht erschienenen Politiker vorträgt. Die ersten Buhrufe sind zu hören. Klüsserath distanziert sich von der Attacke auf
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) an einem Fähranleger in Schleswig-Holstein („das ist grundverkehrt, was da an der Fähre passiert ist“– die Buhrufe gelten diesmal Klüsserath selbst). Doch dann relativiert er das Blockieren der Fähre mit Robert Habeck und zahlreichen weiteren Menschen an Bord. Motto: Wer austeilt, muss auch einstecken können.
Doch Habeck, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Die Grünen) und die Ampel, die als Symbol durchgestrichen an zahlreichen Treckern prangt, seien tatsächlich nur der letzte Tropfen: „Ich habe auch Probleme mit den Landesregierungen, mit den Vorgängerregierungen und mit der EU-Ebene in Brüssel!“Die Einschränkungen, die den Bauern auferlegt würden, seien fachfremder Blödsinn.
Es fehle an gleichen Wettbewerbsbedingungen: Klüsserath spricht von Mindestlöhnen in Deutschland, die doppelt so hoch seien wie die in Spanien – und damit den Wettbewerb beim Tomatenanbau verzerrten. Oder vom Agrardiesel: „Der deutsche Bauer zahlt 1,70 für den Liter Diesel und kann etwa 20 Cent zurückfordern – der Luxemburger Bauer fährt aber für einen Euro pro Liter.“Klüsseraths Fazit: „Ich möchte mit den Kollegen in Luxemburg, Belgien und Frankreich gleichbehandelt werden!“
Der Luxemburger Bauer hat es besser ...
Ein Landwirt aus Welschbillig rechnet vor: Die gestrichene Subvention auf den Diesel und die (mittlerweile wieder gestrichene) Einführung der Kraftfahrzeug-Steuer auf bisher steuerbefreite Landmaschinen bedeute für seinen Betrieb rund 10.000 Euro Mehrkosten im Jahr. „Das sind keine Peanuts mehr, die ich einfach so stemmen kann“, sagt der Mann. Doch es gehe nicht nur um den Sprit: Auch die Altersvorsorge sei bei Luxemburger Bauern um einiges besser.
Viele Handwerker und Nicht-Landwirte sind gekommen – aus Solidarität, wie sie sagen. Das Spektrum ist breit. „Ich bin unzufrieden mit der Umverteilung von unten nach oben, und es betrifft mich auch, wenn die Lebensmittel teurer werden“, so ein Forstwirt. Eine Reiterin fürchtet, dass das Heu für ihre Pferde teurer wird.
Im Vorfeld war versucht worden, die Bauernproteste zu kapern. Ein „Aktionsbündnis 8. Januar“hatte zu einer eigenen Kundgebung an der Porta Nigra aufgerufen, an der stadtbekannte Rechtsextremisten und Personen aus dem Umfeld der Corona-Leugner-Szene beteiligt waren. Einige davon schafften es zum Viehmarkt, fielen aber kaum auf.
Dennoch hört man im Publikum, auch ungefragt, Theorien über die nicht vorhandene Erderwärmung und den großen Bevölkerungsaustausch („Das will der Habeck!“). Eine Landwirtin aus Schweich distanziert sich klar: „Diese Leute ziehen unser Anliegen in die falsche Richtung und ich will auch keine Neuwahlen. Ich will nur in Ruhe und planungssicher arbeiten.“Und auch Verbandschef Klüsserath meldet sich am Ende der Kundgebung nochmals mit einer klaren Aussage zu Wort: Mit politischen Interessengruppen abseits des demokratischen Spektrums, wolle man nichts zu tun haben.