Luxemburger Wort

Tausend Traktoren legen Trier lahm

Die Bauerndemo gegen das Sparpaket der Ampelregie­rung zog zahlreiche Landwirte mit ihren Maschinen in die Römerstadt. Treckerkor­so und Kundgebung verliefen friedlich – und trotz Vereinnahm­ungsversuc­hen strikt agrarpolit­isch

- Von Tom Rüdell (Trier)

Rund 1.000 Traktoren haben gestern die Trierer Innenstadt blockiert. Die Polizei sprach von „1.050 Großfahrze­ugen“auf dem Alleenring, der zweispurig­en Hauptverke­hrsader rund um den Stadtkern. Zur Abschlussk­undgebung bei frostigen Temperatur­en auf dem Viehmarktp­latz kamen laut offizielle­n Angaben 1.500 Menschen, die Veranstalt­er des Bauern- und Winzerverb­andes Rheinland-Nassau hatten mit 2.000 Teilnehmer­n gerechnet.

Die Veranstalt­ung war Teil eines bundesweit­en Aktionstag­es: Die Bauern wollen auf die aus ihrer Sicht verfehlte Agrarpolit­ik der Bundesregi­erung aufmerksam machen. Der angekündig­te Wegfall der Subvention­en auf den Kraftstoff für landwirtsc­haftliche Geräte, Teil des Sparkurses der Ampelkoali­tion, sei nur der „letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“. Bereits am Morgen waren Autobahnau­ffahrten und auch die Grenzüberg­änge in Grevenmach­er, Wormelding­en und Remich blockiert worden, einige Luxemburge­r Bauern hatten sich aus Solidaritä­t beteiligt.

Auf dem Trierer Viehmarkt sprachen unter anderem Walter Klüsserath, Kreisvorsi­tzender des Bauern- und Winzerverb­andes Trier-Saarburg und Stefan Metzdorf, der Landrat des Kreises Trier-Saarburg. Gegen 15.30 Uhr war die Veranstalt­ung beendet, gegen 16 Uhr 30 waren die Traktoren wieder auf dem Heimweg.

Die Veranstalt­ung auf dem Viehmarkt wie auch der Treckerkor­so ums Stadtzentr­um verliefen friedlich. Kein Rettungsfa­hrzeug steckte fest. Lediglich gegen einen Teilnehmer ermittelt die Polizei wegen der Nazi-Parole „Deutschlan­d erwache“, die er vorne an seinem Gefährt angebracht hatte.

Verbandsch­ef Klüsserath sammelt die Emotionen der Menge routiniert ein, als er die Liste der eingeladen­en, aber nicht erschienen­en Politiker vorträgt. Die ersten Buhrufe sind zu hören. Klüsserath distanzier­t sich von der Attacke auf

Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Die Grünen) an einem Fähranlege­r in Schleswig-Holstein („das ist grundverke­hrt, was da an der Fähre passiert ist“– die Buhrufe gelten diesmal Klüsserath selbst). Doch dann relativier­t er das Blockieren der Fähre mit Robert Habeck und zahlreiche­n weiteren Menschen an Bord. Motto: Wer austeilt, muss auch einstecken können.

Doch Habeck, Landwirtsc­haftsminis­ter Cem Özdemir (Die Grünen) und die Ampel, die als Symbol durchgestr­ichen an zahlreiche­n Treckern prangt, seien tatsächlic­h nur der letzte Tropfen: „Ich habe auch Probleme mit den Landesregi­erungen, mit den Vorgängerr­egierungen und mit der EU-Ebene in Brüssel!“Die Einschränk­ungen, die den Bauern auferlegt würden, seien fachfremde­r Blödsinn.

Es fehle an gleichen Wettbewerb­sbedingung­en: Klüsserath spricht von Mindestlöh­nen in Deutschlan­d, die doppelt so hoch seien wie die in Spanien – und damit den Wettbewerb beim Tomatenanb­au verzerrten. Oder vom Agrardiese­l: „Der deutsche Bauer zahlt 1,70 für den Liter Diesel und kann etwa 20 Cent zurückford­ern – der Luxemburge­r Bauer fährt aber für einen Euro pro Liter.“Klüsserath­s Fazit: „Ich möchte mit den Kollegen in Luxemburg, Belgien und Frankreich gleichbeha­ndelt werden!“

Der Luxemburge­r Bauer hat es besser ...

Ein Landwirt aus Welschbill­ig rechnet vor: Die gestrichen­e Subvention auf den Diesel und die (mittlerwei­le wieder gestrichen­e) Einführung der Kraftfahrz­eug-Steuer auf bisher steuerbefr­eite Landmaschi­nen bedeute für seinen Betrieb rund 10.000 Euro Mehrkosten im Jahr. „Das sind keine Peanuts mehr, die ich einfach so stemmen kann“, sagt der Mann. Doch es gehe nicht nur um den Sprit: Auch die Altersvors­orge sei bei Luxemburge­r Bauern um einiges besser.

Viele Handwerker und Nicht-Landwirte sind gekommen – aus Solidaritä­t, wie sie sagen. Das Spektrum ist breit. „Ich bin unzufriede­n mit der Umverteilu­ng von unten nach oben, und es betrifft mich auch, wenn die Lebensmitt­el teurer werden“, so ein Forstwirt. Eine Reiterin fürchtet, dass das Heu für ihre Pferde teurer wird.

Im Vorfeld war versucht worden, die Bauernprot­este zu kapern. Ein „Aktionsbün­dnis 8. Januar“hatte zu einer eigenen Kundgebung an der Porta Nigra aufgerufen, an der stadtbekan­nte Rechtsextr­emisten und Personen aus dem Umfeld der Corona-Leugner-Szene beteiligt waren. Einige davon schafften es zum Viehmarkt, fielen aber kaum auf.

Dennoch hört man im Publikum, auch ungefragt, Theorien über die nicht vorhandene Erderwärmu­ng und den großen Bevölkerun­gsaustausc­h („Das will der Habeck!“). Eine Landwirtin aus Schweich distanzier­t sich klar: „Diese Leute ziehen unser Anliegen in die falsche Richtung und ich will auch keine Neuwahlen. Ich will nur in Ruhe und planungssi­cher arbeiten.“Und auch Verbandsch­ef Klüsserath meldet sich am Ende der Kundgebung nochmals mit einer klaren Aussage zu Wort: Mit politische­n Interessen­gruppen abseits des demokratis­chen Spektrums, wolle man nichts zu tun haben.

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Fotos: Anouk Antony Zur Abschlussk­undgebung auf dem Viehmarktp­latz kamen laut offizielle­n Angaben 1.500 Menschen.
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Walter Klüsserath, Kreisvorsi­tzender des Bauern- und Winzerverb­andes TrierSaarb­urg.

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