Wenn sich Luxemburger in Hamburg über ihre Hauptstadt beschweren
Das Kollektiv ZUG hat in Hamburg über gefährliche Zebrastreifen in Luxemburg-Stadt gesprochen. Und über den Kampf für Informationsfreiheit
Luxemburg kommt in diesen Wochen nicht gut weg in den ausländischen Medien. Ende letzten Jahres sorgte das von der Regierung beschlossene Bettelverbot über die Landesgrenzen hinaus für Diskussionen. Die Süddeutsche Zeitung berichtete über die umstrittene Verordnung, und sogar die Tagesschau.
Nun flammt auch noch ein verkehrspolitisches Thema an die Oberfläche, das Luxemburgs Fußgänger seit 2021 beschäftigt, genauer gesagt das Kollektiv „Zentrum fir urban Gerechtegkeet“(ZUG). Die Rede ist von 475 Zebrastreifen in der Hauptstadt, die den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechen, wie das Kollektiv vor drei Jahren herausgefunden hat. Seitdem kämpfen die Netzaktivisten rund um Thorben Grosser für mehr Transparenz und sammelten per Crowdfunding 8.000 Euro für eine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Die Stadtverwaltung hatte die Vorwürfe mit aus Sicht des Kollektivs fadenscheinigen Argumenten zurückgewiesen. ZUG forderte deswegen Akteneinsicht. Im kommenden September soll dort über den Konflikt entschieden werden.
Kurz nach Weihnachten haben nun Grosser und sein Mitstreiter Federico Gentile auf dem 37. Chaos Communication Congress in Hamburg über die mauernden Behörden in Luxemburgs Stadtverwaltung berichtet. Aber der Reihe nach.
Im Jahr 2021 hat die etwa 20-köpfige ZUG-Gruppe 1.787 Zebrastreifen auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg über aktuelle und frei zugängliche Luftaufnahmen überprüft. Dabei haben sie festgestellt, dass 475 Stellen nicht konform sind. Gemäß dem Code de la Route dürfen Fahrer ihre Fahrzeuge nicht näher als fünf Meter an einem Fußgängerüberweg abstellen. Auf dem Stadtgebiet seien dort aber vielerorts Parkplätze eingezeichnet.
Das Problem besteht darin, dass die Sicht durch Fahrzeuge, die in unmittelbarer Nähe von Fußgängerüberwegen geparkt sind, deutlich eingeschränkt wird.
Dadurch sind Fußgänger, insbesondere Kinder, am Fahrbahnrand für Autofahrer entweder nur schwer oder erst sehr spät erkennbar.
Die Stadt Luxemburg und ihr Mobilitätsschöffe Patrick Goldschmidt (DP) sind aber der Meinung, dass es sich um lediglich 37 problematische Zebrastreifen handelt. Die entsprechende Analyse dazu bekam das ZUG-Kollektiv jedoch nie zu Gesicht: Die Dokumente seien vertraulich, hieß es damals aus der Verwaltung. Die Anfrage der Aktivisten nach dem Informationsfreiheitsgesetz war erfolglos.
Analyse auf Esch/Alzette ausweiten
Mittlerweile ist die ursprüngliche Recherche über Zebrastreifen in Luxemburgs Hauptstadt zu einem Kampf für die Informationsfreiheit geworden. Von ihren jahrelangen Bemühungen haben Thorben Grosser und Federico Gentile am 28. Dezember auf dem 37. Chaos Communication Congress in Hamburg berichtet.
„Es sind vorab so viele Vorträge eingereicht worden und dass wir in diesem riesigen Saal auftreten durften, war ein enormer Ritterschlag“, erzählt Thorben Grosser dem „Luxemburger Wort“nicht ganz ohne Stolz. Etwa ein Dutzend Luxemburger seien unter den Zuschauern gewesen, „das hat uns sehr gefreut“. Das Video vom Auftritt der beiden Aktivisten ist bereits mehr als 3.000 Mal aufgerufen worden.
Eigentlich sind die von der Verwaltung deine Freunde. Nur die Politik stellt sich quer. Thorben Grosser, Zentrum fir urban Gerechtegkeet
Einige Zuhörer aus dem Publikum hätten sich als Mitarbeitende einer Verwaltung geoutet. „Wir haben dieselben Probleme, haben viele gesagt“, so Grosser. Auch in Deutschland kenne man eine Zebrastreifen-Problematik. „Das Problem ist nicht immer die Verwaltung, die sagen ja selber, wir müssen dies und das besser machen für Fußgänger. Nur die Politik stellt sich quer.“Grosser sagt: „Eigentlich sind die von der Verwaltung deine Freunde.“Die Aktivisten vom ZUG wollen noch in diesem Sommer einen „Schwesterndatensatz“herausgeben und ihre Zebrastreifen-Analyse auf Esch/Alzette ausweiten. Zudem seien sie bereit, Menschen aus anderen Ländern ihre Software „Safe Crossing“zur Verfügung zu stellen, da sich mit Daten und Luftbildern des Open-Street-Map-Projekts ähnliche Recherchen auf der ganzen Welt starten ließen.
Gerichtstermin für September 2024 angesetzt
Die Causa Zebrastreifen ist inzwischen mehr als ein Streit über das bloße Einhalten oder Nichteinhalten von Vorschriften. „Ich will nicht sagen, dass mir die Zebrastreifen egal sind, aber es geht uns vor allem um die schleichende Intransparenz der Verwaltungen“, sagt Thorben Grosser. „Die Stadt Luxemburg mauert bei Informationen, es werden Informationen verweigert und darauf gewartet, dass rechtliche Schritte eingeleitet werden. Das ist ein Phänomen, das in westlichen Demokratien immer größer wird. Ich finde es schade, dass nicht über die Sache selbst entschieden wird, sondern über die Herausgabe der Dokumente.“
Ursprünglich war der Gerichtstermin für April 2024 vorgesehen, nun ist die Verhandlung für September angesetzt. Zweifel, dass die Aktivisten in den Anklagepunkten recht bekommen, haben Grosser und Co. indes nicht.
Der Mobilitätsbeauftragte der Hauptstadt, Patrick Goldschmidt (DP), hat bis Redaktionsschluss auf eine Anfrage des „Luxemburger Wort“nicht geantwortet.
Das 30-minütige Video „Von Zebrastreifen, offenen Daten und verschlossenen Verwaltungen“ist auf der Homepage des deutschen Chaos Computer Club ccc.de unter „Media“abrufbar.