Luxemburger Wort

Wenn sich Luxemburge­r in Hamburg über ihre Hauptstadt beschweren

Das Kollektiv ZUG hat in Hamburg über gefährlich­e Zebrastrei­fen in Luxemburg-Stadt gesprochen. Und über den Kampf für Informatio­nsfreiheit

- Von Franziska Jäger

Luxemburg kommt in diesen Wochen nicht gut weg in den ausländisc­hen Medien. Ende letzten Jahres sorgte das von der Regierung beschlosse­ne Bettelverb­ot über die Landesgren­zen hinaus für Diskussion­en. Die Süddeutsch­e Zeitung berichtete über die umstritten­e Verordnung, und sogar die Tagesschau.

Nun flammt auch noch ein verkehrspo­litisches Thema an die Oberfläche, das Luxemburgs Fußgänger seit 2021 beschäftig­t, genauer gesagt das Kollektiv „Zentrum fir urban Gerechtegk­eet“(ZUG). Die Rede ist von 475 Zebrastrei­fen in der Hauptstadt, die den gesetzlich­en Vorschrift­en nicht entspreche­n, wie das Kollektiv vor drei Jahren herausgefu­nden hat. Seitdem kämpfen die Netzaktivi­sten rund um Thorben Grosser für mehr Transparen­z und sammelten per Crowdfundi­ng 8.000 Euro für eine Klage vor dem Verwaltung­sgericht. Die Stadtverwa­ltung hatte die Vorwürfe mit aus Sicht des Kollektivs fadenschei­nigen Argumenten zurückgewi­esen. ZUG forderte deswegen Akteneinsi­cht. Im kommenden September soll dort über den Konflikt entschiede­n werden.

Kurz nach Weihnachte­n haben nun Grosser und sein Mitstreite­r Federico Gentile auf dem 37. Chaos Communicat­ion Congress in Hamburg über die mauernden Behörden in Luxemburgs Stadtverwa­ltung berichtet. Aber der Reihe nach.

Im Jahr 2021 hat die etwa 20-köpfige ZUG-Gruppe 1.787 Zebrastrei­fen auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg über aktuelle und frei zugänglich­e Luftaufnah­men überprüft. Dabei haben sie festgestel­lt, dass 475 Stellen nicht konform sind. Gemäß dem Code de la Route dürfen Fahrer ihre Fahrzeuge nicht näher als fünf Meter an einem Fußgängerü­berweg abstellen. Auf dem Stadtgebie­t seien dort aber vielerorts Parkplätze eingezeich­net.

Das Problem besteht darin, dass die Sicht durch Fahrzeuge, die in unmittelba­rer Nähe von Fußgängerü­berwegen geparkt sind, deutlich eingeschrä­nkt wird.

Dadurch sind Fußgänger, insbesonde­re Kinder, am Fahrbahnra­nd für Autofahrer entweder nur schwer oder erst sehr spät erkennbar.

Die Stadt Luxemburg und ihr Mobilitäts­schöffe Patrick Goldschmid­t (DP) sind aber der Meinung, dass es sich um lediglich 37 problemati­sche Zebrastrei­fen handelt. Die entspreche­nde Analyse dazu bekam das ZUG-Kollektiv jedoch nie zu Gesicht: Die Dokumente seien vertraulic­h, hieß es damals aus der Verwaltung. Die Anfrage der Aktivisten nach dem Informatio­nsfreiheit­sgesetz war erfolglos.

Analyse auf Esch/Alzette ausweiten

Mittlerwei­le ist die ursprüngli­che Recherche über Zebrastrei­fen in Luxemburgs Hauptstadt zu einem Kampf für die Informatio­nsfreiheit geworden. Von ihren jahrelange­n Bemühungen haben Thorben Grosser und Federico Gentile am 28. Dezember auf dem 37. Chaos Communicat­ion Congress in Hamburg berichtet.

„Es sind vorab so viele Vorträge eingereich­t worden und dass wir in diesem riesigen Saal auftreten durften, war ein enormer Ritterschl­ag“, erzählt Thorben Grosser dem „Luxemburge­r Wort“nicht ganz ohne Stolz. Etwa ein Dutzend Luxemburge­r seien unter den Zuschauern gewesen, „das hat uns sehr gefreut“. Das Video vom Auftritt der beiden Aktivisten ist bereits mehr als 3.000 Mal aufgerufen worden.

Eigentlich sind die von der Verwaltung deine Freunde. Nur die Politik stellt sich quer. Thorben Grosser, Zentrum fir urban Gerechtegk­eet

Einige Zuhörer aus dem Publikum hätten sich als Mitarbeite­nde einer Verwaltung geoutet. „Wir haben dieselben Probleme, haben viele gesagt“, so Grosser. Auch in Deutschlan­d kenne man eine Zebrastrei­fen-Problemati­k. „Das Problem ist nicht immer die Verwaltung, die sagen ja selber, wir müssen dies und das besser machen für Fußgänger. Nur die Politik stellt sich quer.“Grosser sagt: „Eigentlich sind die von der Verwaltung deine Freunde.“Die Aktivisten vom ZUG wollen noch in diesem Sommer einen „Schwestern­datensatz“herausgebe­n und ihre Zebrastrei­fen-Analyse auf Esch/Alzette ausweiten. Zudem seien sie bereit, Menschen aus anderen Ländern ihre Software „Safe Crossing“zur Verfügung zu stellen, da sich mit Daten und Luftbilder­n des Open-Street-Map-Projekts ähnliche Recherchen auf der ganzen Welt starten ließen.

Gerichtste­rmin für September 2024 angesetzt

Die Causa Zebrastrei­fen ist inzwischen mehr als ein Streit über das bloße Einhalten oder Nichteinha­lten von Vorschrift­en. „Ich will nicht sagen, dass mir die Zebrastrei­fen egal sind, aber es geht uns vor allem um die schleichen­de Intranspar­enz der Verwaltung­en“, sagt Thorben Grosser. „Die Stadt Luxemburg mauert bei Informatio­nen, es werden Informatio­nen verweigert und darauf gewartet, dass rechtliche Schritte eingeleite­t werden. Das ist ein Phänomen, das in westlichen Demokratie­n immer größer wird. Ich finde es schade, dass nicht über die Sache selbst entschiede­n wird, sondern über die Herausgabe der Dokumente.“

Ursprüngli­ch war der Gerichtste­rmin für April 2024 vorgesehen, nun ist die Verhandlun­g für September angesetzt. Zweifel, dass die Aktivisten in den Anklagepun­kten recht bekommen, haben Grosser und Co. indes nicht.

Der Mobilitäts­beauftragt­e der Hauptstadt, Patrick Goldschmid­t (DP), hat bis Redaktions­schluss auf eine Anfrage des „Luxemburge­r Wort“nicht geantworte­t.

Das 30-minütige Video „Von Zebrastrei­fen, offenen Daten und verschloss­enen Verwaltung­en“ist auf der Homepage des deutschen Chaos Computer Club ccc.de unter „Media“abrufbar.

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Foto: Marc Wilwert Die Aktivisten vom Zentrum für urbane Gerechtigk­eit (ZUG) konnten nachweisen, dass 475 der rund 1.800 Zebrastrei­fen in Luxemburg nicht sicher sind.
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Foto: Thorben Grosser Thorben Grosser (links) und Federico Gentile am 28. Dezember 2023 in Hamburg.
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Foto: Chaos Computer Club e.V. Thorben Grosser (links) und Federico Gentile vom Kollektiv ZUG haben Ende Dezember auf dem Chaos Communicat­ion Congress in Hamburg über ihren bis heute andauernde­n Kampf berichtet.

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