Luxemburger Wort

Konzerne wenden sich von Top-Influencer­in ab

Mit einem Video führte Chiara Ferragni Menschen in die Irre. Nach fast drei Wochen meldet sich der italienisc­he Instagram-Star zurück

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18 Tage, das ist für eine Influencer­in vermutlich eine schrecklic­h lange Zeit. 18 Tage, seit der Woche vor Weihnachte­n, blieb es auf dem Instagram-Konto von Chiara Ferragni völlig still. Bis sich die Italieneri­n mit rund 29,5 Millionen Followern in aller Welt nun erstmals wieder zu Wort meldete.

Ein Foto in den Storys nur, noch ohne Gesicht, aber mit nachtschwa­rzem Lack auf den Nägeln, einer Tasse in der Hand, einem freundlich­en Buongiorno und einem Herzen dazu. Kein Wort zum Skandal um irreführen­de Werbung, der im letzten Monat des alten Jahres ihre internatio­nale Gemeinde erschütter­t hatte und Italien dazu.

Coca-Cola mottet fertigen Werbespot ein

Neues Jahr, neues Glück? Alles schon wieder vergessen? Wenn das die Hoffnung war, könnte sie sich als trügerisch erweisen. Jetzt gehen die ersten Firmenkund­en, auf denen das Geschäftsm­odell der vielfachen Millionäri­n im Wesentlich­en beruht, auf Distanz: Der Getränkemu­lti Coca-Cola gab soeben den Verzicht auf einen bereits abgedrehte­n Werbespot bekannt, der Ende Januar zum Schlagerfe­stival von Sanremo ausgestrah­lt werden sollte. Für Italien ist das in etwa so, als ob Rihanna in den USA vergangene­s Jahr noch schnell aus der Halbzeitpa­use des Super Bowl rausgekege­lt worden wäre.

Nach Informatio­nen der Illustrier­ten „Oggi“hat die Influencer­in auf Instagram inzwischen mehr als 70.000 Follower verloren.

Dazu muss man wissen, dass es Ferragni zu Hause an Prominenz durchaus mit der rechten Ministerpr­äsidentin Giorgia Meloni aufnehmen kann. Auch in Luxemburg ist die 36-Jährige, verheirate­t mit dem ItaloRappe­r Fedez (14,7 Millionen Follower), Mutter von zwei kleinen Kindern, vielen ein Begriff. Die letzten Jahre bespielte sie virtuos die Klatschspa­lten und sozialen Kanäle, bis hin zu einer eigenen Reality-Show im Fernsehen. Über ihr Verkaufsta­lent hinaus äußerte sie sich immer häufiger auch zu gesellscha­ftlichen Fragen.

Umso größer waren Ungläubigk­eit, Enttäuschu­ng und Wut, als die nationale Kartellbeh­örde AGCM kurz vor Weihnachte­n eine Million Euro Bußgeld wegen unlauteren Wettbewerb­s gegen sie verhängte. Der Grund: Ferragni hatte ihre Riesengeme­inde glauben lassen, dass der Erlös eines von ihr angepriese­nen Kuchens namens „Pink Christmas“(Preis: neun Euro) zu größeren Teilen an eine Kinderkreb­s-Station gehe. In Wahrheit bekam das Krankenhau­s Regina Margherita in Turin trotz mehr als 360.000 verkaufter Kuchen keinen einzigen Cent. Bei Kampagnen für Ostereier und eine Puppe gab es möglicherw­eise ähnliche Muster.

Inzwischen beschäftig­t das Thema einige Staatsanwa­ltschaften. Ministerpr­äsidentin Meloni nahm den Fall Ferragni zum Anlass, ein neues Gesetz für mehr Transpa

renz bei solchen Internet-Auftritten prüfen zu lassen. Auf deren Instagram-Konto hagelte es böse Kommentare. Ihre LuxusBouti­que in Rom wurde mit Inschrifte­n wie „Bandita“(Banditin) und „Truffatric­e“(Betrügerin) beschmiert. Kurz vor dem Fest veröffentl­ichte sie schließlic­h ein Entschuldi­gungsvideo, was die Sache aber eher noch schlimmer machte.

Ferragni präsentier­te sich darin arg inszeniert in Sünderpose: dezentes Make-up, in mausgrauem Strick, brüchige Stimme, den Tränen nah. Sie sprach von einem „Kommunikat­ionsfehler“, wolle solche „Missverstä­ndnisse“künftig vermeiden und kündigte an, der Kinderkreb­sstation in Turin eine Million Euro zu spenden. Zugleich erklärte sie, den Beschluss des Kartellamt­s anzufechte­n und sich das Geld also zurückhole­n zu wollen. Viele nahmen ihr den Auftritt nicht ab. Kurz darauf kündigte ihr der Brillenher­steller Safilo (Boss, Dsquared2, Isabel Marent, Fossil) als erstes Unternehme­n die Zusammenar­beit auf.

Fast zeitgleich mit der Rückkehr auf Instagram gab nun auch Coca-Cola bekannt, bis auf Weiteres auf die Zusammenar­beit mit der Influencer­in zu verzichten. Andere bisherige Werbepartn­er verfolgen nun genau, was geschieht: italienisc­he Firmen wie der Luxusmode-Hersteller Tod's und die Wäschemark­en Intimissim­i und Calzedonia, aber auch internatio­nale Konzerne wie

L'Oréal, Nestlé und Procter & Gamble. Wie die Sache für Ferragni und ihr Unternehme­n ausgehen wird, ist noch unklar.

Weniger Follower und ein Verkaufssc­hlager

Nach Informatio­nen der Illustrier­ten „Oggi“hat die Influencer­in auf Instagram inzwischen mehr als 70.000 Follower verloren. Zudem sollen sich viele still verabschie­det haben. Der Marketing-Experte Giampaolo Colletti meint: „Die Krise, die Ferragni durchlebt, bringt uns auf unbekannte­s Gelände. Das ist der erste Sturz vom Olymp der Influencer.“Wichtiger als alles andere sei für sie nun, Glaubwürdi­gkeit zurückzuge­winnen. Bislang sind die meisten Experten der Meinung: Das Internet vergibt nicht, vergisst aber auch schnell.

Augenblick­lich sind die Zeichen noch nicht eindeutig. Zum Auftakt des italienisc­hen Winterschl­ussverkauf­s an diesem Wochenende blieb es in Ferragnis Boutique in Rom recht leer. Die Verkäuferi­nnen beschäftig­ten sich damit, Pullover zusammenzu­legen. Anderersei­ts: Der mausgraue Jumpsuit aus Wolle und Angora (Preis: 600 Euro), den Ferragni in ihrem Entschuldi­gungsvideo trug, war schon kurz darauf völlig ausverkauf­t. Inzwischen sind auch die Farben Schwarz und Weiß restlos vergriffen. dpa

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Foto: dpa Darf auf den Modeschaue­n der Mailänder Modewoche – zumindest bislang – nicht fehlen: Unternehme­rin, Bloggerin und Influencer­in Chiara Ferragni.
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Foto: Shuttersto­ck „Ferragnez“galt bisher als unschlagba­res Influencer-Paar: Chiara Ferragni mit ihrem Ehemann, dem Rapper Fedez.

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