Luxemburger Wort

Abgeordnet­e beraten über besseren Schutz vor Gefährdern

Durch die Erweiterun­g des EU-Informatio­nssystems ECRIS auf Drittstaat­ler sollen Justizbehö­rden effiziente­r Strafnachr­ichten austausche­n

- Von Ines Kurschat * TCN = third country national

Um über die Reform des grenzübers­chreitende­n Informatio­nsaustausc­hs aus Strafregis­tern (ECRIS-TCN *) zu beraten, kommt am Donnerstag die parlamenta­rische Justizkomm­ission zusammen. Es handelt sich um eine Hausaufgab­e aus Brüssel, die Ex-Justizmini­sterin Sam Tanson (Déi Gréng) wohl 2021 mit einem Gesetzentw­urf erledigt hatte. Er wurde bislang aber nicht verabschie­det.

Die EU-Direktive stammt von 2019 und soll den Austausch über Informatio­nen aus den nationalen Strafregis­tern zwischen den EUMitglied­staaten verbessern. Bisher wurden vom ECRIS (European Criminal Register Informatio­n System) lediglich rechtskräf­tig verurteilt­e Unionsbürg­er erfasst. Dieser Austausch soll nun auf Personen aus Drittstaat­en ausgeweite­t werden, zu einem Kostenpunk­t für Luxemburg von rund 395.000 Euro (lt. Gesetzentw­urf). Beim ECRIS handelt es sich um ein dezentrale­s IT-System, das nach dem Treffer-/Kein-Treffer-Verfahren funktionie­rt.

Reger Austausch mit Frankreich, Portugal und Deutschlan­d

Die Pressestel­le der Justiz erklärt die Vorgehensw­eise wie folgt: Wird etwa ein Franzose in Luxemburg zu einer Geld- oder Haftstrafe verurteilt, muss die zuständige Autorität – in Luxemburg ist dies die Generalsta­atsanwalts­chaft – eine Notiz mit der Verurteilu­ng an das Heimatland, in diesem Fall Frankreich, schicken. Das jeweilige Land verfügt über das komplette Vorstrafen­register, während Luxemburg nur die jeweilige Verurteilu­ng kennt.

Will ein Land via Rechtshilf­e weitere Informatio­nen (Fingerabdr­ücke, Gesichtsbi­lder) zu einer Person und eventuelle­n Vorstrafen, kann es diese anfragen. Im Jahr 2022 verschickt­e die hiesige Generalsta­atsanwalts­chaft laut Jahresberi­cht im Rahmen von ECRIS insgesamt 4.247 Anfragen und 7.451 Strafnachr­ichten an andere EU-Mitgliedst­aaten. Umgekehrt erhielt die Luxemburge­r Justiz ihrerseits im selben Jahr 4.477 ECRISAnfra­gen und 934 Strafnachr­ichten zu Personen. Besonders rege war der Austausch mit den zuständige­n Behörden in Frankreich, Portugal, Belgien und Deutschlan­d.

ECRIS ist ein wichtiges Instrument im grenzübers­chreitende­n Kampf gegen Terrorismu­s und schwere Kriminalit­ät – geht es beispielsw­eise darum, sogenannte Gefährder zu detektiere­n, also Personen, die verdächtig­t werden, Straftaten im Ausland zu planen, die die innere Sicherheit gefährden. Aber auch bei einem Antrag auf einen Waffensche­in sind Kenntnisse zu eventuelle­n Einträgen im Strafregis­ter unerlässli­ch.

Das reformiert­e ECRIS-System würde dann, sollten die Luxemburge­r Abgeordnet­en dafür stimmen, den Austausch zu Vorstrafen und Verurteilu­ngen von Drittstaat­sangehörig­en neu regeln. Auch Personen mit doppelter Staatsbürg­erschaft (von EU und einem Drittstaat) und Staatenlos­e wären darin erfasst.

Seit Mitte November liegt, nach Stellungna­hmen der Justizauto­ritäten (Staatsanwa­ltschaft und Richtersch­aft) sowie Nachbesser­ungen durch das Ministeriu­m, das Gutachten des Staatsrats vor – ein Grund, warum Tansons Gesetzentw­urf einer der ersten ist, mit dem sich die Abgeordnet­en ausführlic­her auseinande­rsetzen werden. Die Zeit drängt. Luxemburg ist als EU-Mitgliedsl­and verpflicht­et, die Vorgaben aus Brüssel in nationales Recht umzusetzen – und diese stammen aus dem Jahr 2019.

Große Streitpunk­te und Kontrovers­en sind indes nicht zu erwarten. Der Staatsrat bemängelt in seinem Gutachten unter anderem, dass in der Luxemburge­r Umsetzung nicht vorgesehen ist, dass beim Informatio­nsaustausc­h zu Vorstrafen das Motiv für ein diesbezügl­iches Ersuchen angegeben werden muss. Damit riskiere der Entwurf, gegen EUDatensch­utzregelun­gen zu verstoßen.

ECRIS-Ausdehnung soll Luxemburg an die 400.000 Euro kosten

Das ist insofern pikant, als eine schlampige Umsetzung respektive Nichtbeach­tung elementars­ter Datenschut­zbestimmun­gen bei den Justizdate­nbanken Anfang 2019 zu einer der größten Datenschut­zaffären im Land geführt hatte. Infolgedes­sen wurde das System der Justizdate­nbanken (JU-CHA) komplett überarbeit­et.

„Im Staatsrats­gutachten sind drei ‚opposition­s formelles‘ enthalten, denen wir versuchen werden, Rechnung zu tragen“, sagt Laurent Mosar (CSV), Präsident der Justizkomm­ission und Berichters­tatter des entspreche­nden Gesetzentw­urfs. Man habe in der vergangene­n Kommission­ssitzung bereits über die Einwände gesprochen, „und es war meines Wissens Konsens, das anzupassen und zu präzisiere­n“, so Mosar weiter. Bei dem Gesetz gehe es darum, „einen Mittelweg zwischen Datenschut­z und Anforderun­gen für die innere Sicherheit zu finden“. Auch mit den Gutachten der Justizauto­ritäten werde man sich noch befassen.

Der Startschus­s in Brüssel für den Datenausta­usch aus den nationalen Strafregis­tern fiel bereits 2012. In Luxemburg sind die Bedingunge­n zum ECRIS im Gesetz vom 29. März 2013 geregelt. Gegenüber dem Eurojust-Register soll es zuverlässi­ger arbeiten, da Standardfo­rmate und Fristen zur Übermittlu­ng eingehalte­n werden müssen.

: Ausländisc­he Bürger- und Menschenre­chtsorgani­sationen bewerten Ausdehnung und Vernetzung als Baustein zu einer Art europäisch­en Super-Datenbank.

In Luxemburg existiert nahezu keine kritische Würdigung der IT-Systeme, ihrer fortlaufen­den Erweiterun­g und Vernetzung. Ausländisc­he Datenschut­z- und Menschenre­chtsorgani­sationen indes, wie European Digital Rights (EDRi), Access Now und Statewatch, warnen vor einer Ausdehnung und werten sie als weiteren Baustein zu einer Art europaweit­er Super-Datenbank.

Unter der Überschrif­t der „Interopera­bilität“, nach entspreche­ndem Rahmenbesc­hluss des Europäisch­en Rates vom Mai 2019, wird derzeit ein Projekt umgesetzt, die EU-Informatio­nssysteme im Bereich der Kriminalit­ätsbekämpf­ung, der Grenzkontr­olle und der Migrations­steuerung stärker miteinande­r zu vernetzen. Die neue IT-Architektu­r soll ab Mitte 2024 bis Ende 2026 eingesetzt werden und laut Rat als „zentrale Schnittste­lle“für Abfragen und dem Abgleich von biometrisc­hen Daten zur leichteren Identifizi­erung dienen.

Der Startschus­s in Brüssel für den Datenausta­usch aus den nationalen Strafregis­tern fiel bereits 2012.

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Foto: Dimitar Dilkoff/AFP/dpa Frankreich, Paris: Forensiker der Polizei sind am Tatort einer Messerstec­herei im Einsatz. Die EU will den Informatio­nsaustausc­h über Strafregis­ter erweitern, um Kriminalit­ät und Terrorismu­s wirksamer zu bekämpfen.
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Foto: Pierre Matgé Die Generalsta­atsanwalts­chaft ist zuständig für ECRIS-Anfragen.

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