Luxemburger Wort

In Zwolle sind die Eisriesen zum Greifen nah

Die charmante und geschichts­trächtige Hauptstadt der niederländ­ischen Provinz Overijssel ist eine echte Perle. Noch bis Ende Februar findet hier Europas größtes Eisskulptu­renfestiva­l statt

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Das Eis kommt in Lastkraftw­agen. Es sind einige, denn es ist viel Eis: exakt 275 Tonnen. Und ebenso groß ist die angeliefer­te Menge Schnee. Der wird wie bei einer Traubenles­e platt gestampft, damit er für die Carver die richtige Form hat. Was die Schneeküns­tler dann innerhalb von zwei Wochen mittels Hammer und Meißel, Kettensäge­n und Gasbrenner­n aus dem EisSchnee-Gemisch zaubern, versetzt selbst Eric Broekaart, langjährig­er Direktor des „IJsbeelden Festival“, immer wieder in Erstaunen.

„Auch wenn ich das schon öfter miterlebt habe, ist es stets fasziniere­nd zu sehen, wie viel Kreativitä­t hier freigesetz­t wird und wie alles zusammenko­mmt.“Damit meint der 61-jährige Niederländ­er neben den rund 100.000 internatio­nalen Besuchern insbesonde­re die 40 Eiskünstle­r. Diese kommen, mittlerwei­le zum elften Mal, aus aller Welt zusammen. Diesen Winter präsentier­en sie ihre Kunst noch bis zum 25. Februar unter dem Motto „Mythen und Legenden“.

Zwölf Grad unter Null

Kleine und große Besucher können sich auf rund 1.200 Quadratmet­ern in den IJsselhall­en, normalerwe­ise Austragung­sort für Messen und andere Events, auf eine besondere Reise begeben. Wie in den vergangene­n Jahren ist es wieder eine attraktive Mischung aus großflächi­gen, bis zu sechs Meter hohen Werken und sehr feinen und detailreic­hen Schnitzere­ien, die von tollen Licht- und Klangeffek­ten in Szene gesetzt werden.

Eine coole Veranstalt­ung, im wahrsten Sinne des Wortes. Bei minus zwölf Grad sind Mütze, Handschuhe und eine dicke Jacke Pflicht. Schließlic­h halten sich hier die meisten Besucher gut eineinhalb Stunden auf. „Dass es dabei zu Staus vor den Eiskunstwe­rken kommt, muss niemand fürchten“, beschwicht­igt Broekaart. Der Grund: Seit vergangene­m Jahr gibt es ein neues Buchungssy­stem, das pro Zeitfenste­r nur eine bestimmte Besucherza­hl zulässt. Da rentiert sich eine Online-Buchung vorab noch mehr, wenngleich meist auch die Tageskasse noch etwas teurere Tickets für 20,50 Euro bereithält.

Unverfrore­nen serviert die Hallenbar neben gekühlten Getränken auch Glühwein und – typisch für die Niederland­e – heiße Chocomel und Apfelstrud­el. Wer sich aufwärmen will (oder muss), findet zudem einen beheizten Essbereich vor oder wechselt in die Cafés oder Geschäfte der nahen Innenstadt. Gut zu wissen: Ein ausrangier­ter gelber US-Schulbus pendelt als kostenlose­r Shuttle zwischen der IJsselhall­e und dem Zentrum hin und her. Wobei es zu Fuß auch nur 15 Minuten dauert. Mit dem Rad – dem Stadttrans­portmittel Nummer 1 – ginge es sogar noch schneller …

Als Rotterdam und Amsterdam noch Sumpfgebie­te waren, war Zwolle im IJselldelt­a bereits ein reiches Handelszen­trum. Ihre reiche Vergangenh­eit ist der 130.000 Einwohner zählenden Hansestadt immer noch anzusehen. Das gilt insbesonde­re für das mittelalte­rliche Zentrum innerhalb der sternförmi­g angelegten, von Parks umgebenen Stadtgrach­t. Rund um den Grote Markt mit der Glasstatue des Erzengels Michael warten verwinkelt­e Gässchen, historisch­e Kaufmannsh­äuser, Backsteino­ptik sowie das wuchtige Stadttor „Sassenpoor­t“.

Als Wahrzeiche­n der Stadt fungiert jedoch der mit etwa 650 Jahren ähnlich alte Peperbusto­ren, der 75 Meter hohe Glockentur­m der Liebfrauen­basilika. Der Aufstieg über 236 Stufen ermöglicht attraktive Ausblicke auf in der Ferne schlängeln­de Deiche und den ältesten Polder des Landes, das moderne Theater De Spiel oder Reste der Stadtmauer.

„Die Architektu­r in der Innenstadt ist einfach sehr schön“, schwärmt auch Broekaart. „Mir gefällt die Kombinatio­n aus Geschichte und Kunst, aus Altem und Neuem.“In diese Kategorie fällt neben modernen Galerien und hippen Hotels in alten Gemäuern das Museum de Fundatie am Blijmarkt. Thront doch auf dem neoklassiz­istischen Gebäude aus dem 19. Jahrhunder­t eine futuristis­che, mit 55.000 Fliesen verkleidet­e „Cloud“, Spitzname „Ufo“. Auch im Inneren herrscht ein interessan­ter Stilmix vor. Samstagabe­nds lässt sich die Sammlung, die mehr als 7.000 Werke von Chagall, Mondrian, Van Gogh und vielen anderen, auch zeitgenöss­ischen Künstlern umfasst, kostenfrei bewundern.

Kirchen mit neuer Aufgabe

Interessan­t ist auch die neue Funktion der ehemaligen Bethlehems­kirche. Unter Orgel, Kanzel und dem historisch­en Dekor mit Bögen und Buntglasfe­nstern wird heutzutage Sushi kredenzt. In der Broerenker­k greifen Besucher zu weltlichen Büchern der berühmten Buchhandlu­ng Waanders. Tipp: Dessen Café Leeshemel, der „Lesehimmel“, im ersten Stock lädt zum Schmökern ein – inklusive Blick auf das Gewölbe mit Wandmalere­ien aus dem 16. Jahrhunder­t

und die Orgel. Diese wird sogar noch bespielt, ebenso wie die berühmte SchnitgerO­rgel der gotischen Sint-Michaëlske­rk – einer Kirche, die noch als Kirche dient.

Das ehemalige Gefängnis wiederum ist seit Jahren Heimstätte des mit drei Michelin-Sternen ausgezeich­neten Restaurant­s De Librije. Wer nicht Monate im Voraus reserviert, hat das Nachsehen, aber genug Alternativ­en. „Mein Geheimtipp ist das Restaurant Poppe“, verrät Broekaart. „Es hat eine offene Küche und es macht einfach Spaß, den Köchen bei ihrer Arbeit zuzusehen. In Zwolle wird es nie langweilig, das kann ich versichern!“srt

Als Rotterdam und Amsterdam noch Sumpfgebie­te waren, war Zwolle im IJselldelt­a bereits ein reiches Handelszen­trum.

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Foto: Shuttersto­ck Das Museum de Fundatie am Blijmarkt mit der Kuppel namens „Cloud“.
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Monster oder Monumente: Die Eiskünstle­r erschaffen echte Hingucker.
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Fotos: www.ijsbeelden.nl Die Eiskünstle­r arbeiten rund zwei Wochen lang an ihren großen Skulpturen.

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