Victor Bettendorf verliert kurz vor Olympia das Pferd seines Herzens
Der Springreiter wird bei den Sommerspielen in Paris nicht auf dem Rücken von Mr. Tac reiten. Jetzt beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, damit der Traum nicht platzt
Mit einem Paukenschlag endet eine der größten Erfolgsgeschichten des luxemburgischen Reitsports – und womöglich sogar Victor Bettendorfs Traum von den Olympischen Spielen in Paris. Noch im Februar vergangenen Jahres gewann der 34-Jährige in Göteborg (S) als erster Springreiter aus dem Großherzogtum einen Fünf-Sterne-Grand-Prix. Nur zwei Monate später sollte ihm diese Meisterleistung beim Saut Hermès in Paris erneut gelingen. Das wäre ohne sein Ausnahmepferd Mr. Tac nicht möglich gewesen – aber der sprunggewaltige Vierbeiner ist jetzt weg.
Zwei Jahre ritt Bettendorf im Sattel des zwölfjährigen Wallachs von Erfolg zu Erfolg, zum Jahreswechsel stand fest: Die Einzelqualifikation für Olympia ist gemeistert, der große Traum wird wahr. Doch jetzt droht ebendieser, ohne eigenes Verschulden, wieder zu zerplatzen. Denn über die sozialen Medien teilte der Reiter am Montag Folgendes mit:
„Ich bin traurig den Abschied meines Begleiters Mr. Tac bekannt geben zu müssen… Die Besitzer haben beschlossen, ihn einem anderen Reiter anzuvertrauen. Dieses fantastische Pferd hat für immer einen Platz in meinem Herzen. Zu ihm habe ich eine besondere Beziehung aufgebaut. Als er sechs und sieben Jahren alt war, sind wir erstmals gemeinsam geritten, mit neun Jahren habe ich ihn nach einer Pause wiedergefunden. Er hat es mir ermöglicht, meinen ersten Vier-Sterne-Grand-Prix in Bourg-en-Bresse, den Fünf-Sterne-GrandPrix von Göteborg (nicht Longines Weltcup) und vor allem den berühmten FünfSterne-Grand-Prix des Saut Hermès zu gewinnen. Diese Ergebnisse haben mir auch die höchste Ehre, den Zugang zu den Olympischen Spielen beschert...“, resümiert Bettendorf. Der internationale Reitverband (FEI) hatte die individuelle Qualifikation Bettendorfs für Luxemburg bereits Anfang letzter Woche bestätigt.
Offenbar kam es in den vergangenen Monaten jedoch zu Unstimmigkeiten zwischen Bettendorf und der Besitzerin von Mr. Tac, Geneviève Mégret vom Gestüt Clarebec. Die Französin entschloss sich nun, die Zusammenarbeit mit dem Luxemburger, der in Frankreich lebt, zu beenden.
„Ein neues Kapitel beginnt. Wir haben diese Entscheidung getroffen, um der weiteren sportlichen Karriere unseres Pferdes, das wir so sehr lieben, gelassener entgegensehen zu können“, erklärte Mégret. „Wir haben in den vergangenen beiden Saisons große Anstrengungen unternommen, um Victor Bettendorf im Sattel von Mr. Tac zu halten. Dank dem Gestüt Clarebec hat Mr. Tac es Victor ermöglicht, außergewöhnliche Momente zu erleben und auf der internationalen Bühne zu explodieren. Das gegenseitige Vertrauen zwischen uns war am Ende aber nicht mehr ausreichend gegeben. Und in diesem Fall muss man einfach wissen, wann man aufhören muss.“
Die möglichen Ersatzpferde
Für Victor Bettendorf ist dies zwar ein herber Rückschlag, aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. „Victor steht in engem Kontakt mit dem luxemburgischen Reitverband (FLSE). Er hat jetzt Zeit bis zum 15. Januar, alle relevanten Pferde zu melden“, erklärt der Technische Direktor des COSL, Raymond Conzemius. Die Situation sei zwar unbefriedigend, aber nicht hoffnungslos. Gleichwohl beginne jetzt ein Wettlauf gegen die Zeit. „Victors Qualifikation bleibt bestehen, mit ihm wollen wir nach Paris“, so Conzemius.
Dass jetzt alles sehr schnell gegen muss, bestätigt auch der Generalsekretär der
FLSE, Paul Engel. „Wir erwarten Victor noch diese Woche in Luxemburg, um wichtige Formalien zu erledigen.“Denn wenn der 34-Jährige bei den Spielen in Paris antreten will, benötigt er Pferde, die für Luxemburg gemeldet sind, und dies ist momentan noch nicht der Fall. „Mit Simolo de la Roque hat Victor ein anderes Pferd, das die Olympianorm bereits erfüllt hat. Dieses und ein paar weitere sollen jetzt bis zum 15. Januar umgemeldet werden“, so Engel.
Mit Simolo de la Roque hat Victor ein anderes Pferd, das die Olympianorm bereits erfüllt hat. Paul Engel, Generalsekretär der FLSE
Neben Simolo de la Roque sind dies noch Astuce de la Roque und Big Star des Forêts, die derzeit im Besitz von Alexandrine Bonnet Dian und Michel Hécart sind, den Eltern von Adeline Hécart, der Lebensgefährtin von Victor Bettendorf. Aktuell laufen alle unter französischer Fahne, doch bei der FLSE hofft man, dass es sich hier um eine reine Formsache handelt.
Dennoch will sich Bettendorf auch persönlich mit eigenen Pferden breiter aufstellen, hier möglicherweise zeitnah noch einige Jungtiere hinzukaufen. Denn „auch junge Pferde können große Sprünge machen“, wie es Conzemius mit einem Lächeln entfährt. Mit Simolo de la Roque hat Luxemburgs Springreit-Hoffnung für Paris zumindest ein Pferd, das die Norm bereits erfüllt hat. Ob es denn am Ende wirklich dieses Pferd, eine erfolgreiche Ummeldung vorausgesetzt, sein soll, ist derweil noch nicht klar.
Dennoch zeigt man sich sowohl beim COSL als auch bei der FLSE optimistisch, dass der Sportler in Paris an den Start gehen kann. Womöglich wird er dort sogar Mr. Tac wieder begegnen, allerdings mit einem anderen Reiter im Sattel – doch dazu wollten die Verantwortlichen des Gestüt Clarebecs noch keine Angaben machen.
Auch junge Pferde können große Sprünge machen. Raymond Conzemius, Technischer Direktor beim COSL