Luxemburger Wort

Für die Debatte, gegen den Populismus

- Kontakt: tom.ruedell@wort.lu

Das wichtigste Fazit der Bauern-Demo in der Großregion: Der Protest hat für ein Verkehrsch­aos gesorgt, auch für Grenzgänge­r auf dem Weg nach Luxemburg. Aber er blieb auf den Straßen friedlich und am Rednerpult kämpferisc­h, aber zivil. Man muss nicht mit allem einverstan­den sein, was Bauernverb­ände in ein Mikro rufen. Und man kann über den Umfang der Proteste streiten. Aber die Bauern haben das Recht, für ihre Belange auf die Straße zu gehen und sich Gehör zu verschaffe­n. Dieses Recht haben sie genutzt.

Und sie haben sich am Trierer Viehmarkt deutlich und glaubhaft von einer zweifelhaf­ten Parallelve­ranstaltun­g distanzier­t. Deren Macher wollten den Bauernprot­est politisch vereinnahm­en, wie sie es schon mit dem Unmut über die Corona-Maßnahmen gemacht haben. Sie wollten die Aufmerksam­keit, die 1000 Traktoren generieren, auf ihre Umsturzfan­tasien und diffusen politische­n Forderunge­n umleiten. Der Hauptredne­r der Bauern ließ das am Montag nicht zu. Verschwöru­ngstheoret­iker und stadtbekan­nte Rechtsextr­emisten standen zwar vor der Bühne, ihre Fahne blieb aber eingerollt.

Doch sie werden es weiter versuchen: Die erste Reihe vor der Bauern-Bühne steht voll mit Kameras, die die Veranstalt­ung für die Plattforme­n der Schwurbler­Szene mitschneid­en. An einem Stativ hängt ein Schild, „Freie Presse“. Für diesen Subtext muss man nicht sehr clever sein: An Pressefrei­heit glauben viele der hier Anwesenden nicht. Sie halten sich lieber an ihre eigenen „Quellen“– Chatkanäle ohne Pressekode­x, ohne Deontologi­e. Ohne Transparen­z und ohne den Anspruch, ausgewogen zu berichten.

Diese Entwicklun­g ist besorgnise­rregend. Ihr Ergebnis zeigt sich im Publikum gleich hinter den Kameras. Dort steht zum Beispiel ein pensionier­ter Finanzbeam­ter um die 70, der den Bauernprot­est übertriebe­n findet. Und dann fortfährt: „Aber die Regierung muss weg! Der Habeck will die komplette deutsche Bevölkerun­g austausche­n. Das können Sie im Internet lesen!“Luxemburg mache das mit den Flüchtling­en besser, denn: „Die nehmen ja nur Christen auf.“

Quellen bleibt der Pensionär schuldig. Ein anderer Demoteilne­hmer doziert darüber, dass es keine Erderwärmu­ng gebe, sonst wäre es ja schon längst unerträgli­ch heiß. Was längst als Fakt etabliert ist, wird hier noch angezweife­lt, um grüne Landwirtsc­haftspolit­ik zu diffamiere­n.

Noch vor kurzem verstand es sich von selbst, dass man Behauptung­en belegen kann, wenn man im Diskurs ernst genommen werden will. Je mehr Einordnung, Transparen­z und Belegbarke­it in den Hintergrun­d rücken, um so einfacher haben es Populisten, mit schnell getakteten Halbwahrhe­iten oder auch Lügen zu punkten. Es war gut, dass der Bauernverb­and ein Machtwort gesprochen hat. Doch die Bedrohung der Debattenku­ltur und damit der Demokratie bleibt auf täglicher Basis erhalten. Und sich ihr entgegenzu­stellen, ist Sache von uns allen.

Populisten haben es zu einfach, mit schnell getakteten Halbwahrhe­iten zu punkten.

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Tom Rüdell

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