LCGB äußert harsche Kritik an Sozialministerin Deprez
Neujahrsempfang bei der christlichen Gewerkschaft macht deutlich: Die Kommunikation über Pensionen und angedachten Reformen sorgt für Irritation
Am 12. März sind Sozialwahlen. Kein Wunder, dass sich der LCGB bei seinem Neujahrsempfang am Mittwoch kämpferisch zeigt. Hart ins Gericht ging LCGBPräsident Patrick Dury vor allem mit Sozialministerin Martine Deprez (CSV). Die Art und Weise, wie die Ministerin im Dossier Pensionen bislang vorgeht, sei amateurhaft und fehl am Platz.
Man könnte meinen, das System sei bankrott, dabei sei mit Reserven von 24,5 Milliarden Euro das Gegenteil der Fall. „Der LCGB lehnt es ab, dass das Rentensystem für die nächsten Generationen massiv verschlechtert werden soll, wie die Regierung es via Medien schon dekretieren will“, machte Dury klar.
Was hat Martine Deprez gesagt?
Martine Deprez hat zwar bislang stets betont: Was gemacht würde, wisse sie noch nicht, man werde aber darüber reden, denn es sei „verantwortungslos, nichts zu unternehmen“. Und die Sozialpartner seien die ersten Ansprechpartner. Diese Gespräche wurden noch nicht begonnen, es gab allerdings einzelne Aussagen von Martine Deprez auf RTL, beim 100,7 und im „Wort“, die Raum für Interpretationen boten und einen Nerv trafen.
Krise im Bausektor ausrufen
Für den Bausektor fordert Dury die Absicherung der Arbeitsplätze über einen sektoriellen Plan, der mit den Gewerkschaften verhandelt werden soll: „Wenn das gelingt, muss die Regierung ihre Verantwortung übernehmen und den Sektor zum Krisensektor erklären, damit die Regeln der Kurzarbeit zum Tragen kommen.“Es sei unverantwortlich, hier weiter Zeit zu verlieren, weil Existenzen auf dem Spiel stehen. Die Regierung müsse hier auch endlich für den Aufschwung im Wohnungsbau sorgen. „Der LCGB will keine Krise verwalten müssen!“Die Arbeitnehmer in dem Sektor müssten Arbeit haben und junge Leute sollen sich wieder eine Wohnung leisten können.
Aussagen, wie: Die Reform von 2012 zeige erst 2052 Auswirkungen, ein neues System müsste auf alle Fälle ab 2030 oder 2035 greifen; man müsse die Grundrente stärken auf Kosten des Teils, der sich aus Gehaltshöhe ergibt, was auch 2012 schon angedacht war; man müsse sich einigen, was die Pensionsversicherung sein soll – die Absicherung des Einzelnen oder eine Absicherung des Alters durch die Gesellschaft mit anderen Parametern; die Ungerechtigkeiten des aktiven Lebens dürften sich nicht im Rentenalter fortsetzen.
Dazu kommt der Ansatz im Regierungsprogramm, dass die gesetzliche Versicherung die zentrale Säule bleiben soll, aber die verstärkte Förderung der zweiten (Betriebsrenten) und dritten (Privatvorsorge) Säule, vor allem durch Steuererleichterungen, analysiert werden soll.
Die Ungerechtigkeiten des aktiven Lebens nicht auf die Rente übertragen
Als „populistischen und demagogischen Ansatz“prangerte Dury dies an: „Ist das Leistungsprinzip, das im Privatsektor spielt, auf einmal ungerecht? Müssen sich Leute, die mehr als den Mindestlohn – wohlgemerkt im Privatsektor – verdienen, auf einmal dafür schämen?“, fragte
Dury und verwies darauf, dass die einzige Ungerechtigkeit, die besteht, die Ungerechtigkeiten zwischen dem Privatsektor und dem öffentlichen Dienst seien. „Frau Ministerin, Sie sind blind für diese Ungerechtigkeiten, weil Sie selber ja eine Staatsbeamtin sind.“
Die Betriebs- und private Vorsorge stärken
Als einzige Ungerechtigkeit, die hier entstehe, bezeichnete Dury es, wenn die eine über Jahrzehnte zusammen mit den Sozialpartnern definierte Sozialpolitik durch karitative Elemente, wie eine Grundrente ersetzt werden soll. „Menschen, die mehr als den Mindestlohn im Privatsektor verdienen, sollen sich jetzt privat versichern. Aber wer, außer vielleicht die Leute aus der Chefetage, hat die nötigen Mittel dafür?“, fragte Dury. Hier würde Apartheid vom Feinsten probiert. Die 1. Klasse für das Wahlvolk, was den öffentlichen Dienst angeht. Und Krümel für die Leute, die jeden Tag antreten, um den Reichtum dieses Landes zu erschaffen.
Was will der LCGB?
Der LCGB fordert die Regierung auf, Verhandlungen mit den Sozialpartnern auf
zunehmen, um das Pensionssystem abzusichern. Dabei dürften Beitragserhöhungen oder das Abschaffen der Deckelung des beitragspflichtigen Einkommens auf das Fünffache des Mindestlohns kein Tabu sein. Wobei nichts dagegen spreche, gleichzeitig aber die Leistungen zu deckeln. Der christliche Gewerkschaftsbund fordert auch mehr Konvergenz zwischen dem öffentlichen und dem Privatsektor und lehnt eine Zweiklassengesellschaft ab. „Es sind die Arbeitnehmer aus dem Privatsektor, die mit ihrer Arbeit den Reichtum erschaffen, unsere Sozialversicherung finanzieren und auch die Gehälter der Minister bezahlen und nicht umgedreht“, betonte Dury.
Forderungen an den Premierminister
Der LCGB-Präsident richtete sich auch direkt an Premierminister Luc Frieden (CSV): „Herr Premierminister, Sie haben uns vermittelt, dass Sie für einen respektvollen Umgang hier im Land eintreten wollen. Dann müssen Sie auch in Ihrer Regierung die Mitglieder bremsen, die mit Demagogie und Populismus die Arbeit der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder herabsetzen.“Er müsste auch wissen, dass die Privatisierung, also das Ersetzen des Rentensystems durch eine Zusatzpension, kein seriöser Weg sein könne.
Botschaft an die Arbeitgeber
Die Zerstörung des öffentlichen Rentensystems bedeute das Ende des Tripartite-Modells und stelle den sozialen Frieden infrage. Der LCGB sei gewillt, mit den anderen Gewerkschaften bis zum Äußersten zu gehen, um das Sozialmodell zu erhalten und zu verteidigen.