Wenn Sekunden über Leben und Tod entscheiden
Leben retten kann eigentlich jeder, wenn er die notwendigen Handgriffe beherrscht. Ein Erste-Hilfe-Kurs gibt die notwendige Sicherheit für den Ernstfall
Wenn ein lebensbedrohlicher Notfall eintritt, muss alles sehr schnell gehen. „Leider vergehen oft wertvolle Minuten zwischen dem Eintreten des Notfalls und dem Eintreffen professioneller Hilfe“, sagt Cédric Gantzer, Pressesprecher des Großherzoglichen Feuerwehr- und Rettungskorps (CGDIS). Manchmal könnten diese Minuten über Leben und Tod entscheiden.
Niemand ist vor medizinischen Notfällen gefeit. Cédric Gantzer berichtet von einem Fall, bei dem ein Mitglied eines Radclubs mitten im Wald auf seinem Mountainbike sitzend einen Herzstillstand erlitt. Die anderen Radfahrer riefen sofort den Notruf – und leisteten Erste Hilfe. „Er konnte schnell reanimiert werden, heute fährt er wieder Rad“, sagt der Pressesprecher. Das war nur möglich, weil ein Mitglied des Radclubs die richtigen Handgriffe gelernt hatte.
Bis zu fünf Jahre Haft für unterlassene Hilfeleistung
Unterlassene Hilfeleistung ist auch in Luxemburg strafbar. Der Artikel 410-1 des Strafgesetzbuches sieht Geldstrafen in einer Höhe bis 10.000 Euro und Haftstrafen von bis zu fünf Jahren vor. „Das Mindeste, was jeder tun muss, wenn er eine Person in Not sieht, ist den Notruf 112 zu wählen“, sagt Gantzer. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber nicht jeder fühlt sich dazu berufen. Das sieht Susana auch so. „Ich bin Sicherheitsbeauftragte in meiner Firma und habe dort einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert“, sagt sie. Dass nicht jeder den Reflex hat, Menschen in Not sofort zu helfen, kann sie aus eigener Erfahrung bestätigen.
„Ich bin einem Obdachlosen begegnet, der bewusstlos an einer Bushaltestelle lag“, erzählt sie. Der Körper des Mannes lag auf dem Bürgersteig, sein Kopf ragte darüber hinaus. In der Ferne war der Bus zu bereits zu erkennen. „Mindestens 20 Leute standen an der Haltestelle, aber niemand beachtete den Mann“, sagt sie. Es war Susana, die den Ohnmächtigen aus der Gefahrenzone zog.
Der Mann kam wieder zu sich. „Er war überglücklich und dankbar für die Hilfe“, sagt seine Retterin. Sie kann sich keinen Fall vorstellen, in dem sie nicht helfen würde. „Aber ich bin froh, dass ich noch nicht alles anwenden musste, was ich gelernt habe“, sagt sie. Die Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage kenne sie nur aus der Theorie.
„Im Notfall muss jeder aktiv werden, um seinen Mitmenschen zu helfen“, sagt Cédric Gantzer. Trotzdem trauen sich viele das nicht, aus Angst, etwas falsch zu machen. „Der einzige Grund, nicht zu helfen, ist, wenn man sich damit selbst damit in Gefahr bringt“, sagt Gantzer. Ist die Situation für die Ersthelfer zu gefährlich, hat die Eigensicherung immer Vorrang. In allen anderen Fällen gelte das nicht.
„In Indien gehört der Erste-Hilfe-Kurs zur Schulausbildung dazu“, sagt Anuj. In seiner Heimat sei der Rettungsdienst anders organisiert. Im Notfall würde kaum jemand auf den Krankenwagen warten. „Meistens bleibt ein Auto stehen oder die Helfer rufen ein Taxi, um die Person in die Notaufnahme zu bringen“, sagt er. Einen Kurs hat Anuj allerdings noch nie besucht, „zu meiner Schulzeit war das noch anders“, sagt er.
In Luxemburg ist Erste Hilfe kein Pflichtfach im Lehrplan, wer einen solchen Kurs besuchen will, kann sich an den CGDIS wenden. „Wir bieten kostenlose Kurse an“, sagt Cédric Gantzer. Die Anmeldung erfolgt über cours.cgdis.lu und dauert 16 Stunden. Jeder kann teilnehmen, es gibt nur eine Bedingung: „Man muss mindestens zwölf Jahre alt sein.“Neben den Rettungsdiensten gibt es noch andere Anbieter, „sogenannte Organisme formateurs en matière de secours, deren Diplome ebenfalls anerkannt werden“, erklärt der Pressesprecher.
Catherine hat ihre ganze Familie für einen solchen Kurs angemeldet und wartet darauf, dass es losgeht. Ein aktuelles Ereignis hat sie dazu bewogen: „Meine Mutter lebt in einem Altersheim in Frankreich“, erzählt sie. Dort sei vor nicht allzu langer Zeit eine andere Bewohnerin unglücklich gestürzt. „Niemand vom Personal wusste, was zu tun war“, ärgert sie sich.
Wir als Rettungskräfte würden uns wünschen, dass jeder Einwohner des Landes diese Hilfsgriffe beherrscht. Cédric Gantzer