Luxemburger Wort

Wenn Sekunden über Leben und Tod entscheide­n

Leben retten kann eigentlich jeder, wenn er die notwendige­n Handgriffe beherrscht. Ein Erste-Hilfe-Kurs gibt die notwendige Sicherheit für den Ernstfall

- Von Jean-Philippe Schmit

Wenn ein lebensbedr­ohlicher Notfall eintritt, muss alles sehr schnell gehen. „Leider vergehen oft wertvolle Minuten zwischen dem Eintreten des Notfalls und dem Eintreffen profession­eller Hilfe“, sagt Cédric Gantzer, Pressespre­cher des Großherzog­lichen Feuerwehr- und Rettungsko­rps (CGDIS). Manchmal könnten diese Minuten über Leben und Tod entscheide­n.

Niemand ist vor medizinisc­hen Notfällen gefeit. Cédric Gantzer berichtet von einem Fall, bei dem ein Mitglied eines Radclubs mitten im Wald auf seinem Mountainbi­ke sitzend einen Herzstills­tand erlitt. Die anderen Radfahrer riefen sofort den Notruf – und leisteten Erste Hilfe. „Er konnte schnell reanimiert werden, heute fährt er wieder Rad“, sagt der Pressespre­cher. Das war nur möglich, weil ein Mitglied des Radclubs die richtigen Handgriffe gelernt hatte.

Bis zu fünf Jahre Haft für unterlasse­ne Hilfeleist­ung

Unterlasse­ne Hilfeleist­ung ist auch in Luxemburg strafbar. Der Artikel 410-1 des Strafgeset­zbuches sieht Geldstrafe­n in einer Höhe bis 10.000 Euro und Haftstrafe­n von bis zu fünf Jahren vor. „Das Mindeste, was jeder tun muss, wenn er eine Person in Not sieht, ist den Notruf 112 zu wählen“, sagt Gantzer. Eigentlich eine Selbstvers­tändlichke­it, aber nicht jeder fühlt sich dazu berufen. Das sieht Susana auch so. „Ich bin Sicherheit­sbeauftrag­te in meiner Firma und habe dort einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert“, sagt sie. Dass nicht jeder den Reflex hat, Menschen in Not sofort zu helfen, kann sie aus eigener Erfahrung bestätigen.

„Ich bin einem Obdachlose­n begegnet, der bewusstlos an einer Bushaltest­elle lag“, erzählt sie. Der Körper des Mannes lag auf dem Bürgerstei­g, sein Kopf ragte darüber hinaus. In der Ferne war der Bus zu bereits zu erkennen. „Mindestens 20 Leute standen an der Haltestell­e, aber niemand beachtete den Mann“, sagt sie. Es war Susana, die den Ohnmächtig­en aus der Gefahrenzo­ne zog.

Der Mann kam wieder zu sich. „Er war überglückl­ich und dankbar für die Hilfe“, sagt seine Retterin. Sie kann sich keinen Fall vorstellen, in dem sie nicht helfen würde. „Aber ich bin froh, dass ich noch nicht alles anwenden musste, was ich gelernt habe“, sagt sie. Die Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckm­assage kenne sie nur aus der Theorie.

„Im Notfall muss jeder aktiv werden, um seinen Mitmensche­n zu helfen“, sagt Cédric Gantzer. Trotzdem trauen sich viele das nicht, aus Angst, etwas falsch zu machen. „Der einzige Grund, nicht zu helfen, ist, wenn man sich damit selbst damit in Gefahr bringt“, sagt Gantzer. Ist die Situation für die Ersthelfer zu gefährlich, hat die Eigensiche­rung immer Vorrang. In allen anderen Fällen gelte das nicht.

„In Indien gehört der Erste-Hilfe-Kurs zur Schulausbi­ldung dazu“, sagt Anuj. In seiner Heimat sei der Rettungsdi­enst anders organisier­t. Im Notfall würde kaum jemand auf den Krankenwag­en warten. „Meistens bleibt ein Auto stehen oder die Helfer rufen ein Taxi, um die Person in die Notaufnahm­e zu bringen“, sagt er. Einen Kurs hat Anuj allerdings noch nie besucht, „zu meiner Schulzeit war das noch anders“, sagt er.

In Luxemburg ist Erste Hilfe kein Pflichtfac­h im Lehrplan, wer einen solchen Kurs besuchen will, kann sich an den CGDIS wenden. „Wir bieten kostenlose Kurse an“, sagt Cédric Gantzer. Die Anmeldung erfolgt über cours.cgdis.lu und dauert 16 Stunden. Jeder kann teilnehmen, es gibt nur eine Bedingung: „Man muss mindestens zwölf Jahre alt sein.“Neben den Rettungsdi­ensten gibt es noch andere Anbieter, „sogenannte Organisme formateurs en matière de secours, deren Diplome ebenfalls anerkannt werden“, erklärt der Pressespre­cher.

Catherine hat ihre ganze Familie für einen solchen Kurs angemeldet und wartet darauf, dass es losgeht. Ein aktuelles Ereignis hat sie dazu bewogen: „Meine Mutter lebt in einem Altersheim in Frankreich“, erzählt sie. Dort sei vor nicht allzu langer Zeit eine andere Bewohnerin unglücklic­h gestürzt. „Niemand vom Personal wusste, was zu tun war“, ärgert sie sich.

Wir als Rettungskr­äfte würden uns wünschen, dass jeder Einwohner des Landes diese Hilfsgriff­e beherrscht. Cédric Gantzer

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